Supsi-Untersuchung unter Verschluss (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 23.11.2023, 22:33 (vor 395 Tagen) @ H. Lamarr

Bundesrat: Im Jahr 2006 hat die Tessiner Fachhochschule Supsi die zur Überprüfung der Grenzwerteinhaltung berechnete Strahlung von Mobilfunkantennen mit der in der Realität gemessenen Strahlung verglichen. Im Vergleich zu den Berechnungen waren die gemessenen Werte in 20 % der Fälle höher, in 65 % tiefer und ansonsten in der gleichen Grössenordnung.

Im www konnte ich den Volltext der Supsi-Untersuchung nicht ausfindig machen, sondern nur den Abstract. Vielversprechende Links zum Volltext gibt es zwar, doch die sind inzwischen mausetot und so wichtig ist er mir nicht, dass ich ihn für 13,70 Euro als PDF erwerbe.

Unter Mobilfunkgegnern scheint das Papier jedoch zu kursieren. Denn im Urteil 1C_100/2021 vom 14. Februar 2023 des Schweizer Bundesgerichts findet sich eine Textpassage, die wenigstens rudimentär über den Inhalt der Supsi-Untersuchung Auskunft gibt, die ursprünglich 2006 in Ausgabe 23 des Bulletin SEV/VSE veröffentlicht wurde. Wie dem folgenden Textauszug zu entnehmen ist, schloss sich das Gericht der Interpretation des Papiers durch Mobilfunkgegner in Steffisburg (Beschwerdeführer) allerdings nicht an. Da falsche Interpretationen technischer Sachverhalte eine bekannte Spezialität von Hans-U. Jakob sind, mutmaße ich, dass der Gigaherz-Präsident im Besitz des Papiers ist. Bestätigt wird diese Mutmaßung hier:

[...] Insofern hat das BAFU Unterschieden zwischen konventionellen und adaptiven Antennen im Rahmen der Vollzugsempfehlung Rechnung getragen, die es in der Praxis umzusetzen gilt.

Dass diese Empfehlungen untauglich wären, vermögen die Beschwerdeführenden nicht aufzuzeigen. Dabei braucht nicht erörtert zu werden, inwiefern auf den von ihnen in diesem Zusammenhang vorgebrachten Beitrag von A. SALVADÈ ET AL. (Emissionen von Mobilfunkbasisstationen, Vergleich berechneter Werte mit Messungen vor Ort, in: Bulletin SEV/VSE 23/06) betreffend eine Studie der Fachhochschule der italienischsprachigen Schweiz (Supsi) überhaupt abgestellt werden kann. Aus diesem ergibt sich jedenfalls nicht, dass knapp 40 % aller Anlagen die Grenzwerte an OMEN mit einer rechnerischen Ausschöpfung des Anlagegrenzwerts von unter 80 % überschritten, wie die Beschwerdeführenden meinen. Vielmehr ist dem Beitrag zu entnehmen, dass sich die Studie insgesamt auf 91 Antennen und 400 OMEN bezogen habe und die gemessenen Werte im Allgemeinen tiefer gewesen seien als die berechneten Werte. Bei insgesamt 22 Messpunkten sei eine Grenzwertüberschreitung festgestellt worden, wobei knapp 30 % aller Grenzwertüberschreitungen bei OMEN festgestellt worden seien, bei denen die rechnerische Prognose zwischen 60 % und 80 % des Grenzwerts gelegen habe, was fünf Anlagen bzw. sieben Messpunkten entspreche. Dies wird unter anderem auf die Rechnungsmethode (Vereinfachung der Realität, z.B. indem Reflexionen oder Dämpfungen unberücksichtigt blieben) zurückgeführt. Reflexionen an Gebäuden und Geländeunebenheiten haben auch gemäss BAKOM einen Einfluss auf die Feldverteilung (BAKOM, Testkonzession und Messungen adaptive Antennen [GS-UVEK-325.1-9/2/1], Bericht, 24. September 2020 [nachfolgend: BAKOM, Bericht Testkonzession und Messungen], S. 33). INFRAS schreibt im bereits genannten Bericht (vgl. oben E. 7.1) zudem, dass Reflexionen der Strahlung, zum Beispiel an Fassaden oder Dächern, zu substanziellen Abweichungen der tatsächlichen von den berechneten Feldstärken führen könnten (INFRAS, a.a.O., S. 16). Daher dürfen insbesondere zu erwartende Reflexionen an grossen Flächen im Rahmen der rechnerischen Prognose nicht unberücksichtigt bleiben (analog zu Lärmmodellierungen, vgl. INFRAS, a.a.O., S. 27 ff.) bzw. ist die rechnerische Prognose - soweit technisch und im Rahmen eines verhältnismässigen Aufwands möglich - weiterzuentwickeln und neuen Gegebenheiten anzupassen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das BAFU in seiner Antwort vom 21. Oktober 2022 selber festhält, adaptive Antennen könnten, im Unterschied zu konventionellen Antennen, ihr Abstrahlungsmuster auf die beste Signalübertragung - auch unter Ausnutzung von Reflexionen - ausrichten. Ein Eingehen auf die weiteren Ausführungen und Rügen der Beschwerdeführenden erübrigt sich damit. [...]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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