Rechtsgutachten entzieht 5G-Antennen angeblich die Legitimation (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 13.07.2019, 00:31 (vor 2157 Tagen)

Der Schweizer Verein "Schutz vor Strahlung" behauptet in einer sogenannten Medienmitteilung, ein Rechtsgutachten entziehe 5G-Antennen die Legitimation. Das ist ausgemachter Blödsinn.

Ein Rechtsgutachten, weiß Wikipedia, ist die Feststellung des geltenden und anwendbaren Rechts in einer bestimmten Region oder für eine bestimmte Personengruppe hinsichtlich eines vorgegebenen Sachverhaltes oder aber die gutachterliche Beurteilung der Rechtsfragen oder Rechtsfolgen eines Sachverhaltes. [...] Legt eine der Prozessparteien eine sachverständige Ausarbeitung vor, wird von einem Privatgutachten oder Parteigutachten gesprochen. Unabhängig von der Bezeichnung handelt es sich dabei prozessrechtlich immer um Parteivortrag. [...] Fragwürdige Begutachtungen, die zu einem wenig überzeugenden fehlerhaften Gutachten führen, jedoch den Interessen oder Ansichten des Auftraggebers entgegenkommen, werden häufig Gefälligkeitsgutachten genannt.

Im konkreten Fall ist der Auftraggeber des Rechtsgutachtens (Volltext, 16 Seiten) nicht etwa ein Gericht oder wenigstens eine politische Partei, sondern Frau Rebekka Meier, Präsidentin des Anti-Mobilfunk-Vereins "5G-Moratorium". Das Papier ist damit einem Parteivortrag gleichzusetzen, es handelt sich also um ein Privatgutachten, von dem keine rechtsverbindliche Wirkung ausgeht. Allein schon deshalb ist die Darstellung, das Rechtsgutachten entziehe 5G-Antennen die Legitimation, eine irreführende Falschmeldung.

Auftragnehmer für das Privatgutachten ist die Kanzlei Pfister & Fretz mit Sitz in Aargau. Rechtsanwalt Michael Fretz schreibt in der Zusammenfassung seiner Überlegungen grammatikalisch korrekturbedürftig:

Der Bundesrat hat für die beabsichtigte (respektive teilweise bereits erfolgte) Einführung von 5G die NISV angepasst. Die darin enthaltene Privilegierung von adaptiven Antennen (Berücksichtigung der Variabilität der Senderichtungen und der Antennendiagramme) sowie die Konkretisierung dieses Grundsatzes durch das BAFU erachte [ich, Anm. Postingautor] aus den dargelegten Gründen als nicht zulässig.

Nebst weiteren politischen Vorstössen stufe ich die Beschreitung des Rechtswegs im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gegen die Bewilligung einer 5G-Antenne als zielführend ein.

Im Gegensatz zu dem Verein Schutz vor Strahlung gibt sich Fretz angenehm bescheiden, indem er ausdrücklich bekundet seine persönliche Meinung vorzutragen. Nur ist das mit der persönlichen Meinung von Anwälten über eine Rechtsangelegenheit so eine Sache. Denn jeder verständige Mensch weiß, dass in jeder Zivilstreitigkeit eine Partei (und damit ihr Anwalt) sich vor Gericht mit ihrer Sicht der Dinge nicht durchsetzen kann – und unterliegt. Was für gerichtlich Auseinandersetzungen gilt, trifft auch auf Fretz' Privatgutachten zu. Es kann den begutachteten Sachverhalt zutreffend (richtig) beurteilen oder eben unzutreffend (falsch).

Aus meiner Sicht ist Fretz' Gutachten unzutreffend. Denn es stützt sich allein auf eine angebliche Privilegierung adaptiver Antennen, die aus technischer Sicht jedoch gar nicht gegeben ist. Mit Privilegierung meint Fretz meinem Verständnis seiner wortreichen Ausführungen nach, dass adaptive Antennen exklusiv mit höherer Sendeleistung betrieben werden dürften als baugleiche nicht-adaptive Antennen. Tatsächlich grübeln derzeit die Behörden in der Schweiz darüber nach, um wie viel stärker adaptive Antennen senden dürfen, im Gespräch sind Faktoren zwischen 3 dB und 10 dB. Doch was auf den ersten Blick wie ein Zuwachs an Sendeleistung und Funkemission aussieht, ist bei genauerer Betrachtung gar keiner.

Bei allen bisher in der Mobilfunktechnik verwendeten Sektorantennen ist der Strahlungskegel mechanisch und elektrisch (weitgehend) unbeweglich auf einen zu versorgenden Funksektor ausgerichtet, meist mit 120 Grad Winkelbreite, weshalb an Sendemasten häufig drei Sektorantennen anzutreffen sind (360 Grad Raumabdeckung). Anwohner einer mit solchen Antennen ausgestatteten Basisstation werden daher rund um die Uhr "bestrahlt". Bei adaptiven Antennen ist dies anders. Deren Strahlungskegel ist weitaus stärker gebündelt und elektrisch in horizontaler sowie vertikaler Richtung gezielt schwenkbar. Strahlungskegel adaptiver Antennen folgen einem mobilen Smartphonenutzer auf der Straße (selbsttätig) auf ähnliche Weise wie ein Spotscheinwerfer einem Künstler auf einer Bühne folgt. Wenn aber ein Strahlungskegel nicht mehr starr auf ein Ziel ausgerichtet ist, sondern hin und her wandert, dann ist ein unbeteiligter Anwohner einer mit adaptiven Antennen ausgestatteten 5G-Basisstation nicht mehr ständig in ein Funkfeld getaucht, sondern er gerät nur noch nach einem Zufallsmuster in das Funkfeld. Dieser Umstand ist es, wegen dem überhaupt darüber nachgedacht wird, adaptiven Antennen eine höhere Sendeleistung zuzugestehen als nicht-adaptiven. Denn wer z.B. dem Funkfeld einer 100 Watt starken adaptiven Antenne nur zu 50 Prozent eines Tages ausgesetzt ist, die andere Hälfte hingegen strahlungsfrei bleibt, der wird (unter sonst gleichen Bedingungen) effektiv nicht stärker befeldet als von einer nicht-adaptiven Antenne, die rund um die Uhr mit 50 Watt Leistung sendet. Das einfache Beispiel dient der Verdeutlichung des Grundprinzips, in der Realität ist die Situation etwas komplizierter.

Da durch die Berücksichtigung der zeitlich begrenzten Einwirkung adaptiver Antennen die biologisch wirksame Sendeleistung reduziert wird, heißt der oben erwähnte Faktor (3 dB bis 10 dB) im Fachjargon Reduzierungsfaktor oder Korrekturfaktor.

Wenn Rechtsanwalt Fretz nun glaubt, ein solcher Reduzierungsfaktor sei ein exklusives Privileg des 5G-Mobilfunks (mit dessen adaptiven Antennen), so sitzt der Rechtsgelehrte einem Irrtum auf. Denn Reduzierungsfaktoren kennt die Mobilfunktechnik seit GSM für jedes Mobilfunksystem (Quelle: Study of 12 September 2018 on the impact of the radiation standards in Brussels on the deployment of mobile networks):

Reduzierungsfaktoren
GSM: 8 dB
UMTS: 3 dB
LTE: 3 dB

Die vollmundig von dem Verein Schutz vor Strahlung verbreitete Behauptung "ein Rechtsgutachten entzieht 5G-Antennen die Legitimation" ist aus o. g. Gründen nach meiner Einschätzung das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Ob sich das Bafu freiwillig zu dem Privatgutachten äußern wird bleibt abzuwarten. Mutmaßlich wird eher ein der Anti-Mobilfunk-Szene nahe stehender Schweizer Parlamentarier im Bundeshaus zu Bern demnächst eine Anfrage an die Schweizer Regierung richten, wie diese zu dem Fretzschen Gutachten steht. Dann werden wir umgehend eine verbindliche Entgegnung bekommen und ich bin zuversichtlich, diese wird das Gutachten nach allen Regeln der Kunst zerpflücken.

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Gutachten, Schutz-vor-Strahlung, Rebekka Meier, Adaptive Antennen

5G-Tea-Party - Erzeuge die fehlende Masse

KlaKla, Sonntag, 14.07.2019, 09:08 (vor 2156 Tagen) @ H. Lamarr

Im konkreten Fall ist der Auftraggeber des Rechtsgutachtens (Volltext, 16 Seiten) nicht etwa ein Gericht oder wenigstens eine politische Partei, sondern Frau Rebekka Meier, Präsidentin des Anti-Mobilfunk-Vereins "5G-Moratorium". Das Papier ist damit einem Parteivortrag gleichzusetzen, es handelt sich also um ein Privatgutachten, von dem keine rechtsverbindliche Wirkung ausgeht. Allein schon deshalb ist die Darstellung, das Rechtsgutachten entziehe 5G-Antennen die Legitimation, eine irreführende Falschmeldung.


Kommentar:
Mal gegen Lärm von Windkraftanlagen dann gegen 5G Antennen. Hauptsache dagegen. Dabei immer auf der Suchen nach Geldgebern, die ihnen ihren Bürgerprotest finanzieren. Bekämpfe deine Langeweile indem du Querulant wirst. Die Medien freuen sich auf ein Gespräch mit dir. :wink:

Mal steht Rebekka Meier für den Verein "Schutz vor Strahlung" dann für "5G-Moratorium".

Kontakt: Rebekka Meier, Verein "Schutz vor Strahlung", rebekka.meier@schutz-vor-strahlung.ch | www.schutz-vor-strahlung.ch
Kontakt: Rebekka Meier, 032/652 61 61, 5g-moratorium@gmx.ch | www.5g-moratorium.ch

So lässt sich (die fehlende) Masse und Unterstützung vortäuschen.

Vorsicht, "5G-Moratorium" oder "Stop5G.ch" !!!

Die Websiten führen kein Impressum und macht auch keine Angaben, darüber, wer für diese Seite verantwortlich ist. Aber sie sammeln über Kontakt persönliche Daten. Diese Daten sind interessant für kommerzielle Funkgegner (Baubiologen). Mit Baubiologe Peter Schlegel arbeitet der Verein "Schutz vor Strahlung eng zusammen. Ein Ausschluss, dass die gesammelten Daten ausschließlich für die Aktion xy genutzt werden gibt es da nicht. Das ermöglicht eine Weitergabe der Daten.

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Meine Meinungsäußerung

Tags:
Schweiz, Schlegel, Zahnd, Viralmarketing, Schibler-Ulmann

Kommt ein "Elektrosensibler" zu Rechtsanwalt Fretz ...

H. Lamarr @, München, Samstag, 07.06.2025, 22:48 (vor 8 Stunden, 54 Minuten) @ H. Lamarr

Im konkreten Fall ist der Auftraggeber des Rechtsgutachtens (Volltext, 16 Seiten) nicht etwa ein Gericht oder wenigstens eine politische Partei, sondern Frau Rebekka Meier, Präsidentin des Anti-Mobilfunk-Vereins "5G-Moratorium". Das Papier ist damit einem Parteivortrag gleichzusetzen, es handelt sich also um ein Privatgutachten, von dem keine rechtsverbindliche Wirkung ausgeht. Allein schon deshalb ist die Darstellung, das Rechtsgutachten entziehe 5G-Antennen die Legitimation, eine irreführende Falschmeldung.

Auf die Vergabe der Schweizerischen 5G-Lizenzen hatte das Rechtsgutachten keine messbaren Auswirkungen. Auf die Auslastung der Kanzlei Pfisterer Fretz mit Antennenrekursen hingegen schon. Zu entnehmen ist dies dem folgenden Auszug aus einem Beitrag von Pascal Sigg in dem Digitalmagazin "Die Republik" für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Rechtsanwalt Fretz äußert sich darin über die "Strahlenfühligkeit" einen "elektrosensiblen" Klienten, auf eine Weise, die überraschend auf eine an Naivität grenzende Leichtgläubigkeit schließen lässt:

[...] Fretz ist auf Bau- und Immobilien­recht spezialisiert. Im Sommer 2019 machte ein Rechts­gutachten von ihm zur bundes­rätlichen Anpassung der Strahlenschutz­verordnung für 5G die Runde – bis ins Ausland.

Im Gutachten kritisierte Fretz das blinde Vorpreschen des Bundesrats. «Man begann mit dem Spiel, bevor man die Spielregeln festlegte», sagt Fretz. Wie waren die neuen adaptiven Antennen zu beurteilen? Wie wurden sie kontrolliert? Das war alles nicht klar. «Und trotzdem sagte die Verordnung: Adaptive Antennen dürfen privilegiert bewilligt werden.»

Spätestens seither gilt Fretz als Anwalt der Antennen­gegner. Ungefähr achtzig Antennen­rekurse hat er momentan auf dem Tisch, zehn davon sind vor Bundes­gericht. Wöchentlich rufen Leute an, die ihn engagieren wollen. Doch Fretz muss vielen von ihnen absagen.

«Ich wurde viel sensibler für Menschen, die wirklich darunter leiden», sagt er. «Das ist nicht Hokuspokus. Einmal hatte ich eine Person hier, die vorgängig sagte, wir müssten alle Strahlen­quellen ausschalten. Doch als sie ins Sitzungs­zimmer trat, merkte sie, dass ich im Büro nebenan vergessen hatte, den Bluetooth-Kopfhörer auszuschalten. Zahlreiche Einzel­schicksale haben mir gezeigt, dass es sich lohnt, sich für diese Menschen einzusetzen.» [...]

Die Anekdote mit dem Bluetooth-Kopfhörer mag für technikscheue Rechtsanwälte glaubwürdig sein, für mich fehlt ihr selbst das berühmte Körnchen Wahrheit:

► Die Abschaltung eines Bluetooth-Kopfhörers (Empfänger) bringt keine substanzielle Strahlungsminimierung mit sich, wenn der Bluetooth-Sender entweder schon zuvor abgeschaltet wurde oder noch in Betrieb ist. Wirkungsvoller wäre die Abschaltung des Senders gewesen.
► Weltweit konnte bislang kein einziger "Elektrosensibler" gefunden werden, der seine behauptete Empfindlichkeit für schwache HF-EMF unter strenger wissenschaftlicher Aufsicht nachweisen konnte.
► Manche Ärzte stellen "Elektrosensiblen" auf Verlangen Gefälligkeitsatteste aus. Diese sind wertlos, da es keinerlei anerkannte Diagnosekriterien gibt.
► Ganz sicher bemerkte der "elektrosensible" Klient nicht, dass Fretz' vergessen hatte, im Nachbarraum den Bluetooth-Kopfhörer abzuschalten. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war es so, dass der Klient lediglich beanstandete, es würde noch irgendetwas strahlen. Dies kann gut und gerne nur eine zufällig zutreffende Verdachtsbehauptung des Klienten gewesen sein. Der Klient konnte diese völlig risikolos äußern, denn niemand in der Kanzlei hätte ihn faktisch widerlegen können.
► Bluetooth-Kopfhörer fallen entweder unter die Geräteklasse 2 (Sendeleistung 2,5 mW) oder Geräteklasse 3 (Sendeleistung 1,0 mW). Das sind sehr schwache Sendeleistungen, mit denen sich bestenfalls Reichweiten von 10 Metern bis 30 Metern erzielen lassen. Zum Vergleich: Mobiltelefone senden situationsabhängig mit bis zu 2000-Mal höher Sendeleistung.
► Alle mir bekannten "Elektrosensiblen" führen mindestens einen HF-EMF-Detektor mit sich, mit dem sie messtechnisch das Vorhandensein von HF-EMF jederzeit feststellen können. Mitunter sind derartige Detektoren so klein, dass sie problemlos in eine Hosentasche passen und sich die Anzeige (z.B. LED-Ampel) unauffällig ablesen lässt. Für Fretz' Anekdote sehe ich diese Erklärung als die plausibelste an.

Möglicherweise ist die Anekdote aber auch frei erfunden und RA Fretz ist nicht leichtgläubig, sondern geschäftstüchtig. Indem er für "Elektrosensible" demonstrativ eine Lanze bricht, kann er darauf hoffen, dass Mobilfunkgegner ihm auf lange Sicht weiter die Bude einrennen. Mehr muss er nicht tun, irrationale Ängste gegenüber HF-EMF wecken und schüren andere Zahnräder im Getriebe der schweizerischen Anti-Mobilfunk-Maschinerie.

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