"Elektrosensibilität" in Kalabrien jetzt gesetzlich anerkannt (Elektrosensibilität)
"Elektrosensibilität" ist auch in Italien keine anerkannte Erkrankung. Doch in Kalabrien, das ist die südlichste der 20 Regionen des italienischen Stiefels, ticken die Uhren anders als in Rom. Dort hat eine Regionalrätin im Regionalrat (vergleichbar einem deutschen Landtag) im März 2024 erstmals die soziale Anerkennung von Fibromyalgie und "Elektrosensibilität" gesetzlich durchgesetzt. Zuvor hatte die Nachbarregion Basilikata 2013 "Elektrosensibilität" in die Gruppe der seltenen Krankheiten aufgenommen. Ob der politische Vorstoß Kalabriens in der Praxis Wirkung zeigen und in anderen Regionen Italiens Schule machen wird, bleibt abzuwarten.
Auf der Sitzung des Regionalrats von Kalabrien am 12. März 2024 wurde der Gesetzesentwurf "Bestimmungen zur Anerkennung der sozialen Bedeutung von Fibromyalgie und Elektrosensibilität und zur Einrichtung der entsprechenden regionalen Register" angenommen. "Der Gesetzesentwurf," so Pasqualina Straface, "den ich sowohl als Regionalrätin als auch als Präsidentin der dritten Gesundheitskommission eingebracht habe, ist nun Gesetz geworden. Mit dem heute verabschiedeten Regionalgesetz wird nicht nur die soziale Relevanz der Fibromyalgie anerkannt, sondern zugleich die 'Elektrosensibilität' (EHS), auch bekannt als 'idiopathische Umweltintoleranz im Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern'.
EHS ist klinisch durch ein der Fibromyalgie ähnliches Symptombild gekennzeichnet, ähnlich wie die Fibromyalgie jedoch weder vom staatlichen Gesundheitssystem anerkannt noch in die LEA (Livelli Essenziali di Assistenza; Katalog medizinischer Grundleistungen, auf die jeder in Italien Anspruch hat) aufgenommen worden. Die Anerkennung dieser Pathologien ist daher ein wichtiger Aspekt für all jene Menschen, die tagtäglich unter Fibromyalgie leiden und die in den meisten Fällen auf sich gestellt sind, geschweige denn Zugang zu geeigneten Therapien haben. Um die epidemiologische Inzidenz auf regionaler Ebene zu erfassen, erschien es notwendig, regionale Register für Fibromyalgie und für Elektrosensibilität einzurichten, deren Daten zur Aktualisierung der Leitlinien für die medizinischen Behandlungen und zur Durchführung klinischer und pharmakologischer Studien verwendet werden können.
Die Wartezeit wollten wir als erste mit unserem Gesetzentwurf überbrücken. Dieser zielt darauf ab, bis zur Anerkennung der Fibromyalgie und der Elektrosensibilität auf nationaler Ebene einen Unterstützungsdienst anzubieten, indem wir die Einrichtung multidisziplinärer Ambulanzen für beide Pathologien unter Mitwirkung von Fachleuten fördern. Ein regionales Koordinationszentrum wird in Kalabrien ein Netz von Ambulanzen und einen diagnostisch-therapeutischen Betreuungspfad einrichten, auch um die Standardisierung und den gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen zu gewährleisten."
Die Region Kalabrien hat im Rahmen der Zuteilung von Beiträgen gemäß dem Erlass des Gesundheitsministeriums vom 8. Juli 2022 einen Betrag von 160'034 Euro für die Organisation der therapeutischen und rehabilitativen Versorgung und der diagnostischen Pfade für Fibromyalgie-Patienten erhalten.
Quelle: Consiglio regionale della Calabria approva la Legge sulla fibromialgia
Hintergrund
Rezeption des Gesetzes durch eine italienische EHS-Organisation
Vom kalabrischen Reginalrat verabschiedeter Gesetzestext (italienisch)
Die Kalabresen scheinen ziemliche Dickköpfe zu sein, sind sie von etwas überzeugt, setzen sie ihren Kopf durch. Eine Anekdote aus den Tiefen der Mobilfunkdebatte belegt das: Der Fall Diamante [ergänzt am 23.08.2024].
Kommentar: Begrüßenswert finde ich an dem Vorgang vor allem das angekündigte Register für "elektrosensible" Personen, die sich infolge des neuen Gesetzes in medizinische Behandlung begeben. Denn das wäre mWn weltweit ein Novum und würde es erstmals zulassen, die Prävalenz von "Elektrosensibilität" in einer Bevölkerung statistisch zu erfassen, statt aus Umfragen abzuleiten. Allerdings hat Kalabrien keine große Bevölkerung, wahlberechtigt sind nur rd. 1,89 Mio. Personen. Das bedeutet: Wenn meine Formel zur Berechnung der Anzahl schwer betroffener "Elektrosensibler" stimmt, sollte sich das kalabrische EHS-Register nach ein paar Jahren auf stolze 17 Einträge eingependelt haben. Das bescheidene Budget für die angekündigten Maßnahmen sollte dafür ausreichend sein. Ich bin gespannt ...
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –