Salzburger Handy-Studie - unvollständige Publikation (Allgemein)

Alexander Lerchl @, Donnerstag, 19.08.2010, 17:00 (vor 5209 Tagen) @ Doris

"Als besonders bemerkenswert gilt dabei die Publikation im "Biomedical and Environmental Sciences-Journal" der "Bioelectromagnetics-Society". In Fachkreisen gilt das sozusagen als wissenschaftlicher Ritterschlag."

Als wissenschaftlicher Ritterschlag gilt die Publikation in Biomedical and Environmental Sciences-Journal

Danke für den Link. Ich habe mir mal die Studie etwas genauer angesehen. Erstens ist das chinesische Journal eines der eher unwichtigen (Impact-Faktor kleiner 1), und man darf sich schon fragen, warum so eine "bahnbrechende Studie" (Kronen-Zeitung) in einem vergleichsweise randständigen Journal veröffentlicht wird und nicht in einem der anderen, etablierten Journals (z.B. Radiation Research, Bioelectromagnetics, usw.). Das hängt vielleicht zweitens mit den Daten zusammen, die da publiziert wurden.

Die publizierten Daten muss man mit den Daten im Abschlussbericht vergleichen, und da fallen einem verschiedene unschöne Dinge auf.

Im Abschlussbericht wurden folgende Parameter aufgeführt, die gemessen wurden: Cortisol, alpha-Amylase, IgA, Corona-Entladungen, Blutdruck, Puls, Hautwiderstand, Hauttemperatur und Befindlichkeit. In der Publikation sind nur drei aufgeführt, nämlich Cortisol, alpha-Amylase und IgA. Die anderen Parameter wurden nicht mal erwähnt! Zitat aus dem Abstract: "The present study aimed to test whether exposure to radiofrequency electromagnetic fields (RF-EMF) emitted by mobile phone base stations may have effects on salivary alpha-amylase, immunoglobulin A (IgA), and cortisol levels." Das ist nichts anderes als grobe Irreführung der Leser, zumal die Parameter Blutdruck, Puls, Hautwiderstand, Hauttemperatur und Befindlichkeit keine statistisch signifikanten Unterschiede als Folge der Exposition zeigten (laut Abschlussbericht).

Der Leser wird also darüber in Unkenntnis gelassen, dass viel mehr gemessen wurde, aber dass diese nicht berichteten Ergebnisse negativ waren. Das ist nicht in Ordnung!

Das hat aber noch eine andere Konsequenz. Wenn man viele Parameter misst (und das auch noch in drei Expositions-Szenarios mit 5 Sitzungsintervallen!!), findet man zufällig immer mal den einen oder anderen "signifikanten" Unterschied. Es gibt hierfür Korrekturen (Bonferroni-Anpassung), die einem zwar manchmal "signifikante" Effekte rauskegeln, aber so ist das nun mal.

Die wenigen Unterschiede, die gefunden wurden, lassen sich nur mit Mühe in der Veröffentlichung finden. In einem von drei Expositions-Szenarios wurde ein Anstieg von Cortisol gefunden (von Sitzung 4 auf 5), während ein Anstieg der alpha-Amylase in Szenario 1 und 2 sich von der in Szenario 3 unterschied.

Ich habe das jetzt nicht durchgerechnet, aber die wenigen Unterschiede sind angesichts der Vielzahl an Messungen, Sitzungen und Expositionsintervallen mMn dem Zufall zuzuschreiben.

Summa summarum: keine "bahnbrechende Studie", sondern viel Wind um nichts.

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"Ein Esoteriker kann in fünf Minuten mehr Unsinn behaupten, als ein Wissenschaftler in seinem ganzen Leben widerlegen kann." Vince Ebert


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