Tendenziös: "Radiodoktor" (OE1) über Elektrosmog (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 21.02.2014, 00:09 (vor 3679 Tagen)

Am 3. Februar 2014 brachte das Radioprogramm Ö1 (Österreich) in der Sendereihe Radiodoktor die Folge "Elektrosmog - Wie gesundheitsgefährdend sind Handystrahlung und Starkstromleitungen tatsächlich?".

Pro- & Kontra-Studiogäste waren Prof. Hans-Peter Hutter von der MUW (Medizinische Universität Wien) und Margit Kropik, Geschäftsführerin des Forum Mobilkommunikation.

Normalerweise sind die Sachinformationen des ORF zu kontroversen Themen gut im Sinne von ausgewogen/neutral. Diesmal aber habe ich den Eindruck, der Radiodoktor neigt einen Tick stärker zu den Alarmkritikern. Das fängt schon mit der unglücklichen Einleitung auf der Website an:

Für den weltweit größten Rückversicherungskonzern Swiss Re gehören elektromagnetische Felder zu den sechs größten Risiken der Menschheit - beziehungsweise der Versicherungsbranche - die sich diesbezüglich für zukünftige Schadenersatzklagen rüstet.

Dass Swiss Re nicht der größte Rückversicherer ist (siehe erster Kommentar auf der verlinkten Seite) lässt sich noch verschmerzen, nicht aber die Falschinformation, elektromagnetische Felder gehörten für Swiss Re zu den sechs größten Risiken der Menschheit. Richtig ist: elektromagnetische Felder gehörten für Swiss Re zu den sechs größten Risiken der Versicherungsbranche. Der "Radiodoktor" ist prompt auf die Desinformation hereingefallen, die von Anti-Mobilfunk-Vereinen über die Risikoeinschätzung der Swisse Re verbreitet wird. Im konkreten Fall ist es sogar noch schlimmer, denn der Radiodoktor nennt als Quelle eine "Presse-Information" - bitte festhalten - der Firma Baufritz. Was es mit dieser kruden "Presse-Information" vom Januar 2014 auf sich hat, hier lässt es sich nachlesen. Für den Radiodoktor ist diese unseriöse Quelle mMn eine ausgemachte Blamage.

Doch das ist nicht der einzige Fehler. Einen Extrakt der Sendung gibt es in Form einer Radiodoktor-Infomappe (PDF, 18 Seiten). Dort heißt es beispielsweise:

Auch die Europäische Umweltagentur (EEA) warnt nach der Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Berichts am 17. September 2007 eindringlich vor den Gefahren hochfrequenter Strahlung, wie sie beispielsweise durch WLAN-Netzwerke oder Mobilfunk ausgesendet wird [...].

Nanu, die EEA warnte 2007 (indirekt) auch vor W-LAN? Nein, hat sie nicht gemacht, wie man leicht am Original der "Warnung" feststellen kann. Eigentlich hat die EEA überhaupt nicht gewarnt, denn dazu fehlt es ihr an Eigenkompetenz (Although the EEA does not have specific expertise in EMF ...), sie hat lediglich die Warnung einer sogenannten "BioInitiative" aufgegriffen (siehe auch hier). Und warum das? Weil einer der damaligen EEA-Mitarbeiter (David Gee, inzwischen ausgeschieden) an der privaten "BioInitiative" beteiligt war. Der wissenschaftliche Wert des "BioInitiative-Reports" wurde von Experten als gering eingestuft (Beispiel).

Von der peinlichen Quelle oben einmal abgesehen habe ich in der Infomappe beim schnellen Querlesen keine richtig gravierenden Fehler festgestellt, vielmehr ist der augenscheinlich zusammen gegoogelte Inhalt mMn leicht tendenziös zugunsten der Alarmkritiker. Vielleicht liegt das daran, dass die österreichische Apothekerkammer "Kooperationspartner" der Sendung "Radiodoktor" ist, was immer das auch bedeuten mag (riecht für mich stark nach ADAC).

Prof. Hutter trat zuletzt in Deutschland anlässlich der Anhörung zur Novellierung der 26. BImSchV im Februar 2013 auf. Welche Partei ihn eingeladen hat und warum ausgerechnet ihn, geht aus den Protokollen nicht hervor.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Filz, Risikokommunikation, Desinformation, BioInitiative, Medien, Hutter, Falschmeldung, Wien, Versicherung, Schadenersatzklage, Baufritz, Kooperationspartner, Swiss Re, EU-Umweltagentur


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