Mobilfunkgegner: Der Prophet von Herrenberg (II) (Allgemein)
Haushaltsrede Gutbiers vom Januar 2019
Anlässlich der Haushaltsdebatte in Herrenberg am 22. Januar 2019 nannte Fraktionschef Gutbier in seiner Rede eine Zahl: "Nach den Angaben der Mobilfunkbetreiber reden wir bei 5G bundesweit über den Zubau von 300.000 neuen Mobilfunksendeanlagen." Diese Menge verblüfft, denn wer die Streitereien um 5G auf Bundesebene mitverfolgt hat, weiß, die Netzbetreiber sind wenig von der politischen Vision begeistert, 5G bis an "jede Milchkanne" anliefern zu müssen. Die Suche mit dem Begriff "5G 300.000" führte denn auch schnell zur Quelle, aus der Gutbier schöpfte. Es sprudelten nicht "die Mobilfunkbetreiber", sondern nur einer, die Deutsche Telekom. Deren 5G-Projektleiter Alexander Lautz nannte Ende 2018 in Berlin tatsächlich die besagte Zahl: Ein flächendeckender Ausbau im genannten Frequenzbereich erfordere ungefähr 300.000 Antennen. Doch Lautz fuhr fort, volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich mache diese Anzahl keinen Sinn. Gutbier verdreht durch seine Weglassung die Aussage Lautz‘ ins Gegenteil, so als würden die Netzbetreiber geradezu darauf brennen, das Land flächendeckend mit Antennen zuzupflastern. Ob die Netzbetreiber überhaupt verpflichtet werden können, 5G gegen ihren Willen flächendeckend anzubieten, ist nach ihren Klageeinreichungen gegen die Lizenzauflagen der BnetzA vor dem Verwaltungsgericht Köln derzeit noch völlig offen.
Gutbier spricht von "per se toxische[r] Mikrowellenstrahlung" und behauptet, wohlgemerkt als Architekt und Baubiologe, Mobilfunkstrahlung könne Krebs auslösen. "Das ist seit letztem Jahr gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis", lässt er seine Ratskollegen wissen. Mobilfunkstrahlung lasse "auch bei sehr geringer Dosis entartete Zellen schneller wachsen – sie ist Krebs promovierend – zweifach bestätigt durch Wiederholungsstudien des Bundesamtes für Strahlenschutz". Gutbier scheint gut informiert zu sein. Doch er bewegt sich auf dünnem Eis, denn von "sehr geringer Dosis" kann bei 0,04 W/kg Ganzkörper-SAR (50 Prozent des Grenzwerts) keine Rede sein. Und er verschweigt, dass sein Verein Diagnose-Funk dem deutschen Wissenschaftler Alexander Lerchl, der im Auftrag des Bundesamtes die besagten beiden Wiederholungsstudien leitete, im März 2011 öffentlich "mangelnde Qualifikation", "Inkompetenz" und "Entwarnungstätigkeit" unterstellte. Damals war der Bremer Wissenschaftler die zentrale Hassfigur für Mobilfunkgegner, hatte er es doch gewagt, alarmierende Mobilfunkstudien des Ex-Tabaklobbyisten Franz Adlkofer unter Fälschungsverdacht zu stellen. Als ausgerechnet Lerchl 2015 und 2018 die beiden Wiederholungsstudien zur tumorpromovierenden Wirkung von Funkfeldern gelangen, verstörte er damit seine Gegner zutiefst. Gutbiers Lösung, den angeblich so "unqualifizierten" und "inkompetenten Entwarner" Lerchl in einer 180-Grad-Kehrtwende nun anonymisiert als wichtigen Belastungszeugen zu gebrauchen, lässt über sein Verständnis im Umgang mit Forschungsergebnissen und Menschen nichts Gutes erahnen.
Zum Abschluss der Erfolgsbilanz noch ein aufschlussreiches Bonmot, das dem Fraktionsvorsitzenden der "Grünen" im Herrenberger Stadtrat anlässlich seiner jüngsten Haushaltsrede gelang. Ganz ungezwungen führte er das "Schweizer Bundesamt für Strahlenschutz" als Belastungszeugen ins Feld. Nur, ein solches Amt gibt es in der Schweiz nicht ...
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