Land im Strahlenmeer: Diagnose erfolgt über den Blasenmeridian (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 22.01.2018, 12:59 (vor 2499 Tagen) @ H. Lamarr

Gigherz-Präsident Jakob spendiert eine ganze Seite seines Webauftritts, um für das 35 Euro teure Buch (460 Seiten) "Land im Strahlenmeer" die Werbetrommel zu rühren (Untertitel: Über die gesundheitlichen Auswirkungen von Funkstrahlungen bei Mensch und Tier - eine europäische Diskussion).

Amazon bietet für Kindles eine unentgeltliche Leseprobe des Buches an. Die habe ich mir geholt und finde meine Befürchtungen voll bestätigt. Nachfolgend ein Auszug aus der Leseprobe, der gut zeigt, was einen erwartet:

Es war an einem Sonntagnachmittag im Januar 2014, als ich am Bellevue in einen Bus Richtung Zollikon und Küsnacht einstieg: Zu meiner Linken auf der anderen Gangseite sitzt ein jüngerer Mann ohne elektronisches Gerät in Händen. Während ich mich setze, durchzuckt mich an der Stirn etwas von links, woraufhin ich weiter vorne im Bus auf einem rückwärtigen Sitz Platz nehme. Noch am Bellevue setzt sich ein rüstiger Rentner von ca. siebzig Jahren auf meinen ehemaligen Sitzplatz. Schon nach wenigen hundert Metern Fahrt schliesst er, sichtlich unwohl, seine Augen. An der Station Chinagarten steigt ein Pensionierter mit einem Hund auf dem Arm zu. Der erstgenannte Herr rückt auf den Fensterplatz, der Mann mit dem Hund setzt sich neben ihn. Es dauert nicht lange, und auch der zweite Herr schliesst seine Augen. Sonst sehe ich niemanden in dem Teil des Busses, den ich überblicke, die Augen schliessen, nur die beiden Herren auf der anderen Gangseite neben dem jungen Mann, der sich seit Fahrtbeginn eifrig an seinem Smartphone zu schaffen macht und vermutlich im Internet surft (er telefoniert nicht). Den älteren Herren scheint freilich verborgen zu bleiben, was sie veranlasste, ihre Augen zu schliessen. Keiner von beiden erweckt den Eindruck, als ob er eine Nacht lang durchgearbeitet oder durchgefeiert hätte.

Damit ist auch klar, was Niggli bewogen hat, dieses Buch über "Elektrosensible" zu schreiben. Sie glaubt selber, "elektrosensibel" zu sein. Eine objektive oder gar kritische Auseinandersetzung mit ihren Leidensgenossen ist ihr unter diesen Umständen selbstredend nicht möglich. Der Auszug ist nicht verzerrend, der Rest der Leseprobe ist aus meiner Sicht noch schlimmer: Meinungen und Behauptungen werden dem Leser als Tatsachen geschildert, wie einst bei "wuff" selig, und es reihen sich alternativmedizinische, esoterische sowie waldörflerische Anschauungen wie Perlen auf einer Schnur. Noch eine Kostprobe:

Das Kapitel referiert ausgewählte Leiden von Haustieren, die nachweislich von elektromagnetischen Feldern (EMF) in den Häusern und Wohnungen ihrer Besitzer und deren Anliegern herrühren. Der Veterinär diagnostiziert jeweils einen energetischen Stau und leitet ihn über die Akupunkturpunkte aus. Die Funkstrahlung löst generell eine innere Hitze oder einen Leberstau aus, welcher in energetischer Hinsicht die lebenswichtigen Organe Herz, Leber und Niere beeinflusst. Die Diagnose erfolgt über den Blasenmeridian.

Danke, nein, das ist pures Gift für mich, damit hat sich das Buch treffsicher von meiner Wunschliste geschossen. Wer diesem entsetzlichen Geschreibsel bei Amazon 5 Sterne gibt, kann mMn nicht mit beiden Beinen auf dieser Erde stehen.

Warum aber legt sich der Gigaherz-Präsident so stark für das Buch ins Zeug? Sonst weist er spiritistisch Angehauchtes energisch (nicht energetisch) weit von sich, hier ein anschauliches Beispiel. Niggli treibt es in ihrem Buch mMn noch viel intensiver als der Ägypter in Hemberg, doch bei ihr ist Jakob mehr als nur lammfromm. Wie konnte Frau Niggli die Drama-Queen aus Schwarzenburg nur so um den Finger wickeln? Die Antwort muss sich jeder selber geben. Auch das Geleitwort von Jakob ist in der Leseprobe enthalten. Da er dort nur denselben Stuss verbreitet wie sonst auch, lohnt es nicht, weiter darauf einzugehen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
EHS-Geschichte, Elektrosensibel, Autor, Niggli


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