Psychische und ökonomische Verletzungen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 29.05.2010, 12:35 (vor 5123 Tagen) @ Skeptiker

Wer Angst einjagt, begeht Körperverletzung. Ist diese Aussage haltbar?

Wie das juristisch zu werten ist weiß ich nicht. Der Fall Semmelweis ist jedoch zumindest gefühlt Körperverletzung. Zur Erinnerung: Ein Sendemastengegner hat einer psychisch bereits angeschlagenen Frau eine solche Angst vor der DECT-Basisstation des Nachbarn eingejagt, dass die Frau ein ganzes Jahr lang ihre Wohnung mied und z.B. aus der angeblich so verstrahlten Küche alle Lebensmittel ins Schlafzimmer räumte - auch die aus dem Kühlschrank.

Ob dieser Fall ein Einzelfall ist kann niemand genau sagen, EHS selbst propagieren gerne die Behauptung, ihre Leidensgenossen würden scheu und voll Angst vor Spott nur zurückgezogen darben, wenngleich Frau W. seit Jahren das Gegenteil beweist. Wir kennen hier in München aber noch eine Handvoll anderer Fälle, wo Leute einem regelrechten Verfolgungswahn durch Funkwellen unterliegen und sich durch dunkle Mächte oder Nachbarn gezielt verstrahlt sehen. Das geht dann mehr in Richtung Mikrowellenwaffen und Mindcontrol. Doch auch diese Menschen erleiden wegen ihrer großen Angst vor dem unsichtbaren Feind psychische Qualen, bei einer durften wir nur im Flüsterton reden, sie glaubte sich abgehört.

Und letzlich gilt die eingangs gestellte Frage natürlich auch für Vorzeige-EHS wie Uli W. oder Frau S., die alles andere als ein "normales" Leben führen, und die durch ihre Öffentlichkeitsarbeit ihrerseits die Ängste vor Funkwellen so begehrenswert machen können, dass anfällige Personen darin einen Krankheitsgewinn sehen und prompt zugreifen. Aus dieser Überlegung heraus ist der Verdacht auf Körperverletzung eher unbegründet, denn die Angstmacher haben vorrangig nur dort Wirkung, wo Angstnehmer sitzen, die sich dem aus freien Stücken und ungezwungen hingeben möchten. Frau Semmelweis z.B. hat viele Ängste, die vor Funkwellen ist nur eine, die sie bis dato nicht kannte und ausleben konnte, heute fürchtet sie sich vor Feinstaub und den Strahlen aus alten TV-Bildröhren. Womit ich sagen will: Die Angstmacher haben bei psychisch Gesunden wenig Erfolg und kommen bei denen über ein leises Unbehagen nicht hinaus. Schlimm wird es erst, wenn bereits psychisch Angeschlagene der Desinformation ausgesetzt werden, dann aber waren die Leute zuvor schon krank und "bedienen" sich ledglich an der neuen Gelegenheit, eine spektakuläre Angst zu entwickeln. Nach einem möglicherweise existierenden "Angsterhaltungssatz" könnte es aber gut so sein, dass die Summe aller Ängste bei diesen Menschen konstant ist, sie also durch Funkangst nicht kränker werden als zuvor, weil z.B. im Gegenzug eine unattraktiv gewordene ältere Angst (BSE, Sars, Atom, NPD ...) abgelegt wurde.

Zusätzlich zum Aspekt der Körperverletzung sollte mMn auch einmal der Aspekt des wirtschaftlichen Schadens betrachtet werden, der auf das Konto der Angstmacher geht. Wenn z.B. eine Gemeinde infolge Angst (vor was auch immer) eine "unabhängige Standortplanung" für ein paar Sendemasten mit zigtausend Euro bezahlt, zugleich aber das Klettergerüst im Kindergarten oder andere sinnvolle Investitionen dem Rotstift zum Opfer fallen, dann sehe ich darin einen in Euro bezifferbaren Schaden. Zu dem käme natürlich noch das Geld hinzu, dass durch (unnötiges) Hin- und Herschieben von Masten versenkt wird, entgangene Umsätze bei den Betreibern, Kosten für Aufklärungsmaßnahmen und (unnötige) Forschung usw. usf. Aber das ist wieder eine andere Geschichte ...

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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