WHO: Systematische Review zu "Elektrosensibilität" erschienen (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 07.02.2024, 21:25 (vor 295 Tagen)

Die WHO vergab eine systematische Review zum Themenkomplex "Elektrosensibilität" an Martin Röösli. Der Schweizer Wissenschaftler machte sich mit einer achtköpfige Arbeitsgruppe an die Arbeit und lieferte im November 2023 die Endfassung. Seit Dezember 2023 ist diese auf der Website des Journals Environment International für jeden zugänglich (Volltext). Aus Sicht der Autoren ist ihre Review derzeit der beste verfügbare Beweis für die Sicherheit von HF-EMF. Grenzenlose Erleichterung will sich dennoch nicht einstellen.

Im Jahr 2018 startete die WHO eine Umfrage unter 300 Wissenschaftlern vom Fach, welche von 34 biologischen Wirkungen, die HF-EMF-Einwirkung zugeschrieben werden, mit systematischen Reviews näher angeschaut werden sollten. 164 Teilnehmer antworteten und stuften Krebs, hitzebedingte Wirkungen, nachteilige Geburtsfolgen, "Elektrosensibilität", kognitive Beeinträchtigung, negative Schwangerschaftsfolgen und oxidativen Stress als die kritischsten Wirkungen ein. Aus diesem Votum resultierten zehn systematische Reviews, die von der WHO in Auftrag gegeben wurden und alle einschließlich der Protokolle in dieser Sonderausgabe von Environment International publiziert werden. Das Paper der AG Röösli ist gegenwärtig erst das zweite in dieser Serie von zehn systematischen Reviews, zwei Monate zuvor veröffentlichte dort die AG Cordelli ihre Tierstudie Effects of Radiofrequency Electromagnetic Field (RF-EMF) exposure on pregnancy and birth outcomes: A systematic review of experimental studies on non-human mammals.

Studiendesign

Ziel der jetzt vorgelegten Review (The effects of radiofrequency electromagnetic fields exposure on tinnitus, migraine and non-specific symptoms in the general and working population: A systematic review and meta-analysis on human observational studies) ist die systematische Untersuchung der Auswirkungen einer längerfristigen oder wiederholten lokalen oder Ganzkörperexposition gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) auf das Vorkommen von Symptomen. Primäre Hypothesen waren Tinnitus, Migräne und Kopfschmerzen in Bezug auf die lokale HF-EMF-Exposition des Gehirns, sowie Schlafstörungen und unspezifische Symptomansammlungen in Bezug auf Ganzkörper-HF-EMF-Exposition.

Eindampfprozess von 4458 Suchtreffern auf 13 verwertbare Papers.
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Bild: Reviewautoren

Die Autoren führten eine systematische Literatursuche in verschiedenen Datenbanken durch, darunter Web of Science und Medline. Die Suche ergab 4458 Treffer, von denen 13 Arbeiten die Auswahlkriterien erfüllten. Eingeschlossen wurden Fall-Kontroll- und prospektive Kohortenstudien an der Allgemeinbevölkerung oder bei Arbeitnehmern, wenn die lokale oder Ganzkörper-HF-EMF-Exposition für mindestens eine Woche stattfand. Die eingeschlossenen 13 Arbeiten beruhen auf acht unterschiedlichen Kohortenstudien und einer Fall-Kontroll-Studie mit insgesamt 486'558 Teilnehmern, die ausschließlich in Europa durchgeführt wurden. Tinnitus wird von drei Studien behandelt, Migräne von einer, Kopfschmerzen von sechs, Schlafstörungen von fünf und unspezifische Symptomansammlungen von fünf Studien. Nur eine Studie befasst sich mit beruflicher Exposition. Für die Abschätzung systematischer Fehler, welche die Resultate der Studien verzerren können, setzten die Autoren das Risk-of-Bias-Tool "Ohat" ein, das an die Erfordernisse der Review angepasst wurde.

Ergebnisse

Für alle fünf vorrangigen Hypothesen deuten die verfügbaren Forschungsergebnisse darauf hin, eine HF-EMF-Exposition unterhalb der Grenzwerte verursacht keine Symptome. Die Beweise für diese Schlussfolgerung stehen jedoch auf wackligen Beinen. Die sehr geringe Sicherheit der Evidenz ist auf die geringe Anzahl der Studien zurückzuführen, auf das Risiko einer Verzerrung in einigen Studien, auf Inkonsistenzen, auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf reale Situationen und auf Ungenauigkeiten. Was nachrangige Hypothesen anbelangt, so wurden in den 13 in Frage kommenden Arbeiten zahlreiche Kombinationen von Exposition und Ergebnissen behandelt, ohne dass es Hinweise auf einen Zusammenhang mit einem bestimmten Symptom oder einer bestimmten Expositionsquelle gab.

Aus Sicht der Autoren ist die Review derzeit der beste verfügbare Beweis für die Sicherheit von HF-EMF. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass HF-EMF unterhalb der Grenzwerte Symptome verursachen. Die mit der Review verbundenen Einschränkungen führen jedoch zu einer erheblichen Unsicherheit.

Auswirkungen der Review auf die Forschung

Bei dieser Review waren acht von neun Studien als prospektive Kohortenstudien angelegt, was im Allgemeinen das zuverlässigste epidemiologische Studiendesign ist. Nichtsdestotrotz zeigt die Analyse der Reviewautoren, dass bei der vorliegenden speziellen, sehr anspruchsvollen Forschungsfrage erhebliche Herausforderungen im Zusammenhang mit der Expositionsbewertung, der Beherrschung von Störfaktoren und der umgekehrten Kausalität bestehen bleiben. Dies liegt in der Natur des Themas, da die Hauptquelle der HF-EMF-Exposition auf Bevölkerungsebene, nämlich die Nutzung schnurloser Geräte, mit vielen Aspekten des Lebensstils und somit mit verschiedenen potenziellen Nicht-EMF-Schutz- und Risikofaktoren wie Schlafmangel oder mangelnder körperlicher Aktivität zusammenhängt.

Um in der künftigen Forschung zwischen biophysikalischen Effekten und anderen potenziellen Nicht-EMF-Effekten zu unterscheiden, wäre ein kritischer Aspekt die prospektive Quantifizierung der HF-EMF-Exposition durch Nahfeldquellen, anstatt nur grobe Näherungswerte wie die selbstberichtete Nutzung zu berücksichtigen. Zukünftige Forschung sollte beide Expositionsquellen, Nah- und Fernfeldquellen, gleichzeitig untersuchen. Nur Forschung, die neuartige und innovative Methoden anwendet, um potenzielle HF-EMF von anderen Effekten zu trennen, und die auf einer eindeutigen Hypothese über die beteiligten biologischen Pfade basiert, welche für die Entwicklung von Symptomen relevant sind, wird zur weiteren Klärung offener Fragen beitragen. Solange keine besseren Ansätze zur Verfügung stehen, lassen sich auch keine besseren Erkenntnisse gewinnen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Rööslis EHS-Review: Die Echokammer schlägt zurück

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 17.07.2024, 20:29 (vor 134 Tagen) @ H. Lamarr

Die WHO vergab eine systematische Review zum Themenkomplex "Elektrosensibilität" an Martin Röösli. Der Schweizer Wissenschaftler machte sich mit einer achtköpfige Arbeitsgruppe an die Arbeit und lieferte im November 2023 die Endfassung. Seit Dezember 2023 ist diese auf der Website des Journals Environment International für jeden zugänglich (Volltext). Aus Sicht der Autoren ist ihre Review derzeit der beste verfügbare Beweis für die Sicherheit von HF-EMF. Grenzenlose Erleichterung will sich dennoch nicht einstellen.

Die Mobilfunkkritiker John W. Frank, Ronald L. Melnick und Joel M. Moskowitz sind von der EHS-Review der Arbeitsgruppe Röösli nicht begeistert. Im Webportal der Zeitschrift Reviews on Environmental Health veröffentlichten sie am 15. Juli 2024 unter dem Titel "A critical appraisal of the WHO 2024 systematic review of the effects of RF-EMF exposure on tinnitus, migraine/headache, and non-specific symptoms" einen ausführlichen Kommentar (Volltext). Darauf macht als Erster Microwave News mit einer Kurzmeldung aufmerksam. Den Autoren zufolge ist ihr Kommentar eine kritische Bewertung der wissenschaftlichen Qualität der besagten EHS-Review unter Anwendung der vom Oxford Centre for Evidence-Based Medicine entwickelten Kriterien.

Aufgrund ihrer Bewertungsergebnisse fordern die drei Mobilfunkkritiker nun die Retraktion der EHS-Review und eine Beurteilung der derzeit verfügbaren Evidenz und der zukünftigen Forschungsprioritäten durch unparteiische Experten.

Kommentar: Dass sich die drei Mobilfunkkritiker mit ihren Forderungen durchsetzen können, halte ich für unwahrscheinlich, denn die Kontroverse ist einer der wichtigsten Motoren für wissenschaftlichen Fortschritt. So wie staatliche Eingriffe in die Meinungsäußerungsfreiheit nur mit allergrößter Behutsamkeit und bei schwerwiegenden Verstößen anzuraten sind, ist in der Wissenschaft die Schwelle für eine Retraktion hoch. Alexander Lerchl kann ein Lied davon singen. Aus meiner Sicht werden die drei Autoren die Nichterfüllung ihrer Forderungen jedoch gelassen hinnehmen, da sie mit ihrem Kommentar bereits das erreichten, was sie primär angestrebt haben: Zweifel an der Qualität der EHS-Review und an der Integrität der Arbeitsgruppe Röösli wecken. Gegenseitiges Entwerten ist in der Mobilfunkdebatte nicht ungewöhnlich, sondern an der Tagesordnung. Entscheidend ist deshalb, wer die Entscheidungsträger hinter sich hat, die das Spiel kennen und kompetent beurteilen können, ob sie es mit einer Qualitätsstudie zu tun haben und ob Kritik daran gerechtfertigt ist oder nicht. Üblicherweise ziehen Mobilfunkkritiker dabei den Kürzeren. Dies erklärt, warum die Kritiker seit Jahrzehnten nicht recht vom Fleck kommen, obwohl ihre Häuptlinge in den Echokammern der Szene wie Superstars gefeiert werden.

Mutmaßlich arbeiten die drei Kritiker inzwischen bereits an der Entwertung von Rööslis zweiter EHS-Review, die er ebenfalls im Auftrag der WHO abgeliefert hat. Sie können ja schlecht die eine verreißen und die andere kommentarlos hinnehmen.

Für meine Behauptung, dass für Kritiker primär die Entwertung von Studien und Autoren der "Gegenseite" im Vordergrund steht und nicht wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn, spricht die Augenklappe, die bei den meisten Profi-Entwertern ein Auge verdeckt. Damit meine ich: Selbst an qualitativ zweifelsfrei schlechten Studien aus dem Unterholz der eigenen Szene stoßen sie sich nicht. Fachlich überforderte Szenemitglieder dürfen solche schwarzen Schafe unbehelligt feiern, der Missmut der Profi-Entwerter ist allenfalls daran erkennbar, dass sie sich stillschweigend eines Werturteils enthalten.

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Die Echokammer schlägt zurück: Confirmation Bias?

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 24.07.2024, 00:48 (vor 128 Tagen) @ H. Lamarr

Aus meiner Sicht werden die drei Autoren die Nichterfüllung ihrer Forderungen jedoch gelassen hinnehmen, da sie mit ihrem Kommentar bereits das erreichten, was sie primär angestrebt haben: Zweifel an der Qualität der EHS-Review und an der Integrität der Arbeitsgruppe Röösli wecken.

Original-Textpassage aus der Kritik:

[...] Of even greater concern, three of the six depicted Forest Plots (those for “headaches,” “sleep disturbance” and “non-specific symptoms”) show some primary studies with statistically significant observed associations in the opposite direction to that expected. Such a counterintuitive finding can be confidently attributed to various sorts of study biases, simply because there is no known mechanism by which increased EMF exposure would protect from such symptoms. Rather than pool such conflicting and likely biased results, thereby reducing the overall pooled effect to near or below the null in these very heterogeneous sets of primary studies, it would have been better to treat studies finding such “opposite to expected” directions of association as “inadmissible due to bias,” and exclude them from further consideration (typically, [...]

In der Textpassage oben beklagen die Kritiker, dass drei der sechs dargestellten Forest-Plots (für "Kopfschmerzen", "Schlafstörungen" und "unspezifische Symptome") einige Primärstudien mit statistisch signifikanten beobachteten Assoziationen in die entgegengesetzte Richtung als erwartet zeigen. So ein kontraintuitives Ergebnis könne getrost auf verschiedene Arten von Studienverzerrungen zurückgeführt werden, einfach weil es keinen bekannten Mechanismus gäbe, durch den eine erhöhte EMF-Exposition vor solchen Symptomen schützen würde. Anstatt solche widersprüchlichen und wahrscheinlich verzerrten Ergebnisse zu bündeln und damit den Gesamteffekt in diesen sehr heterogenen Gruppen von Primärstudien auf nahe oder unter den Nullwert zu reduzieren, wäre es aus Sicht der Kritiker besser gewesen, Studien, die solche "entgegengesetzt zu den Erwartungen" verlaufenden Assoziationen fanden, als "unzulässig aufgrund von Verzerrungen" zu behandeln und sie von der weiteren Betrachtung auszuschließen.

Kommentar: Würden alle Wissenschaftler den Vorschlag der drei Kritiker befolgen und unerwartete Studienergebnisse verschwinden lassen, statt sie mitzuteilen, dürfte es z.B. die Naila-Studie und die Interphone-Großstudie in der publizierten Form nicht geben. Denn der Grafik aus der Dokumentation des Naila-Hauptautors Horst Eger ist zu entnehmen, dass im Fernbereich der fraglichen Mobilfunkbasisstation (Abstand > 400 m) die Anzahl der Krebsfälle mit 12 deutlich unter der laut Krebsregister zu erwartenden Anzahl von 23 Fällen liegt. Womit die Naila-Studie gewollt die Botschaft sendet, näher als 400 m zu einer Station verursacht Mobilfunk Krebs, ungewollt jedoch auch die Botschaft, weiter als 400 m zu einer Station schützt Mobilfunk vor Krebs! Hätte Eger das unplausible Studienergebnis fürs Fernfeld einfach weggelassen, die Naila-Studie wäre womöglich ernster genommen worden, als sie es verdient hat.

Grafik aus der Dokumentation des Naila-Hauptautors Horst Eger.
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Ähnlich verhält es sich mit der Interphone-Studie. Auch dort sind Teilergebnisse dokumentiert, die entgegen aller Erwartungen eine Schutzwirkung von Mobilfunk suggerieren. Da niemand eine tatsächliche Schutzwirkung ernsthaft in Erwägung zog, entbrannte um die Erklärungsversuche für die widersprüchlichen Teilergebnisse eine ziemlich heftige wissenschaftliche Debatte, mit dem Ziel, die Fehlerursache in der Studienmethodik ausfindig zu machen und künftig zu vermeiden. Frei nach dem Motto: Das Bessere ist des Guten Feind. Doch dazu konnte es nur kommen, weil die Interphone-Autoren die "kontraintuitiven" Teilresultate nicht unter den Tisch haben fallen lassen.

Der kognitive Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) ist laut Wikipedia die unbewusste Neigung, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass sie die eigenen Erwartungen bestätigen. Die drei Kritiker zeigen allerdings eine sehr bewusste Neigung, unplausible Studienergebnisse von der weiteren Betrachtung auszuschließen. Ob sie dies auch bei ihren eigenen Studien so handhaben?

Da ich kein Wissenschaftler bin, kann ich mir vorstellen, dass die oben geschilderte Problematik pauschal weder verdammt noch gutgeheißen werden kann, sondern in jedem Einzelfall kundig geprüft werden muss. Etwas in dieser Richtung erhoffe ich mir von der zu erwartende Reaktion der Arbeitsgruppe Röösli auf die Vorwürfe der drei Kritiker.

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Die Echokammer schlägt zurück: abwarten und Tee trinken

H. Lamarr @, München, Dienstag, 30.07.2024, 01:30 (vor 122 Tagen) @ H. Lamarr

[...] Anstatt solche widersprüchlichen und wahrscheinlich verzerrten Ergebnisse zu bündeln und damit den Gesamteffekt in diesen sehr heterogenen Gruppen von Primärstudien auf nahe oder unter den Nullwert zu reduzieren, wäre es aus Sicht der Kritiker besser gewesen, Studien, die solche "entgegengesetzt zu den Erwartungen" verlaufenden Assoziationen fanden, als "unzulässig aufgrund von Verzerrungen" zu behandeln und sie von der weiteren Betrachtung auszuschließen.

Die drei Kritiker stoßen sich dem Zitat zufolge daran, dass Röösli et al. Studien, die "entgegengesetzt zu den Erwartungen" verlaufende Assoziationen fanden, nicht ausgeschlossen haben. An anderer Stelle stoßen sie sich wiederum daran, dass Röösli et al. human-experimentelle Studien nicht eingeschlossen haben:

[...] For example, human experimental studies, typically involving deliberate provocation of such symptoms by laboratory-controlled exposures to RF-EMFs, have been made the subject of a separate SR, still to appear [24], and so are excluded from consideration by Röösli et al. [3] Although that literature is controversial [25] we would argue that omitting it entirely, a priori, from the SR by Röösli et al. [3] is contrary to best epidemiological practice, in that experimental studies – when of high quality – virtually always contribute stronger evidence of causation than observational studies [18]. [...]

Übersetzung: [...] Zum Beispiel wurden human-experimentelle Studien, die typischerweise solche Symptome durch labor-kontrollierte Exposition mit HF-EMF gezielt provozieren, zum Gegenstand einer noch unveröffentlichten separaten SR [systematischen Review] gemacht [24]. Röösli et al. gehen in [3] nicht auf derartige Studien ein. Obwohl diese Literatur umstritten ist [25], würden wir argumentieren, dass es der besten epidemiologischen Praxis widerspricht, sie a priori vollständig aus der SR von Röösli et al. [3] auszuschließen, da experimentelle Studien – wenn sie von hoher Qualität sind – praktisch immer stärkere Beweise für Kausalität liefern als Beobachtungsstudien [18]. [...]

Rööslis erste von der WHO beauftragte EHS-Review [3] (Beobachtungsstudien) erschien online im Dezember 2023, die zweite EHS-Review (experimentelle Laborstudien) wurde online im Mai 2024 veröffentlicht. Die Kritik der drei Kritiker datiert vom 15. Juli 2024.

Da die Kritiker von Rööslis zweiter EHS-Review nur das Studienprotokoll [24] kannten, ist anzunehmen, dass sie ihr Manuskript irgendwann nach Dezember 2023 und vor Mai 2024 abgaben.

Die Aufteilung in zwei EHS-Reviews war seit spätestens Januar 2022 bekannt. Warum kam der Einspruch der drei Kritiker also nicht früher, sondern erst zwei Jahre später, nachdem die erste EHS-Review erschien? Möglicherweise deshalb, weil sie abwarten wollten, welche Ergebnisse die Reviews zeigen werden. Denn mit einem vorschnellen Verriss wäre der Schuss nach hinten losgegangen, – hätten die Reviews die Standpunkte der Kritiker zu "Elektrosensibilität" bestätigt. Also: Finger am Abzug, aber nur dann abdrücken, wenn das Ziel die eigenen Erwartungen enttäuscht. So hat es Joel M. Moskowitz schon bei der Großstudie Mobi-Kids gehalten.

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Die Echokammer schlägt zurück: Fragen an Martin Röösli

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 01.08.2024, 00:59 (vor 120 Tagen) @ H. Lamarr

Die Mobilfunkkritiker John W. Frank, Ronald L. Melnick und Joel M. Moskowitz sind von der EHS-Review der Arbeitsgruppe Röösli nicht begeistert. Im Webportal der Zeitschrift Reviews on Environmental Health veröffentlichten sie am 15. Juli 2024 unter dem Titel "A critical appraisal of the WHO 2024 systematic review of the effects of RF-EMF exposure on tinnitus, migraine/headache, and non-specific symptoms" einen ausführlichen Kommentar (Volltext).

Das Kritikertrio fährt mit der Forderung nach Retraktion der EHS-Review (Beobachtungsstudien) schweres Geschütz auf. Was sagt Martin Röösli, Korrespondenzautor der EHS-Review zu den Vorwürfen und der Forderung? Wir haben ihn gefragt. Seine Antworten geben wir in indirekter Rede wieder, damit sich neuer Streit nicht an Formulierungen entzünden kann:

IZgMF: Hat David O. Carpenter, Chefredakteur von "Reviews on Environmental Health", wegen der Retraktionsforderung von Frank, Melnick und Moskowitz Kontakt zu Ihnen aufgenommen?

Röösli antwortete mit Nein und schrieb, er gehe davon aus, Carpenter werde sich auch weiterhin heraushalten. Der Schweizer Epidemiologe sieht in der Retraktionsforderung nur etwas für die Galerie. Denn meinten seine Kritiker es wirklich ernst mit der Retraktion, müssten sie sich schon an die Chefetage von "Environment International" wenden, – das ist das Blatt, in dem die angegriffene EHS-Review erschien –, was sie aber anscheinend bislang nicht gemacht hätten.

Die Arbeitsgruppe Röösli wird die Anwürfe des Kritikertrios doch bestimmt mit einer Replik beantworten, oder?

Das sei noch nicht entschieden, meinte Röösli, er wolle sich in der Angelegenheit mit der WHO absprechen. Er verspüre allerdings wenig Lust, zum Publikationsbusiness von "Reviews on Environmental Health" beizutragen. Denn dort koste es Geld, wollte seine Arbeitsgruppe ihre Meinung zu den Vorwürfen öffentlich machen. Für eine Erwiderung sehe er keine zwingenden Gründe, denn die Kritik an der EHS-Review habe wenig Substanz und entspräche nicht dem wissenschaftlich anerkannten Vorgehen, um Kritik zu äußern. Er habe nicht den Eindruck, das Trio strebe echten wissenschaftlichen Austausch an. Vielmehr gehe es aus seiner Sicht nur darum, demonstrativ zu zeigen, dass man Kritik üben könne. Dies töne gut, ließe sich in Schriften von Mobilfunkkritikern vielfältig zitieren und helfe möglicherweise beim Loseisen von Spenden. Zweifel säen sei das Motto, so wie es Industrielobbyisten vorgemacht haben. Röösli erwartet von einer anständigen Kritik an der EHS-Review, dass diese als Leserbrief an "Environment International" geschickt wird, denn dies gäbe ihm und seiner Arbeitsgruppe die Möglichkeit zu einer Antwort. So eine regelkonforme Kritik gäbe es bereits an der zweiten EHS-Review (Experimentelle Studien am Menschen) bei der Xavier Bosch-Capblanch Korrespondenzautor ist. Die Kritik werde noch im August 2024 publiziert und die Replik der Arbeitsgruppe Bosch-Capblanch sei auch gleich mit dabei.

Die drei Kritiker werfen Ihnen vor, Ihre Beziehungen zur industrienahen Schweizer "Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation" (FSM) seien viel enger als Sie in der EHS-Review einräumen. Bringt Sie das in Bedrängnis?

Röösli sieht sich nicht in Bedrängnis. Er sei von 2011 bis 2018 unbezahltes Mitglied im Stiftungsrat der FSM gewesen und habe pro Jahr an einer Sitzung des Rates teilgenommen. Damit sei die FSM ganz sicher nicht seine Home Institution. Er habe sich stets als unabhängiger Kontrolleur im Stiftungsrat verstanden, damit das Geld der Industrie nicht zum Weißwaschen verwendet werde. Gegen die Darstellung der Kritiker habe er am 19. Juli Beschwerde bei "Reviews on Environmental Health" eingelegt, seither warte er auf Antwort.

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Deutscher Verein denunziert Rööslis EHS-Reviews beim RTEMF

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 20.11.2024, 00:49 (vor 9 Tagen) @ H. Lamarr

Die Mobilfunkkritiker John W. Frank, Ronald L. Melnick und Joel M. Moskowitz sind von der EHS-Review der Arbeitsgruppe Röösli nicht begeistert.

Auch ein deutscher Anti-Mobilfunkverein kann sich nicht für die beiden EHS-Reviews (Beobachtungsstudien & Experimentalstudien) der Arbeitsgruppe Röösli erwärmen. Ebenso wie Frank, Melnick und Moskowitz wollten sich auch die Deutschen nicht direkt mit der kritisierten Arbeitsgruppe duellieren. Trugen die Gesinnungsfreunde in den USA ihre Kritik immerhin noch öffentlich in einem wissenschaftlichen Journal vor, verfielen die Deutschen auf die schräge Idee, im Juni 2024 die Reviews der Arbeitsgruppe Röösli mit einem Brief gegenüber dem Runden Tisch EMF (RTEMF) des Bundesamts für Strahlenschutz madig zu machen. Kurz gesagt: Der Verein denunzierte die Arbeitsgruppe Röösli beim BfS.

Eine andere Wahl hatten die Kritiker aus meiner Sicht jedoch nicht, denn für eine profunde wissenschaftliche Kontroverse reicht ihre kleinkalibrige Munition hinten und vorne nicht. So baut der Verein seine Kritik auf der unbewiesenen Hypothese auf, Menschen, die sich als elektrosensibel bezeichnen, reagierten auf Exposition höchst unterschiedlich, da die Sensibilität abhängig sei von der Einwirkzeit, Leistungsflussdichte, Frequenz, dem Frequenzmix, der Modulation sowie dem Entwicklungsstadium, in dem sich ein "Elektrosensibler" befinde. Wenn ich mich recht entsinne, verbreitete vor etwa 20 Jahren der Zahnarzt und "Elektrobiologe" Dr. dent. Claus Scheingraber hierzulande diese Hypothese, die seither vergeblich auf eine wissenschaftliche Bestätigung wartet. Unter Betroffenen ist sie gleichwohl sehr beliebt, denn sie ermöglicht jedem "Elektrosensiblen", der an einem Provokationstest scheitert, reichlich Ausreden für sein Versagen. Anonymisiert steht der Brief des Vereins im Volltext (vier Seiten) hier zur Verfügung.

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KEMF erwidert Brief des deutschen Vereins

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 20.11.2024, 01:03 (vor 9 Tagen) @ H. Lamarr

Anonymisiert steht der Brief des Vereins im Volltext (vier Seiten) hier zur Verfügung.

Das Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder (KEMF) des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) reagiert auf den Brief des Vereins mit einer Entgegnung, die ebenfalls vier Seiten hat und Behauptungen des Vereins unaufgeregt in ein ganz anderes Licht stellt.

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RTEMF-Sitzungsprotokoll zu EHS-Reviews und Vereinseingabe

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 27.11.2024, 18:26 (vor 1 Tag, 10 Stunden, 8 Min.) @ H. Lamarr

Auch ein deutscher Anti-Mobilfunkverein kann sich nicht für die beiden EHS-Reviews (Beobachtungsstudien & Experimentalstudien) der Arbeitsgruppe Röösli erwärmen. Ebenso wie Frank, Melnick und Moskowitz wollten sich auch die Deutschen nicht direkt mit der kritisierten Arbeitsgruppe duellieren. Trugen die Gesinnungsfreunde in den USA ihre Kritik immerhin noch öffentlich in einem wissenschaftlichen Journal vor, verfielen die Deutschen auf die schräge Idee, im Juni 2024 die Reviews der Arbeitsgruppe Röösli mit einem Brief gegenüber dem Runden Tisch EMF (RTEMF) des Bundesamts für Strahlenschutz madig zu machen. Kurz gesagt: Der Verein denunzierte die Arbeitsgruppe Röösli beim BfS.

Anlässlich der 31. Sitzung des RTEMF am 3. Juli 2024 in Erfurt beschäftigten sich Review-Co-Autor Stefan Dongus (Swiss TPH) als Gastteilnehmer und die ständigen Teilnehmer des RTEMF mit den beiden EHS-Reviews und mit der Eingabe des Anti-Mobilfunkvereins, welche von den Teilnehmern nicht als Denunziation, sondern freundlicherweise "wertschätzend" zur Kenntnis genommen wurde. Anschließend (kursiv) der zugehörige Auszug aus dem Protokoll der Sitzung:

Für die Elektromagnetische Hypersensibilität (EHS), auch Idiopathische Umweltintoleranz, die auf elektromagnetische Felder zurückzuführen ist (IEI-EMF), genannt, gibt es drei maßgebliche wissenschaftliche Erklärungsansätze: elektromagnetische Hypothese (kausaler Zusammenhang), kognitive Hypothese (Nocebo-Effekt), attributive Hypothese (EHS als Bewältigungsstrategie für vorhandene Beschwerden) [1].

In jeweils einem SR wurden experimentelle Humanstudien [2] (akute Reaktionen) und epidemiologische Studien [3] (Beobachtungsstudien zu Langzeitauswirkungen) betrachtet. Der SR zu experimentellen Humanstudien bezog nur Studien ein, in denen die Teilnehmer*innen kontrollierten HF-EMF-Expositionen ausgesetzt worden sind, den Expositionsstatus dabei aber nicht kannten (Verblindung). Der SR zu epidemiologischen Studien berücksichtigte HF-EMF-Expositionen mit einer Dauer von mindestens einer Woche, als Expositionsquellen wurden dabei sowohl Nahfeldquellen, wie das an den Kopf gehaltene Mobiltelefon, als auch Fernfeldquellen, wie beispielsweise Mobilfunkbasisstationen berücksichtigt. Die Endpunkte umfassten unspezifische Symptome wie Tinnitus, Migräne, Kopfschmerzen, Schlafqualität und allgemeine Befindlichkeit.

Beobachtungsstudien, die den Zusammenhang zwischen selbstberichteter Fernfeldexposition und Symptomen untersuchen, weisen in der Regel größere Effektschätzer auf, als Studien, die modellierte Fernfeldexposition heranziehen. Das deutet auf den Nocebo-Effekt hin.

Interessant ist, dass sich Sensitivität und Spezifität für eine Wahrnehmung von EMF deutlich zwischen der IEI-EMF-Stichprobe und der Stichprobe der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Konkret scheinen IEI-EMF-Personen eher dazu zu neigen, die Anwesenheit von Exposition zu melden, wenn tatsächlich eine Exposition vorlag, aber weniger wahrscheinlich das Fehlen von Exposition zu melden, wenn keine Exposition vorhanden ist. Daraus resultiert, dass das zusammengefasste Verhältnis von korrekten zu falschen Schätzungen für beide Stichproben ähnlich ist, was darauf hindeutet, dass die Genauigkeit der Felderkennung einem zufälligen Treffer entspricht.

Insgesamt deutet die Evidenz nicht darauf hin, dass HF-EMF-Exposition unterhalb der Grenzwerte Symptome verursacht. Insbesondere bei den Beobachtungsstudien ist die Evidenz durch inhärente Limitationen der Beobachtungsstudien allerdings sehr unsicher.

Diskussion: Für die Ergebnisse zur Selbstwahrnehmung wäre die wissenschaftlich gut untersuchte Nocebo-Hypothese eine einleuchtende Erklärung. Den RTEMF erreichte im Vorfeld der Sitzung die Eingabe einer zivilgesellschaftlichen Initiative (auf eigenen Wunsch anonym), die sich kritisch mit den SRs der WHO zu einem möglichen Zusammenhang zwischen HF-EMF-Expositionen und dem Auftreten von Symptomen unter Berücksichtigung von IEI-EMF-Bevölkerungsgruppen auseinandergesetzt hat. Dass sich die Initiative mit ehrenamtlichen Ressourcen in den fachwissenschaftlichen Diskurs einbringt, ohne einen zur Bewertung von Fachartikeln erforderlichen fachwissenschaftlichen Hintergrund zu haben, um damit auch eine Brücke zwischen Fachwissenschaft und Zivilgesellschaft zu bauen, wurde von den Mitgliedern des RTEMF wertschätzend zur Kenntnis genommen. Der RTEMF erkennt an, dass IEI-EMF ein Thema von öffentlicher Relevanz ist und beschließt deshalb, sich mit der Eingabe in dieser Sitzung zu beschäftigen. Der RTEMF hat sich in der Sitzung mit den Argumenten der Eingabe befasst, welche in verschiedener Weise den wissenschaftlichen Gehalt der SRs hinterfragen (siehe Anlage 1):

Die Widerlegung einer möglichen Existenz von IEI-EMF ist aus Sicht des RTEMF nicht möglich, weil Wissenschaft keinen Beweis dafür liefern kann, dass etwas nicht existiert. Vereinzelte mutmaßliche individuelle Ausprägungen und Einflussfaktoren lassen sich zudem schwer wissenschaftlich untersuchen. Der RTEMF ist sich einig, dass es zu EHS Forschungslücken gibt, wie sie auch in den SRs aufgezeigt werden. Gleichzeitig erkennt der RTEMF an, dass das Schließen dieser Forschungslücken methodologisch herausfordernd ist.

Der RTEMF beauftragt das KEMF, eine Einschätzung zu der Stellungnahme zu verfassen. Sie wird nach Fertigstellung diesem Protokoll angefügt (siehe Anlage 2).

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Spotlight: Bedeutung der WHO-Review SR7 für den Strahlenschutz

e=mc2, Dienstag, 24.09.2024, 17:56 (vor 65 Tagen) @ H. Lamarr

[Admin: Wegen des Sachzusammenhangs wurde das ursprünglich eigenständige Posting am 24.09.2024 um 22:35 Uhr hierher verschoben und der Postingtitel angepasst]

Die WHO Reviews haben auf einschlägigen Platformen einige Kritiken provoziert. Dabei wird man den Verdacht nicht los, dass einfach die Resultate nicht gepasst haben und ausgehend davon mehr oder wenig sachfremde Kritiken vorgebracht worden sind. Nun hat sich das Spotlight on EMF Research den SR7 zu unspezifischen Symptomen bei beobachtenden Studien vorgeknöpft. Wohltuend für einmal Fachleute statt Ideologen am Werk zu sehen.

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