iPhones können implantierte Defibrillatoren abschalten (Technik)

H. Lamarr @, München, Montag, 10.04.2023, 17:47 (vor 598 Tagen)

Eine grottenschlechte Meldung auf merkur.de begeisterte 2017 die Einpeitscher der Anti-Mobilfunk-Szene. Die damalige Botschaft, Apple warne vor seinem iPhone 7, war freilich nichts als heiße Luft. Der angeblich extrem hohe SAR-Wert des Smartphones entstand seinerzeit, weil der Messabstand kurz zuvor gemäß EU-Verordnung von bis zu 25 mm auf 5 mm reduziert werden musste. Eine berechtigte Warnung von Apple, gültig seit dem iPhone 12, lässt Mobilfunkgegner hingegen bis heute kalt.

Implantierbare Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs) haben einen "Magnetmodus", der üblicherweise zum Tragen kommt, unterziehen sich Patienten einer Behandlung, bei der es zu Störungen der Geräte kommen kann. Der Magnetmodus eines Herzschrittmachers wird verwendet, um eine asynchrone Stimulation zu erzwingen und die Kontrolle über ein gesundheitlich unerwünschtes Schrittmacherverhalten zu erlangen. Der Magnetmodus eines ICD deaktiviert die Tachykardie-Erkennung, hat sonst aber im Allgemeinen keinen Einfluss auf die Stimulationsfunktion. Ausgelöst wird der Magnetmodus mit einem einfachen Dauermagneten der Stärke (Flussdichte) von etwa 90 Gauß (9 mT).

Der Magnetmodus kann jedoch auch unabsichtlich durch jedes starke statische Magnetfeld ausgelöst werden. Früher waren Magnete, die stark genug sind, um den Magnetmodus auszulösen, sehr groß und deshalb erkennbar (z.B. Lautsprecher von Stereoanlagen, Elektromotoren in akkubetrieben Werkzeugen). Herzschrittmacher-Patienten waren von diesen Magneten relativ sicher, wenn sie einen gewissen Abstand einhielten, da das statische Magnetfeld mit der Entfernung exponentiell abnimmt. Mit der zunehmenden Verbreitung kleiner Magnete aus Seltenen Erden (z.B. Neodym) ändert sich jedoch das Umfeld. Diese Magnete sind klein genug, um in Kopfhörern, Türschlössern und kleinen Telefonlautsprechern sowie in E-Zigaretten und Smartwatches (und Zubehör) eingesetzt zu werden. Die MagSafe-Funktion in iPhones ab der Serie 12 verwendet beispielsweise einen starken Neodym-Magneten, um das Telefon beim kabellosen (induktiven) Laden richtig auszurichten. Eine Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Heart Rhythm belegte, ein iPhone 12 konnte tatsächlich den Magnetmodus eines ICD der Marke Medtronic auslösen.

Ein Smartphone mit einem starken Magneten ist für Patienten deshalb bedenklich, weil das Telefon sehr nahe an das implantierte Gerät herankommt, wenn es in eine Hemd- oder Jackentasche gesteckt wird. ICDs im Magnetmodus geben keine lebensrettenden Schocks oder Antitachykardie-Stimulationssignale mehr ab, dies kann in seltenen Fällen für Patienten beim Auftreten eines abnormalen Herzrhythmus' gefährlich werden. Die Dokumentation implantierbarer Herzschrittmacher und ICDs enthält daher meist die Warnung, Telefone mindestens 15 Zentimeter von dem implantierten medizinischen Gerät entfernt zu halten. Apple geht noch einen Schritt weiter und empfiehlt mindestens 30 Zentimeter Abstand zu einem iPhone, wenn dieses kabellos geladen wird.

Erfüllen implantierbare Herzschrittmacher und ICDs die Spezifikationen der Iso-Norm 141175, können Patienten sich darauf verlassen, dass der Magnetmodus nicht durch statische Magnetfelder unter 10 Gauß (1 mT) ausgelöst wird.

Quelle: Static magnetic field measurements of smart phones and watches and applicability to triggering magnet modes in implantable pacemakers and implantable cardioverter-defibrillators

Hintergrund
Die SAR-Werte aktueller Apple-Gerätschaft lässt sich hier abfragen, älterer dort.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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