Kein Widerstand gegen das WLAN der SBB (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 15.08.2013, 19:47 (vor 4117 Tagen)

Einen Sommerloch-Artikel brachte der Schweizerische Tagesanzeiger am 14. August. Der Vorspann sagt, worum es geht:

Bald schon empfangen Reisende in hundert Bahnhöfen gratis Internet. Das ist der Plan der SBB. Doch jetzt kommt Kritik auf.

Dann wird von sogenannten Elektrosensiblen geredet, als wäre jeder dritte Schweizer von dieser seltenen Phobie befallen und nicht nur eine verschwindend kleine Minderheit von vielleicht 200 Schweizern, von denen ungefähr 30 in einer Selbsthilfegruppe zusammengefunnden haben.

Anschließend werden zwei Zeugen aufgefahren: Peter Schlegel und Yvonne Gilli. Beide sind bekennende Mobilfunkgegner, Schlegel profitiert als Baubiologe von der Angst vor Elektrosmog, Gilli ist politisch aktiv und müsste es als Medizinerin längst besser wissen, dass "Elektrosensibilität" keine Umwelterkrankung ist, sondern eine psychische Störung.

Angeblich wurde der Plan der SBB in einschlägigen Foren der Elektrosensiblen als eine «Zumutung und sehr bedenklich» bezeichnet. Leider werden diese Foren nicht namentlich genannt, mir fällt dazu bestenfalls Gigaherz und Symptome.ch ein. In beiden Foren findet sich das Zitat jedoch nicht. Und selbst Google zeigt sich, darauf angesetzt, ausgesprochen einsilbig.

Und natürlich darf auch die Falschmeldung nicht fehlen, "gemäss aktuellen Studien würden fünf Prozent der Bevölkerung unter elektromagnetischen Strahlen" leiden. Diese fünf Prozent sind auf die Schweiz bezogen die Zauberzahl 400'000, von der einst schon Ivonne Gilli träumte. Natürlich leiden in der Schweiz keine fünf Prozent der Bevölkerung unter Elektrosmog und es gibt auch keine Studie, die so etwas gefunden haben will. Gefunden wurde stattdessen, dass fünf Prozent der Schweizer eigene gesundheitliche Beeinträchtigungen selbst dem Phänomen Elektrosmog zuschreiben. Das ist etwas völlig anderes und ein zweifelhaftes Verdienst von unqualifizierten Mobilfunkgegnern, die 1001 Befindlichkeitsstörungen öffentlich lauthals mit Funkwellen in Verbindung bringen.

Der Artikel von Gabriela Braun ist mMn irreführend und einer dieser typischen Alarmartikel zum Thema EMF, wie sie von flüchtig recherchierenden Journalisten an einem Nachmittag zum Füllen redaktioneller Lücken fabriziert werden. Warum Frau Braun so ein Zerrbild ablieferte ist nicht ersichtlich, in der Anti-Mobilfunk-Szene ist sie ein unbeschriebenes Blatt. Anscheinend bin ich jedoch nicht der einzige, der sich an dem ansonsten eher belanglosen Artikel stört. Denn zur Stunde gibt es 212 Kommentare, in der Mehrzahl hagelt es Kritik.

Der angebliche Widerstand gegen das W-LAN der SBB, sollte er überhaupt je beobachtet worden sein, dürfte bestenfalls einen Bruchteil der Beschwerden über schlecht geputzte Bahnhofstoiletten erreichen. In der vorgetragenen Weise ist er mMn die Kopfgeburt einer Journalistin, die irgendjemandem einen Gefallen tun wollte.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Bürgerwelle, Schweiz, Trittbrettfahrer, Schlegel, Umwelterkrankung, Sommerloch, WLan, Gilli


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