Lungenärzte vs. Anti-Mobilfunk-Ärzte: Aktionisten im Vergleich (Allgemein)
Verlautbarung von Lungenärzten: Im Januar 2019 informierte Prof. Dr. med. Dieter Köhler, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), die Mitglieder der DGP in einer als Rundbrief verschickten Stellungnahme zu Luftschadstoffen, dass aus seiner Sicht den Grenzwerten für inhalative Schadstoffe oft die wissenschaftliche Basis fehle. Köhler bat um E-Mail-Nachricht seiner Kollegen, sollten sie seiner Position zustimmen. Inzwischen sollen mehr als 100 Lungenärzte das Papier abgenickt haben, die Medien berichten landesweit. An Andreas Scheuer ist die Stellungnahme nicht adressiert, der Minister zeigte sich jedoch sofort sehr interessiert und hat Medienberichten zufolge bereits Konsequenzen angekündigt.
Verlautbarung von Anti-Mobilfunk-Ärzten: Im August 2018 baten 15 Ärzte eines Arbeitskreises digitale Medien, Stuttgart, (verstärkt um neun Unterstützer) in einem Offenen Brief Minister Scheuer um ein persönliches Gespräch, damit sie ihm ihre Bedenken gegen den weiteren Ausbau der Mobilfunknetze vortragen können. Die Medien zogen es vor, über diese Initiative nicht zu berichten. Von einer wie immer auch gearteten Reaktion des Ministers oder seines Vorzimmers ist nichts bekannt geworden, der Ärztearbeitskreis schweigt seit seinem Vorstoß im August 2018. Alles deutet darauf hin, die Anti-Mobilfunk-Ärzte wurden höflich aber bestimmt abgewimmelt.
Frage: Wieso schaffen es die Lungenärzte von Minister Scheuer wahr- und ernst genommen zu werden, nicht aber die Anti-Mobilfunk-Ärzte?
Meine Antwort: Die Lungenärzte um Dieter Köhler mit seinen hundert fachärztlichen Unterstützern können eine breite Kompetenzbasis vorweisen, wenngleich die Lageeinschätzung der Gruppe Köhler unter Lungenärzten keineswegs unumstritten ist.
Die Anti-Mobilfunk-Ärzte können keine gemeinsame Kompetenzbasis vorweisen, sie sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Allgemeinmedizinern (6), Internisten (4), Psychiatern (2) sowie je einem Zahnarzt, Frauenarzt und Umweltmediziner. Abgesehen von Dr. med. J. Mutter, der eigenen Angaben zufolge in jungen Jahren eine Ausbildung zum "Elektroniker" hatte, hat mutmaßlich keiner der Ärzte Expertise in Elektrotechnik, Nachrichtentechnik oder Bioelektromagnetik. Mangelndes Wissen von Ärzten in Elektrosmogfragen ist auch wissenschaftlich dokumentiert. Hingegen ist davon auszugehen, dass alle von Köhlers Mitzeichnern als Lungenärzte wissen, wovon sie reden, welche wissenschaftliche Qualifikation die Lungenärzte haben ist freilich unbekannt.
Wenig vertrauenerweckend ist die Tatsache, dass sich unter den Anti-Mobilfunk-Ärzten einige befinden, die mit ihrer Anti-Mobilfunk-Orientierung ganz offensichtlich kommerzielle Interessen verfolgen (z.B. Behandlung überzeugter Elektrosensibler). Ähnliche Vorwürfe sind bei den Lungenärzten um Köhler weder bekannt noch vorstellbar, ihnen wird stattdessen Lobbyismus vorgeworfen.
Die Schädlichkeit von Luftschadstoffen in unserer Umwelt ist weithin anerkannt, "Elektrosmog" ist im Gegensatz dazu ein Phantomrisiko, das nur von wenigen Außenseitern in Wissenschaft und Medizin als real eingestuft wird.
Anti-Mobilfunk-Ärzte bewegen sich zweifelsfrei in einer stark von pseudowissenschaftlichen Geschäftemachern kontaminierten kommerziell interessierten "Helferszene", unbekannt ist, ob dies auch auf Lungenärzte zutrifft.
Die schnelle und erfreute Reaktion von Minister Scheuer auf die Stellungnahme der Lungenärzte ist damit erklärbar, dass diese Stellungnahme in den Chefetagen der Autobauernation Deutschland willkommen ist, stellt sie doch einen geschäftlichen Störfaktor für die Automobilindustrie infrage. Deutschland ist in der EU nicht dafür bekannt, als Vorreiter für strengere Luftschadstoffgrenzwerte aufzutreten, eher werden solche Bemühungen von deutschen EU-Politikern behindert. Bei den Anti-Mobilfunk-Ärzten ist es diametral anders: Ihre bizarren Forderungen nach einem Ausbaustopp beim Mobilfunk bedeuten – könnte man sie denn ernst nehmen, eine eklatante Behinderung der industriellen Entwicklung im Land sowie den Aufbau eines geschäftlichen Hindernisses für die Mobilfunkindustrie. Allein schon deswegen ist das mit geradezu kindlicher Naivität erbetene Gespräch der 15 Mobilfunk-Blockierer mit dem Minister eine außerordentlich skurrile Idee gewesen. So skurril, dass die 15 selbst nicht an einen Erfolg glaubten und deshalb vorsorglich mit der Überreichungsform des "Offenen Briefes" wenigstens einen Funken öffentliche Aufmerksamkeit unter zahlungskräftigen Privatpatienten auf sich ziehen wollten. Eine nicht weniger dilettantische Fake-Petition gegen 5G-Mobilfunk kann als verkappter werblicher Relaunch des inzwischen verblassten "Offenen Briefes" der 15 Anti-Mobilfunk-Ärzte betrachtet werden.
Wie fassungslos realitätsentrückt drei deutsche Anti-Mobilfunk-Ärzte schon 2009 waren, zeigt ein Brandbrief, mit dem sie den damaligen US-Präsidenten Obama sowie das amerikanische Volk mit theatralischen Worten von der Einführung des DVB-T-Fernsehens abbringen wollten. Vergleichbare Peinlichkeiten von Lungenärzten sind mir nicht bekannt.
Meiner Einschätzung nach sind die Mitarbeiter in den Vorzimmern von Minister Scheuer gewitzt genug, um den untauglichen Versuch der 15, den Dienstherren für ihre dubiosen Forderungen und Interessen einzuspannen, auf Anhieb erkannt haben und gut wussten, wie sie zu reagieren haben. Ablage "P" halte ich daher für eine ungemein verlockende Alternative zu der höflichen aber bestimmten Absage.
Hintergrund
27.11.2018: Lungenärzte fordern EU-Grenzwerte für Luftschadstoffe weiter zu senken
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –