Marionna Schlatters Fehltritt in der Nationalratdebatte (Allgemein)
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Nationalrat gestern eine Motion von Christian Wasserfallen angenommen, welche bessere Rahmenbedingungen für den Mobilfunk fordert; sprich, höhere Anlagegrenzwerte.
Lohnenswert auch seine Rede, welche auf der Parlamentsseite veröffentlicht wurde. Da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht: hohe Fachkompetenz.
Erstaunlich auch das ziemlich deutliche Abstimmungsergebnis:
97 Nationalräte stimmten für die Motion
76 dagegen
18 enthielten sich
Von Mobilfunkgegnern bin ich es gewohnt, dass diese Sachverhalte zu ihren Gunsten verdrehen. Enttäuschend finde ich hingegen, dass auch die Motionsgegnerin Marionna Schlatter (Grüne) sich dieser populistischen Unart in ihrer Rede bedient hat. Sie behauptet:
[...] Laut einer repräsentativen Studie des BAFU reagieren rund fünf Prozent der Schweizerinnen und Schweizer empfindlich auf Strahlung. Die Zunahme von Datenmengen und Empfangsgeräten lässt diese Prozentzahl wohl noch ansteigen. Zu unserer Verantwortung gehört es auch, diese vulnerablen Bevölkerungsgruppen zu schützen. [...]
Diese grobe Verdrehung der Tatsachen steht einer Nationalrätin der Schweiz nicht gut zu Gesicht. Denn die einleitende Behauptung Schlatters ist falsch (und daher ihre Schlussfolgerungen ebenso). Richtig ist:
[...] In der Schweiz bezeichnen sich etwa 5% der Bevölkerung als elektrosensibel. [...] (Quelle: Bafu)
Ich gehe davon aus, dass das Textverständnis Schlatters hinreichend gut ausgeprägt ist, den Unterschied zwischen der Tatsache und ihrer Verdrehung derselben zu erkennen, was wiederum bedeutet, dass die Nationalrätin bewusst Desinformation verbreitet. Schade, dass ihr in der Debatte keiner der übrigen Nationalräte dies vorgehalten hat.
Selbst die fünf Prozent selbstdiagnostizierte "Elektrosensible" halte ich für irreführend hoch. Denn diese Zahl enthält weit überwiegend Gelegenheitselektrosensible, die gelegentlich ein gefühltes Wehwehchen einer EMF-Einwirkung zuschreiben und sehr wenige überzeugte Elektrosensible (Extrem-EHS), die ihre starken Symptome ebenfalls einer EMF-Einwirkung zuschreiben, zusätzlich jedoch ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten zeigen und ihre Lebensabläufe erheblich sowie dauerhaft an das gefühlte Risiko EMF angepasst haben.
Die Medien präsentieren der Bevölkerung bevorzugt die wenigen, schätzungsweise 30 bis 50 Schweizer Extrem-EHS, und konditionieren damit die Wahrnehmung von EHS in der Öffentlichkeit. Wenn dann von fünf Prozent EHS die Rede ist, wird dieser Wert auf Extrem-EHS projiziert und aus maximal 50 Schweizer Extrem-EHS werden plötzlich fiktive 370'000. Dieses Verwirrspielchen ist aus meiner Sicht nur möglich, weil die EHS-Umfragen von Ämtern und Behörden nicht differenziert genug den Schweregrad der vermeintlichen Elektrosensibilität erfassen, sondern sich mehr um die Vielfalt der Symptome und die vermuteten Elektrosmogquellen kümmern, wie z.B. hier zu erkennen ist. Ich meine es wäre wirklich einmal an der Zeit, den EHS-Schweregrad treffend zu kategorisieren und mit diesem Wissen durch Umfragen die Kategorien mit belastbaren Zahlenwerten zu füllen. Dann stünde endlich eine Datengrundlage zur Verfügung, mit der sich das beliebte Verwirrspiel um irreführend viele "Elektrosensible" beenden lässt.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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e=mc2,
18.06.2021, 12:09
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H. Lamarr,
19.06.2021, 00:30
- Silberstreif: Wie die Schweiz ihr Mobilfunk-Trauma bewältigt - H. Lamarr, 20.06.2021, 13:29
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H. Lamarr,
19.06.2021, 00:30