Hans-U. Jakob: Die seichten Belege des Gigaherz-Präsidenten (Allgemein)
Gigaherz-Präsident Hans-U. Jakob behauptete unlängst, es gäbe "mehr als genug wissenschaftliche Nachweise", dass Schlafstörungen bei Werten um 2 mW/m² (Spitzenwert) an der Tagesordnung sind.
Auf Anforderung gab Herr Jakob nach einigem Gezicke dann doch noch folgende "Belege" für seine Behauptung preis.
- 1) Bereits im erläuternden Bericht zur Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung des Bundesrates vom Februar 2000 steht unter Kap 32 (Seite 5) dass Schlafstörungen ab 0.4V/m gehäuft auftreten.
- 2) Verweis auf ein Eigenpamphlet zum KW-Sender Schwarzenburg: http://www.gigaherz.ch/1015/
- 3) Verweis auf ein Eigenpamphlet zum KW-Sender Oberlaindern (Valley): http://www.gigaherz.ch/1240/
- 4) Verweis auf ein Eigenpamphlet zum KW-Sender Oberlaindern (Valley): http://www.gigaherz.ch/1329/
- 5) Verweis auf ein Eigenpamphlet mit allgemeinem Blabla: http://www.gigaherz.ch/1454/
- 6) Verweis auf ein Eigenpamphlet zur Santini-Studie: http://www.gigaherz.ch/401/
- 7) Verweis auf ein weiteres Eigenpamphlet zur Santini-Studie: http://www.gigaherz.ch/562/
Halten wir also erst einmal fest, der Gigaherz-Präsident verweist auf sieben Belege, sechs davon Eigenpamphlete, und er stellt keinen einzigen wissenschaftlichen Originalbeleg zur Verfügung. Das fängt schon wieder mal gut an.
1) In dem erläuternden Bericht des Buwal vom Dezember 1999 zur Schweizerischen NIS-Verordnung heißt es in der Tat: "Ebenfalls unberücksichtigt blieb der Befund der epidemiologischen Untersuchung beim Kurzwellensender Schwarzenburg, dass Schlafstörungen ab einer mittleren nächtlichen Belastung von ca. 0.4 V/m gehäuft auftraten." Worauf sich diese Angabe stützt ist dem Bericht nicht zu entnehmen. Ein wissenschaftlicher Nachweis ist dieser eine Satz in einem bald 14 Jahre alten Dokument ohne Autorennennung mit Sicherheit nicht.
2) In diesem Eigenpamphlet vom März 2007 hyperventiliert Herr Jakob über eine seiner Meinung nach zu spät veröffentlichten Studie zum Sender Schwarzenburg. Bibliografischen Angaben/Links fehlen, wie fast immer bei Jakob wenn er nicht auf sich selbst verlinken kann. Ich muss deshalb vermuten, es handelt sich um diese Arbeit. Da aber Jakob ein Elektriker im Ruhestand ist, und kein Wissenschaftler, sind seine Ausführungen für mich völlig bedeutungslos. Die Dokumentationsstelle "Elmar" zeigt eine handliche Zusammenfassung der Studie (Suchen nach Autor "Abelin") und nennt auch deren Einschränkungen. Da eine unabhängige Replikation fehlt, darf auch bei dieser Arbeit nicht von einem wissenschaftlichen Nachweis gesprochen werden, sondern von einem Hinweis.
3) Herr Jakob äußert sich wie üblich beleglos zu einer Studie der Psychologin Tina Theml. Die fragliche Arbeit steht hier zum Download bereit. Über die Validität der Arbeit kann ich nichts sagen, da ich a) kein Wissenschaftler bin und b) sie nicht gelesen habe. Eine Veröffentlichung in der Zeitschrift UMG ist jedenfalls kein Qualitätsmerkmal, die Datenbank PubMed, die etwa 5500 biomedizinische Publikationen beobachtet, verzichtet auf die Beobachtung von UMG. Auch scheint Frau Theml die Arbeit ganz allein auf eigene Faust durchgeführt zu haben, ohne Rückhalt und fachliche Begleitung durch eine Universität oder dergleichen. Die wissenschaltliche Bedeutung dieser Studie ist jedoch nicht völlig offen, denn die Dokumentationsstelle Elmar meldet erhebliche Zweifel an (Suchen nach Autorin "Theml") und begründet diese auch.
4) Hier referiert Herr Jakob lediglich abermals über die Theml-Studie, siehe 3).
5) Belanglose Wiederholungen von Herrn Jakob über seine eigenen älteren Ausführungen.
6) Es zeugt von der ausgeprägten Beratungsresistenz des Gigaherz-Präsidenten, dass er mit der Santini-Studie aus dem Jahr 2001 noch immer versucht, zu punkten. Diese Studie musste von Santini wegen gravierender Mängel im Studiendesign 2003 wiederholt werden, ohne dass dadurch validere Ergebnisse zustande kamen. Details dazu nennt Elmar. Die wissenschaftliche Bedeutung der Erhebung von Santini (inzwischen verstorben) ist nahe Null.
7) Belanglose graphische Darstellung der Ergebnisse von Santini. Durch die netten bunten Kurven werden die eklatanten Mängel im Studiendesign nicht wettgemacht.
Fazit: Hans-U. Jakob kann seine Behauptung nicht glaubhaft belegen, um überhaupt auf sieben Belege zu kommen, muss er auf zweit und drittklassige Arbeiten ausweichen. Dabei gäbe es wissenschaftlich weitaus anspruchsvollere Arbeiten wie diese methodisch ausgefeilte Untersuchung im Rahmen des DMF. Die Beanstandungen von Elmar sind bei dieser Arbeit marginal. Warum Herr Jakob sie dennoch ignoriert liegt auf der Hand: Das Ergebnis ist für ihn niederschmetternd, es wurden keine Auswirkungen der Hochfrequenzexposition durch eine Mobilfunkbasisstation auf die subjektive oder objektive Schlafqualität beobachtet. Im 252-Seitigen Abschlussbericht der Arbeit wird "Schwarzenburg" gerade noch 2-mal erwähnt, einmal im Fließtext und einmal im Literaturverzeichnis. Das, was den Gigaherz-Präsidenten noch immer stark bewegt, nämlich "sein" Kurzwellensender an seinem Wohnsitz, ist für die Wissenschaft heute nur noch eine Randnotiz.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –