DECT-Experiment: Hier ist das Ergebnis inkl. Schleichwerbung (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Samstag, 11.06.2011, 14:35 (vor 4923 Tagen) @ Kuddel

Ich würde zur Sicherheit (auch einmal) die DECT Basisstation dem Probanden nähern, da sich beim Mobilteil die Leistungsregelung i.d.R. nich abschalten läßt,

Um es gleich vorneweg zu sagen: Der Versuch ergab keine Störung des Herzfrequenzempfängers durch das DECT-Telefon!

Vor dem Versuch habe ich alle Eco-Mode-Einstellungen an der DECT-Basis abgeschaltet, damit keine Reduzierung der Sendeleistung stattfindet.

Der Brustgurt hat eine fest eingebaute Li-Batterie (nicht wechselbar), die bei unserem Exemplar schon schwach ist. Größere Distanzen als 25 cm zwischen Gurt und Empfänger waren nicht mehr zu überbrücken, eine Funkemission des Gurts war mit dem HF35C nicht messbar. Das "Hintergrundgeräusch" am Ort des Versuchs lag bei knapp 10 µW/m².

Egal wie dicht ich mit dem DECT-Mobilteil an den Empfänger (Pulsuhr) heranging, ob ich ihn mit dem Telefon berührte oder ein paar Zentimeter weiter weg hielt und ob das Mobilteil genau zwischen Brustgurt und Empfänger platziert war oder wo anders - die Pulsanzeige am Display des Empfängers ließ sich in keiner Weise von dem DECT-Signal irritieren. Dass das DECT-Mobilteil auch tatsächlich sendete habe ich mit dem HF35C kontrolliert. Auch die (handliche) DECT-Basis anstelle des DECT-Handteils konnte die Pulsanzeige in keiner Weise stören.

Das Ergebnis überrascht mich, zumal der Hersteller des Herzfrequenzmessgeräts die störende Wirkung von HF-Quellen im Benutzerhandbuch des Geräts explizit nennt. Meine Frau, die das Gerät normalerweise benutzt hat, sagt, dass es unter Hochspannungsleitungen nicht funktioniere und es im "Englischen Garten" (großer Münchener Stadtpark) Stellen gäbe, an denen das Gerät aus unbekannten Gründen versage.

So wie es aussieht, können wir die Störungsthese zur Entkräftung der Havas-DECT-Studie nicht bestätigen. Allerdings verwendeten wir mit der M51-Pulsuhr von Polar eine ganz andere Hardware, als Magda Havas in ihrem Experiment. Leider ist Frau Havas in ihrer Dokumentation ausgerechnet an dieser Stelle ungenau und spricht nur von der Verwendung eines Brustgurts mit eingebautem Sender ("An electrode belt with transmitter ..."). Dass es sich dabei um ein Modell der Firma Polar handelt ist dem Text der Studie nicht zu entnehmen. Auch der Empfänger wird nur vage beschrieben: "A wired HRV cable with receiver was clipped to the clothing near the transmitter ...". Diese Ungenauigkeit bei der Benennung der Messtechnik zur Erfassung der Herzfrequenz ist insofern ungewöhnlich, weil Frau Havas die übrige Gerätschaft deutlich beim Namen nennt, auch den der HRV-Auswertungssoftware, und sogar schon mal eine Katalognummer preis gibt.

Schleichwerbung für Produkte der Elektrosmog-Szene

Was ich anfangs für einen Scherz von "Kuddel" gehalten habe, was aber die nackte Realität ist: Frau Havas hat die HF- und NF-Feldsituation am Ort ihrer Experimente mit dem Hobby-Messgerät Aaronia "Multidetektor II Pofi" ermittelt (Verkaufspreis 100 Euro). Dieser Produktname wird in der Studie genannt.

Die selektive Ungenauigkeit von Frau Havas bei der Benennung ihrer Testausrüstung macht mich wieder einmal hellhörig. Das preisgünstige Elektrosmog-Messgerät wird mit vollem Namen genannt, die Herzfrequenzmesstechnik dagegen nur vage umschrieben. Das mag mit der Nachfragekraft der Elektrosmog-Märkte zusammenhängen, die für Elektrosmog-Messgeräte naturgemäß mehr Interesse zeigen. Kurz: Für den Hersteller Aaronia ist die Nennung seines Produktes in dieser Studie, die, darauf kann sich Aaronia verlassen, weltweit mit Hurra in der E-Smog-Szene herumgereicht wird, werblich ein Volltreffer und bares Geld wert.

Ob es nun genau dieses Produkt des Herstellers ist oder ein Nachfolgemodell, das ist ohne Belang, wichtig ist nur der "Ritterschlag", den das Produkt durch eine "Professorin" bekommen hat, indem diese es bei einem Experiment verwendete. Dass der ganze Zinnober rings um den "Rest der DECT-Studie" nur von der Schleichwerbung für das Elektrosmog-Messgerät ablenken soll, so weit möchte ich allerdings nicht gehen, denn dafür fehlen klare Beweise. Mein Bauch aber sagt mir, dass es genau so ist, denn aus meiner Sicht gehören diskrete Produkthinweise für Endverbraucher bei Havas-Publikationen so dazu wie das Ahornblatt zur Nationalflagge Kanadas. Als Beleg für mein Bauchgefühl mag Havas' Einsatz für Graham-Stetzer-Filter gelten, die Netzsteckdosen daran hindern sollen, dass aus ihren Löchern Elektrosmog austritt - gegen 35 Dollar Gebühr pro Steckdose. Wer Lust dazu hat kann ja mal ausrechnen, wie viele Steckdosen es weltweit gibt und wie reich man mit einer Provision von sagen wir mal 50 Cent pro Filter werden könnte ...
Allein für die USA mit ihren etwa 110 Mio. Haushalten ergibt sich mit 20 Filtern pro Haushalt bei Vollversorgung eine Provision von 1,1 Mrd. Dollar. Wird nur jeder 1000ste Haushalt gefiltert, bleiben immerhin noch 1,1 Mio. Dollar hängen.

Weiterführende Information

Ein Autositz, der automatisch den Herzschlag überwacht und die Daten an ein Krankenhaus funkt: Ingenieure von Ford entwickeln gemeinsam mit der Technischen Hochschule Aachen einen Heart Rate Monitoring Seat. Im Notfall bremst der Automat auch den Wagen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
DECT, Interessenkonflikt, Werbung, Experiment, Mietmaul, Havas


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