Mobilfunk-Bannmeile: Beinahesieg für Ivo Sasek in Walzenhausen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 09.06.2025, 22:20 (vor 3 Tagen)

Seitdem Hacker die Server von Ivos Saseks Organischer Christus Generation (OCG/AZK) knackten, ist es um den umstrittenen schweizerischen Laienprediger ruhig geworden. Dabei sah es Mitte 2023 für Sasek an seinem Hauptsitz in Walzenhausen gar nicht schlecht aus. Denn gerichtlich wurde verfügt, dass eine von der Gemeinde abgelehnte kommunale Volksabstimmung über neue Regeln zur Standortvergabe für Mobilfunk im Ort nun doch stattfinden musste.

Im Februar 2021 reichte eine Gruppe Stimmberechtigter in Walzenhausen die kommunale Volksinitiative "Kein Mobilfunk auf öffentlichem Grund" ein. Sie verlangte im Wesentlichen, dass die Gemeinde keine Mobilfunkanlagen auf ihrem Boden zulässt, sofern diese weniger als 100 Meter von Wohnzonen oder -bauten entfernt sind. Ziel war eine Änderung der Gemeindeordnung.

Doch der Gemeinderat sowie alle kantonalen Instanzen (Regierungsrat und Obergericht Appenzell Ausserrhoden) erklärten die Initiative für ungültig. Begründung: Die Regelung greife in die Bundeskompetenz ein – das Fernmeldewesen sei Sache des Bundes.

Die Initianten zogen weiter – und bekamen teilweise recht. In seinem Urteil 1C_41/2023 vom 24. Juli 2023 stellte das Bundesgericht fest: Ein generelles Antennenverbot in Walzenhausen wäre unverhältnismäßig und bundesrechtswidrig, aber: "Die Gemeinde darf im Rahmen ihrer Grundstückshoheit gewisse Vorgaben für die Standortwahl und die Nutzung durch Mobilfunkbetreiber machen – etwa mit Kriterien zur Abstandswahrung oder zur Verfahrensführung."

Das Urteil hatte Signalwirkung: Die Initiative sei nicht vollständig ungültig, sondern müsse teilweise zugelassen und vom zuständigen Obergericht neu beurteilt werden.

Das Obergericht Appenzell Ausserrhoden revidierte daraufhin im Oktober 2023 sein früheres Urteil und erklärte die Initiative für gültig. Damit war der Weg frei für die direkte Demokratie: Am 3. März 2024 wurde die Initiative in Walzenhausen zur Abstimmung gebracht. Der Gemeinderat verzichtete auf einen Gegenvorschlag, es kam daher zur klassischen Ja-/Nein-Abstimmung.

Klarer Entscheid an der Urne

Die Stimmbeteiligung lag mit 61,6 Prozent ungewöhnlich hoch. Doch das Ergebnis fiel eindeutig aus: Zwar konnte die Initiative 316 Ja-Stimmen verbuchen, musste aber 463 Nein-Stimmen hinnehmen. Dies bedeutete, die Initiative wurde mit 59,4 Prozent Nein-Stimmen deutlich abgelehnt.

Die Gemeindeordnung in Walzenhausen bleibt damit unverändert, Mobilfunkanlagen können weiterhin auch auf öffentlichem Grund geplant und errichtet werden – unter Beachtung der bestehenden kantonalen und bundesrechtlichen Vorgaben.

Walzenhausen bleibt gleichwohl ein Präzedenzfall. Zwar wurde die Initiative abgelehnt, doch das Bundesgericht hat grundsätzlich anerkannt, dass kommunale Handlungsspielräume im Umgang mit Mobilfunk bestehen – zumindest was die Nutzung eigener Grundstücke anbelangt.

Für andere Gemeinden ergibt sich daraus:

► Ein generelles Antennenverbot ist unzulässig.
► Standortkriterien und Vergaberegeln sind zulässig – wenn verhältnismäßig.
► Letztlich entscheidet das Stimmvolk, nicht das Gericht.

Ihr Ziel haben die Initianten in Walzenhausen verfehlt, doch sie haben einen wegweisenden Entscheid erwirkt, der die Spielräume für kommunale Mobilfunkpolitik in der Schweiz klarer definiert.

Ob die Initianten aus Walzenhausen mit der OCG/AZK in Verbindung stehen ist nicht bekannt. Fakt ist, Ivo Sasek betreibt in der 2000-Seelen-Gemeinde Walzenhausen ein Imbiss-Café und steuert von dort aus die vielfältigen Aktivitäten seiner Sekte. Sasek wurde unter dem Einfluss des bekannten deutschen "Elektrosensiblen" Uli Weiner zu einem engagierten Mobilfunkgegner und er versuchte mit teils kühnen Aktionen dem Mobilfunkausbau Steine in den Weg zu legen. Eine seiner spektakulärsten Aktionen war 2009 eine Großveranstaltung in Stuttgart. Süddeutsche Mobilfunkgegner glaubten, sie wirkten an einer Protestveranstaltung gegen Mobilfunk mit. Tatsächlich benutzte Sasek die Teilnehmer jedoch ungefragt als Statisten für Filmaufnahmen von Massenszenen, was sich erst später bei der Premiere seines schwerverdaulichen Anti-Mobilfunk-Spielfilms "Karma, ich komme wieder" herausstellen sollte.

Hintergrund
Bundesgerichtsurteil 1C_41/2023
Abstimmungsergebnisse Walzenhausen (3. März 2024)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Game over, Recht, Bürgerentscheid, Walzenhausen


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