Uwe Dinger redet sich in vier Minuten um Kopf und Kragen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 29.05.2022, 18:19 (vor 718 Tagen)

Wer als Mobilfunkgegner etwas auf sich hält, muss auch W-Lan als Teufelswerk ablehnen. So geben es die Parolenstanzer der Anti-Mobilfunk-Szene realitätsfremd vor. Umso verblüffender, dass ausgerechnet Uwe Dinger, er baute Diagnose-Funk erst in der Schweiz auf, dann in Deutschland, W-Lan in Gebäuden als technischen Ersatz für Mobilfunk sieht. Und zwar dann, wenn nach einer angestrebten Trennung von Innen- und Außenversorgung Mobilfunksender zu schwach wären, um Innenräume noch ausreichend zu versorgen. Auf seine verstörende Darlegung aufmerksam gemacht, versuchte Dinger zu retten, was zu retten war – und verstrickte sich dabei noch mehr.

Im Gegensatz zu vielen seiner Gesinnungsgenossen ist Uwe Dinger ausgesprochen medienscheu. Coco Tâche aber schaffte es, ihn vor eine Kamera zu bringen und zu befragen. Ort des Geschehens ist der Waisenhausplatz in Bern, ihrem YouTube-Kanal einverleibt hat Coco die Befragung am 5. Mai 2020. Dinger war seinerzeit noch Präsident des Anti-5G-Projekts Frequencia und Coco saß dort mit im Vorstand. Inzwischen hat sich die Situation gründlich geändert, zumindest was die deutschsprachige Website von Frequencia anbelangt.

Coco Tâche befragt Uwe Dinger über die Pläne seines Anti-5G-Projekts Frequencia.

Coco Tâche kurz zu beschreiben ist nicht einfach, da die aparte Frau, in der ich eine träumerische Menschenfreundin sehe, äußerst vielseitige Interessen hat. Wer mehr über sie erfahren möchte wird im www fündig.

Die entscheidenden vier Minuten

Der folgende vierminütige Ausschnitt aus dem Gespräch der beiden findet ab Minute 4:09 statt. Zuvor versuchte Uwe, Coco die Kernpunkte der von Frequencia angestrebten Indoor/Outdoor-Trennung der Mobilfunkversorgung lässig zu verklickern. Das gelang ihm anfangs einigermaßen gut, doch zu Beginn des Ausschnitts bringt er plötzlich W-Lan ins Spiel. Coco hakt geistesgegenwärtig nach und bringt damit Uwe arg ins Schleudern.

Uwe Dinger: [...] Wir müssen jetzt sofort einen Wechsel machen in der Mobilfunkinfrastruktur, so dass wir die Innenversorgung von der Außenversorgung trennen. Also die sogenannte Indoor/Outdoor-Trennung. Und das heißt, am besten ist natürlich jetzt ein Glasfaseranschluss für alle Haushalte und wenn ich dann zu hause kommunizieren will, dann muss der Gespräch am besten über WiFi-Calling – oder wie auch immer das dann beim jeweiligen Anbieter dann betitelt wird – kann dann direkt über das Glasfasernetz abgeleitet werden.

Coco Tâche: Wie kann man sich das WiFi-Calling vorstellen?

Ach da gibt es unterschiedliche Anbietermöglichkeiten. Also wenn ich jetzt zu hause bin und ich möchte Daten abrufen, dann wird das über das W-Lan, über die W-Lan-Funktion des Smartphones funktionieren und nicht über den Datenmodus, wo ich den nächsten Mobilfunksendemasten erreiche, sondern es nimmt direkt Verbindung auf über den Router und der Router ist angeschlossen an das Glasfasernetz, also über – in dem Fall – Fiber to the Home im Idealfall uuund ...

Aber W-Lan ist sehr, sehr schädlich!

W-Lan ist dann in dem Sinn schädlich, genau! Es ist einfach so jetzt, das war jetzt ausgehend von der Indoor/Outdoor-Trennung. Natürlich wollen wir im idealfall, dass wir zu Hause auch strahlungsarm oder potenziell strahlungsfrei leben können und das muss natürlich faktisch eigentlich jeder im Idealfall selber entscheiden. Weiter wollen wir Eigenverantwortung, da können wir den Leuten nicht reinreden. Was wir wollen mit der der Indoor/Outdoor-Trennung ist, dass die W-Lans eigentlich auch nur noch den eigenen Wohnraum abdecken. Das heißt, mein WiFi, mein W-Lan soll nicht die ganze Nachbarschaft bestrahlen.

Genau, genau ...

Genauso also Indoor/Outdoor-Trennung bezüglich der Mobilfunksendeanlagen, dass man hier eine Trennung hat, will man das natürlich dann halt auch für den eigenen Mobilfunksender, in Anführungsstriche, in der eigenen Wohnung. Dass der nur den eigenen Bereich abdecken kann.

Aber wie kann man das nachvollziehen, wie ist das überhaupt möglich? Weil jetzt zum Teil sind wir in Gebäuden, da hat's vielleicht hundert W-Lans ...

Da hat's hundert W-Lans, ja. Also das heißt, das ist auf jeden Fall so, dass die Anbieter künftig die W-Lans entsprechend ausstatten und regulieren müssen.

Okay ...

Und das ist etwas, was wir erreichen wollen über die Mobilfunkinitiative, die du eingangs erwähnt hast. Die ist unterwegs, die Mobilfunkinitiative ...

Magst vielleicht noch zwei, drei Worte darüber sagen ...

Ja, genau. Also im Kern geht es natürlich ... also das Zentrale was wir wollen ist nicht, dass wir sagen, wir wollen dass die Grenzwerte gesenkt werden, sondern, was wir wollen ist, dass man tatsächlich die Mobilfunkinfrastruktur auf Glasfaser aufbaut und die Funkstrecken so kurz wie möglich. Und dann natürlich im Weitergehenden die Indoor/Outdoor-Trennung. Dass also nicht ich mit Außenantennen Innenräume oder die Tiefgarage drittes Untergeschoss versorge, sondern dort, wenn es denn notwendig ist, mit Kleinzellen arbeite mit Femtozellen wie auch immer. Das gilt es letztendlich umzusetzen. Und das ist das, was wir wollen. Also wir wollen im Kern eine Weichenstellung zu einer neuen nachhaltigen und sicheren Mobilfunkinfrastruktur. Und diese Infrastruktur muss so aufgebaut sein, dass sie für die Bevölkerung faktisch bedeutet, natürlich auch für die Umwelt, eine absolute Minimierung der Strahlungsbelastung. So, damit ist das Thema Grenzwertsenkung eigentlich wie ein Abfallprodukt dieser neuen Infrastruktur.

Also wo der Mensch wirklich nicht gefährdet ist, kann man das sagen dass ...

Wir können nicht nicht gefährdet, sondern wir fordern absolute Minimierung der Risiken auf das technisch Machbare. Also das ist technisch machbar, das was wir fordern, und das muss umgesetzt werden.

Genau ...

Es geht um den Schutz von Mensch und Umwelt und nicht irgendwo dass man jetzt irgendwie Rücksicht nimmt auf technologische Errungenschaften. [...]

Das Kuriosum des obigen Dialogs liegt darin, dass Uwe Dinger mutmaßlich versehentlich die Folgen einer Indoor/Outdoor-Trennung technisch korrekt beschreibt. Wenn Mobilfunksender wegen geringer Sendeleistung eine Gebäudehülle nicht mehr hinreichend durchdringen können, um auch im Innern gute Verbindungen zu gewährleisten, dann ist drinnen eine Ersatztechnologie erforderlich. Mobilfunkgegner sprechen dann in aller Regel nebulös von Glasfaseranschlüssen und deren erfreulich großer Bandbreite. Um die Gretchenfrage, was die Brücke vom Smartphone zum Glasfaseranschluss schlägt, machen sie einen großen Bogen und zuweilen hat man bei technisch überforderten Mobilfunkgegnern den Eindruck, diese glaubten, irgendwie würden auch Smartphones direkt via Gasfaser gespeist. Das ist Blödsinn und Dinger weiß das. Deshalb erwähnt er W-Lan als Brückentechnologie.

Dummerweise hat die Anti-Mobilfunk-Szene W-Lan jedoch schon als besonders gefährlich ausgemacht, noch bevor sich die Parole von der Indoor/Outdoor-Trennung in der Szene verbreitete. Der Verein Diagnose-Funk tat sich z.B. mit einer dilettantischen narrativen Review hervor, die mit 100 Studien der Gefährlichkeit von W-Lan die wissenschaftliche Absolution erteilen sollte. Aus Sicht von Wissenschaftlern ist diese Review zwar "unerträglich" und genießt deshalb keine Anerkennung in ihrer Community, Diagnose-Funk ließ das Paper jedoch von Gesinnungsfreunden ausgiebig beweihräuchern, so dass Laien zuweilen noch heute damit argumentieren.

In der Zwickmühle

Mit dem Verteufeln von W-Lan brachte sich die Anti-Mobilfunk-Szene selbst in die Zwickmühle, eine Trennung der Indoor/Outdoor-Versorgung von Mobilfunk nicht mehr mit W-Lan als Brückentechnologie für die Anbindung der Smartphones ans Internet plausibel begründen zu können. Uwe Dinger fiel damit in die Grube, die er selbst ausgehoben hat. Nachdem der Ex-Geschäftsführer von Diagnose-Funk mit Cocos Hilfe seinen Fehltritt bemerkt, versucht er wortreich aus der Grube zu entkommen. Vergeblich. Am besten gefällt mir seine der Verzweiflung entsprungene Nonsense-Äußerung "die Anbieter [müssen] künftig die W-Lans entsprechend ausstatten und regulieren". Weil es keinen vernünftigen Grund für "die Anbieter" gibt, der bizarren Forderung Dingers nachzukommen, wird der Dipl.-Astrologe ein Rufer in der Wüste bleiben. Wahrscheinlich hat Dinger seinen Appell an "die Anbieter" jedoch nicht ernst gemeint, sondern eher Coco gründlich einseifen wollen, damit ihr nicht noch mehr unangenehme Fragen einfallen. Damit war er offensichtlich erfolgreich.

W-Lan ist übrigens nicht die einzige Brückentechnologie, die in Gebäuden Verwendung finden kann. Auch Repeater für Mobilfunk könnten die Indoor-Versorgung gut gewährleisten. Und wenn man systembedingte Nachteile inkauf nimmt, könnte sogar VLC (auch LiFi genannt) dafür herangezogen werden. Dass Uwe Dinger anlässlich seiner Befragung durch Coco ausgerechnet das von seinen Gesinnungsfreunden unermüdlich gefeierte VLC als Brückentechnologie nicht eingefallen ist, lässt erahnen, welche geringen Erfolgsaussichten er dieser Technik insgeheim gibt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
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80 Prozent der Mobilkommunikation aus Innenräumen

H. Lamarr @, München, Sonntag, 29.05.2022, 21:18 (vor 718 Tagen) @ H. Lamarr

Im Gegensatz zu vielen seiner Gesinnungsgenossen ist Uwe Dinger ausgesprochen medienscheu. Coco Tâche aber schaffte es, ihn vor eine Kamera zu bringen und zu befragen.

Die Forderung nach einer Indoor/Outdoor-Trennung beim öffentlichen Mobilfunk begründet Dinger anlässlich der Befragung damit, circa 80 Prozent der Mobilkommunikation werde Indoor abgewickelt (Minute 3:05). Eine Quelle nennt er für seine Wertangabe nicht, sodass diese nur als Behauptung im Raum steht. Da diese Behauptung auch auf der Website von Frequencias Safer-Phone-Initiative unbelegt zu finden ist, bat ich Mitte April den amtieren Frequencia-Präsidenten Peter Schlegel um eine Quellenangabe. Antwort blieb bis heute aus. Wurde wegen der Anfrage die Quelle inzwischen auf der Website vielleicht diskret nachgetragen? Nein, soeben an dieser Stelle geprüft, ist auch dies nicht der Fall.

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Keine 80 Prozent der Mobilkommunikation aus Innenräumen

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 01.06.2022, 00:39 (vor 716 Tagen) @ H. Lamarr

Was Frequencia als Fakt verkauft, dass nämlich 80 Prozent der Mobilkommunikation aus Gebäuden heraus stattfindet, ist gemäß dem schwedischen Netzwerkausrüster Ericsson nicht mehr als eine überholte Faustregel, die inzwischen von genaueren Abschätzungen abgelöst wurde. Die Pauschalangabe 80 Prozent blieb dabei auf der Strecke. Einerseits geht Frequencia damit das zentrale Argument für die angestrebte erzwungene Indoor/Outdoor-Trennung verloren, andererseits signalisiert Ericsson, dass eine freiwillige Trennung der Versorgungsbereiche unter bestimmten Umständen für Mobilfunknetzbetreiber wirtschaftlich sogar vorteilhaft ist.

Bislang wurde vermutet, so Ericsson, dass 70 Prozent bis 80 Prozent des mobilen Datenverkehrs innerhalb von Gebäuden stattfindet, einschließlich des Datenverkehrs, der mit gebäudeinternen Funksystemen bedient wird. Doch mit dem Aufkommen von 5G erwies sich diese Angabe als zu ungenau für eine zutreffende Netzplanung der Mobilfunkbetreiber. Genauere Daten mussten her, um die Planung gebäudeinterner Millimeterwellen-Funkzellen auf wirtschaftlich tragfähige Beine zu stellen. Denn wegen der hohen Gebäudedurchdringungsverluste von Millimeterwellen (mmWave) kann eine hohe Verkehrsnachfrage in Innenräumen gebäudeinterne Funkzellen wirtschaftlicher machen als eine Versorgung von außen. Man denke nur an die Stromkosten für Funkmasten mit hoher Sendeleistung. Deshalb wurden zwei neue Methoden entwickelt, um den Anteil des Indoor-Datenverkehrs in Außenbasisstationen genauer abzuschätzen. Ziel: Durch die Quantifizierung der Verkehrsnachfrage und der Abdeckung drinnen und draußen können zusätzlich benötigte Ressourcen besser bestimmt werden, damit die geringste Menge an Funkleistung den Durchdringungsverlusten zum Opfer fällt.

Bevor es um diese neuen Methoden geht noch ein kurzer Blick auf den physikalischen Grund, warum die Innenversorgung von Gebäuden mit Außenbasisstationen erst mit Millimeterwellen von 5G zum Problem wurde.

Gebäudedurchdringung fällt Millimeterwellen schwer

In städtischen Gebieten findet ein Großteil des mobilen Datenverkehrs in Innenräumen statt, die aufgrund der Dämpfung des Funksignals durch Wände und Fenster jedoch nur aufwendig von Außenbasisstationen versorgt werden können. Bei 5G-Netzen ist dies wegen der Verwendung höherer Frequenzen eine noch größere Herausforderung. 5G-Funkysteme können in einem breiten Spektrum von Trägerfrequenzen betrieben werden, je nach Region von unter 1 GHz im Low-Band bis zu 39 GHz im mmWave-Spektrum. Niedrigere Frequenzen haben gute Abdeckungseigenschaften, während hohe Frequenzen für die Kapazität nützlich sind, da sie größere Bandbreiten zulassen. Aber: Die Signaldämpfung nimmt mit der Frequenz zu.

Die Auswirkung der Frequenz auf die Streckendämpfung lässt sich anhand der Messung der Signalstärke zwischen zwei 500 Meter voneinander entfernten Antennen bei Sichtverbindung veranschaulichen. Im Extremfall hat ein 39-GHz-Signal im Vergleich zu einem 800-MHz-Signal einen um 34 dB (fast 100 Prozent) höheren Pfadverlust im freien Raum.

Eine weitere Herausforderung bei den höheren Frequenzbändern ist die Dämpfung von Signalen, wenn sie Gebäude durchdringen. Im Hinblick auf die Signalausbreitung lassen sich Gebäude grob in zwei Typen einteilen: moderne, wärmegedämmte Gebäude mit metallisierten Glasfenstern, folienbeschichteten Wandpaneelen, gedämmten Hohlwänden und dickem Stahlbeton sowie traditionelle Gebäude ohne derartige Materialien. Der mittlere Gebäudeverlust für ein thermisch effizientes Gebäude ist gemäß Empfehlung ITU-R P.2109-0 bei 800 MHz 50-Mal höher als bei einem Gebäude aus herkömmlichen Materialien und bei 39 GHz etwa 240-Mal höher.

Methode 1: Statistische Datenauswertung

Zur Erfassung der Pfadverluste im Uplink wird in jedem Übertragungszeitintervall eine Stichprobe des bei einer Basisstation ankommenden Signals gesammelt, was zu einer ausreichenden Anzahl von Stichproben führt, um die Verwendung der Gaußschen Mischungsmodellierung zu ermöglichen. Für ein Smartphone, das sich in einem Gebäude befindet und mit einer Außenbasisstation verbunden ist, ist der Pfadverlust höher als für ein Smartphone, das sich im Freien befindet, was auf den Durchdringungsverlust des Gebäudes zurückzuführen ist. Das Modell funktioniert, indem es alle Datenproben in einem bestimmten geografischen Gebiet oder einer Zelle nimmt und dann eine Pfadverlustverteilung für den Datensatz erstellt. Anschließend unterteilt das Modell die Daten in Nutzercluster, indem es die beste Anpassung an eine Reihe von Gaußverteilungen mit jeweils eigenem statistischen Profil ermittelt. Schließlich kann durch die Analyse der Daten aus jeder Verteilung bestimmt werden, welche Nutzer-Cluster sich in Innenräumen und welche im Freien befinden.

Der statistische Ansatz wurde an 316 4G-Funkzellen (Makrozellen und Kleinzellen) einer Großstadt erprobt. 191 Funkzellen waren in der Innenstadt mit Hochhäusern, 112 in städtischem Gebiet und 13 in Wohngebieten. Die Tabelle zeigt die ermittelten Prozentsätze (Durchschnittswerte) des Verkehrs in Außenbasisstationen, der von Indoor-Benutzern in den drei Beobachtungszonen erzeugt wurde.

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Indoor-Verkehrsanteile in Außenbasisstationen

Die niedrigen Prozentwerte für die Innenstadt beruhen auf Gebäuden, die über gebäudeinterne Funkversorgungssysteme verfügen und keine Außenbasisstation in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse deutet darauf hin, dass der Einsatz von Funkzellen in Innenstadtgebäuden erhöht werden könnte, um die Nachfrage zu befriedigen, die vor allem in modernen, wärmegedämmten Gebäuden besteht.

Die Ergebnisse für Stadtgebiete legen nahe, dass der Dienstanbieter in Erwägung ziehen sollte, dort gebäudeinterne Funkversorgung einzusetzen und erst dann die Anzahl der Kleinzellen zu erhöhen.

Hinweis: Da die Summen in der Tabelle nicht algebraisch gebildet wurden, kamen möglicherweise unterschiedliche Gewichtungsfaktoren für Marko- und Kleinzellen zur Anwendung. Ericsson macht dazu keine Angaben.

Methode 2: KI-Ansatz "unüberwachtes Lernen"

Im Vergleich zum statistischen Ansatz erlauben die Techniken des maschinellen Lernens die Verwendung von Daten, ohne dass deren Beitrag zum Ergebnis direkt angegeben wird. Mit einer Technik, die als unüberwachtes Lernen bezeichnet wird, können mehr Datenquellen mit geringem Aufwand hinzugefügt und subtilere Informationen in den Daten ohne direkte menschliche Interaktion genutzt werden.

Um ein Mobiltelefon dem Innen- oder Außenbereich zuzuordnen, wird unüberwachtes Lernen auf technische Daten wie RSRP (Reference-Signal Received Power), Akkuladestatus und Durchsatz angewendet. Das maschinelle Lernmodell teilt den Merkmalsraum (eine Reihe von Messwerten, die die Daten beschreiben) in eine Reihe von Clustern auf und sagt voraus, ob ein Cluster zu den Innen- oder Außenaktivitäten gehört. Alle Stichproben von Mobiltelefonen, die in einen Innenraum-Cluster fallen, werden als Innenraum eingestuft.

Die Methode des unüberwachten Lernens wurde auf ein größeres Gebiet angewandt, das alle drei im vorherigen Ansatz erwähnten Stadtbezirke umfasste. Sie ist in der Lage, mehr Daten effizient zu verarbeiten und kann mehrere Eingaben verarbeiten, anstatt sich wie die statistische Methode auf eine einzige Messung zu verlassen. So können detailliertere Ergebnisse erzielt werden, da die Zuordnung auf der Ebene der Geräte/Stichproben und nicht auf der Ebene eines Gesamtmaßes erfolgt. Dies ermöglicht nicht nur die Berechnung eines Innenraum-Verkehrsverhältnisses, sondern auch die Berechnung beliebiger Indoor/Outdoor-Verhältnisse unter Verwendung desselben Modells. Der Prozentsatz der Geräte, die sich in Innenräumen befinden, und der prozentuale Anteil des Datenverkehrs, den Geräten in Innenräumen verursachen, lässt sich so berechnen. 61 Prozent der Mobiltelefone wurden in dem untersuchten Datensatz als Innenraumgeräte erkannt, wobei 59 Prozent des Datenverkehrs von Basisstationen im Freien abgewickelt wurden, die diese Innenraumgeräte bedienten. Diese Ergebnisse stimmen mit den Ergebnissen der statistischen Methode gut überein.

Quelle: Planning in-building coverage for 5G: from rules of thumb to statistics and AI

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
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5G, Gebäudedämpfung, Frequencia, Millimeterwellen, Indoor/Outdoor-Trennung, Pfadverluste, Verkehrsaufkommen aus Innenräumen

Indoor/Outdoor-Trennung aus Wissenschaftlersicht wirkungslos

H. Lamarr @, München, Sonntag, 05.06.2022, 23:21 (vor 711 Tagen) @ H. Lamarr

Erklärtes Feindbild von Mobilfunkgegnern sind die fernen Funkmasten, nicht die nahen Smartphones, die sich auch unter Mobilfunkgegnern größter Beliebtheit erfreuen. Dieser banale Umstand bewirkt zum einen viele Widersprüche im Wirken von Mobilfunkgegnern, zum anderen zeigt er den Tunnelblick dieser Spezies. Dem Tunnelblick geschuldet ist wiederum ein Denkfehler, dem Mobilfunkgegner bei ihrer Idee einer Indoor/Outdoor-Trennung der Mobilfunkversorgung aufgesessen sind.

Die Indoor/Outdoor-Trennung soll nach den Vorstellungen organisierter Mobilfunkgegner die "Strahlenbelastung" von Menschen deutlich senken. Die Idee dahinter ist simpel: Braucht ein Mobilfunksender die Nutzer innerhalb von Gebäuden nicht mehr versorgen, muss das Mobilfunksignal nicht mehr die signalschwächende Gebäudehülle durchdringen und der Mobilfunksender kann mit deutlich geringerer Sendeleistung betrieben werden. Dies reduziert draußen und drinnen die Exposition von Menschen mit Funkfeldern, die von Mobilfunksendern im Freien ausgehen.

Soweit der Kerngedanke der Indoor/Outdoor-Trennung, der vom Ansatz her die Frage offen lässt, wie die Funklöcher, die sich nach der Trennung in Gebäuden zwangsläufig auftun, vernünftig gestopft werden können. Dass sogar eine Führungsperson organisierter Mobilfunkgegner bei der Beantwortung dieser Frage ins Schlingern gerät, belegt das Startposting.

Ob die Idee der Indoor/Outdoor-Trennung hält, was sie verspricht, war u.a. Gegenstand eines Forschungsprojekts, das im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) von der Schweizer Forschungsstiftung It'Is 2021 durchgeführt wurde. Mit Simulationsmodellen prüften die Wissenschaftler, wie sich eine Indoor/Outdoor-Trennung auf drei unterschiedliche Szenarien auswirkt:

Outdoor: Alle Nutzer befinden sich im Freien. Dieses Szenario entspricht vollumfänglich dem Kerngedanken der von Mobilfunkgegnern angestrebten Indoor/Outdoor-Trennung.

Indoor: Die Nutzer befinden sich an zufälligen Orten drinnen oder draußen, mindestens 25 Prozent aber sind drinnen in beliebig großen Gebäuden.

Indoor 15 m: Wie Indoor, die Nutzer drinnen befinden sich jedoch in kleinen Gebäuden mit einer Seitenlänge von maximal 15 m.

Zusätzlich zu diesen Szenarien wurde geprüft, wie die Auswirkungen in Städten, Vororten und Dörfern sind und wie bei den unterschiedlichen Datenraten von 4G- und 5G-Netzen. Auskunft über die Ergebnisse gibt der folgende (ins Deutsche übersetzte) Auszug aus dem Abschlussbericht des Forschungsprojekts (PDF, 43 Seiten, englisch). Wem die Begriffe Downlink- und Uplink-Exposition fremd sind, die Downlink-Exposition umschreibt die Strahlenbelastung durch Funkmasten, die Uplink-Exposition die durch Mobiltelefone.

[...] Die Ergebnisse zeigen, dass die Downlink-Exposition draußen um den Faktor 10 zunimmt, wenn auch in Gebäuden drinnen Nutzer versorgt werden müssen. In den beiden Indoor-Szenarien ist die Downlink-Exposition drinnen höher als beim Outdoor-Szenario draußen. Die Exposition ist bei den Indoor-Szenarien drinnen jedoch niedriger als draußen. [...] Die durchschnittlichen Expositionswerte [...] liegen für alle Versorgungsszenarien und Nutzerstandorte im gleichen Bereich. Nutzer im Freien sind im Allgemeinen bei 5G einem niedrigeren durchschnittlichen [...] Uplink-Expositionsverhältnis ausgesetzt als bei 4G (Faktor 1,5 bis 2), in Innenräumen sind hingegen die 5G-Uplink-Expositionsverhältnisse höher [den Begriff "Expositionsverhältnis" erklärt der Abschlussbericht an anderer Stelle im Abschnitt 4.10; Anm. Postingautor].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nur beim Outdoor-Szenario die Downlink-Exposition im Freien reduziert wird. Auf der Grundlage der [...] Ergebnisse wird jedoch auch ein 5G-Netz, das nur den Außenbereich abdeckt, einen erheblichen Teil der Innenbereiche abdecken. Diese Schlussfolgerung wird auch durch die geringen Unterschiede zwischen der Abdeckung aller Gebäude und nur kleiner Gebäude gestützt. Da die Uplink-Exposition in allen Abdeckungs- und Datenraten-Szenarien sehr ähnlich und im Vergleich zur Downlink-Exposition dominant ist, führt eine Trennung von Innen- und Außenabdeckung in den simulierten Szenarien nicht zu einer geringeren Exposition der Menschen.

Zugegeben, auf Anhieb verständlich sind die Ausführungen nicht, mancher Satz muss zweimal gelesen werden, bevor sich einem die Aussage erschließt. Im Zweifel ist es ratsam, das Original des Abschlussberichts zu Rate zu ziehen. Dort werden die Sachverhalte ausführlich erklärt, jedoch auf einem Niveau, das Vorkenntnisse in EMF-Expositionsbetrachtungen voraussetzt. Wer die nicht hat, wird aus dem Papier wenig Nektar saugen können. Da es sich nicht um leichte Kost handelt, sondern um eine verzwickte Sache, ist das keine Schande.

Der Denkfehler, der im Kerngedanken der vermeintlich strahlungsreduzierenden Indoor/Outdoor-Trennung steckt, sollte jedoch klar geworden sein: Mobilfunkgegner sorgen sich exklusiv um die Strahlungsminimierung von Funkmasten und kümmern sich nicht um die Funkstrahlung, die von Mobiltelefonen ausgeht. Folgenschwer ist der Denkfehler, weil durch diese Missachtung die dominante Strahlungsquelle Mobiltelefon nicht in die Betrachtung der Gesamtexposition eingeht.

Starrt man allein auf die schwache Downlink-Exposition, kommen auch die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Exposition im Freien um Faktor 10 abnimmt, wenn Funkmasten keine Nutzer in Innenräumen mehr versorgen müssen. Dieser Vorteil wird jedoch zunichte gemacht, sobald die starke Uplink-Exposition von Mobiltelefonen in die Betrachtung mit einbezogen wird.

Üblicherweise kommen Mobilfunkgegner dann mit dem Argument, ein Funkmast strahle rund um die Uhr, ein Smartphone aber nur bei Gebrauch und im Stand-by unbemerkt nur gelegentlich. Wenn ich den Abschlussbericht richtig verstanden habe, berücksichtigen die Autoren jedoch auch diesen Umstand (Zeitfaktor) anlässlich ihrer Bestimmung der maßgebenden "Expositionsverhältnisse" (exposure ratio) für den Up- und Downlink und kommen dennoch zu dem Ergebnis, dass eine Trennung von Innen- und Außenabdeckung in den simulierten Szenarien nicht zu einer geringeren Exposition der Menschen führt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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