Falsche Schlüsse (189): Der beste Freund des Menschen (Allgemein)

Dr. Ratto, Dienstag, 20.07.2021, 19:43 (vor 1217 Tagen) @ H. Lamarr

So schlimm wie in der Süddeutschen beschrieben ist es in der Veröffentlichung nicht. Die Fragestellung war: wird Hund einem Menschen, der ihm vorher Futter gegeben hat, häufiger Futter geben als einem Menschen, der ihm vorher kein Futter gegeben hat? Es ist gezeigt, dass es Hunde in Bezug zu Artgenossen tun. Beim Menschen taten sie es in diesem Fall nicht. Das kann am spezifischen Studiendesign liegen. Die Autoren haben sich Mühe gegeben einige Fallstricke zu berücksichtigen, man denkt aber nie an alles. Es sind eigentlich zwei Studien, nach der ersten wurde das Studiendesign angepasst, und in beiden Diskussionen sind mögliche Ursachen warum das eventuell nicht geklappt hat beschrieben.
Es heißt nicht, dass die Hunde den Menschen kein Futter spendiert hätten - sie haben aber nicht diejenigen bevorzugt, von denen sie vorher gefüttert (oder auch gestreichelt) wurden. Ich frage mich, ob das gerade angesichts der langen Hund-Mensch Koevolution falsch ist. Häufig lebt ja ein Hund innerhalb einer Familie. Frauchen füttert, die erbeutete tote Ratte oder der Tennisball werden aber dem Mann, also dem Alfa-Tier, gebracht. Es wäre wohl auch nicht angebracht, zur Familie gehörende Kleinkinder zu verdrängen, wenn sie in den Futternapf greifen, oder auch allgemein weniger freundlich zu ihnen zu sein, nur weil sie den Hund noch gar nicht füttern können. Wenn ich beim Gassigehen Menschen begegne, gehe ich davon aus, dass sich mein Hund freundlich, aber unaufdringlich nähert - unabhängig davon ob das Gegenüber Leckerli anbietet oder nicht oder auch ob aus früheren Begegnungen bekannt ist, dass es gleich was Gutes gibt. Das kann beim zweiten Test mit der Annäherung an Menschen eine Rolle gespielt haben, denn die Hunde wurden vom Besitzer in die Testsituation gebracht, und dass diese genau dieselbe Erwartungshaltung haben wie ich war den Testhunden sicher klar. Die Einstellung der langjährigen Bezugsperson steht in so einem Fall sicher weit über der Reaktion auf eine Person, die nur kurz aus einem Experiment bekannt ist, unabhängig davon ob sie den Hund gefüttert hat oder nicht. Es gibt auch eine andere Interpretation als in der Süddeutschen präsentiert - Hunde sind nicht undankbar, aber auch nicht käuflich.


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