Wer berät, muss sich selbst anzweifeln können (Allgemein)

AnKa, Donnerstag, 18.01.2007, 13:48 (vor 6456 Tagen) @ naugi

Jetzt kommen Sie daher und vergleichen wieder Äpfel mit Birnen. Marianne fügt der Volksgesundheit keinen Schaden zu, sie versucht genau das Gegenteil, nämlich Schaden den die Mobilfunkindustrie der Volksgesundheit zufügt, zu mindern und Menschen, die unter Mobilfunk leiden zu beraten, wie sie aus dem Dilemma herauskommen können. Wo soll da ein falscher Ansatz sein?

Ich sagte dazu bereits:

Da wäre es einmal interessant, zu erfahren, wie hier "beraten" wird. Wenn dies zum Beispiel in gesundheitlicher Hinsicht geschieht, indem den ohnehin verunsicherten, wildfremden Menschen per Telefon-Ferndiagnose die Monokausalität "Mobilfunk" eingeredet wird, dann wäre dies bedenklich.

Ich habe die Arbeit von Marianne verfolgt und sie ist gewissenhaft darauf bedacht, daß wenn nötig eine Fachperson zugezogen wird, die mißt und Abhilfe schafft. Aber sie macht sich halt einmal ein Bild von der Sache und vor allem sie kehrt nichts unter den Teppich, was die Verursacher dieser Beschädigungen der Volksgesundheit leidenschaftlich gerne tun.

Es fragt sich halt, auf welcher Wissens- bzw. Ausbildungsgrundlage sie das tut. Selbst in der Telefonseelsorge werden Menschen, die anderen seelisch, psychisch, nicht selten auch körperlich gehandicappten Menschen da am Telefonhörer gegenübertreten dürfen, vorher geschult und auch während ihrer Zeit in diesem Engagement kontinuierlich weitergebildet.

Es gibt dort übrigens auch eine "Supervision". Das sind Zusammenkünfte, bei denen die Engagierten immer wieder ihren eigenen, persönlichen Anteil betrachten, den sie ansonsten ihren telefonischen Gegenübern bewusst und unbewusst überbraten könnten.

Es gibt also auf dem großen Feld der "Beratung" Sicherheitsbarrieren und Qualitätsstandards, die man bei jeder verantwortungsvollen Beratungsorganisation abfragen sollte. Und die auch kontrolliert werden sollten, meiner Meinung nach.

Nach dem, was Teilnehmerin Marianne hier so von sich gibt, kann man in keiner Weise von einer (selbst-) kritischen Bestandsaufnahme ihres Einstellungsuniversums ausgehen. Dazu würde nämlich gehören, daß sie ihre angemaßte Rolle und letztlich auch das in pausen- und atemlosem Eifer hinausposaunte Dogma vom Mobilfunk als der Ursache aller möglicher Übel einmal grundsätzlich in Frage stellte.

Schon aus der ausgiebig erfolgten Darstellung ihrer im eigenen Haus angeblich stattfindenen Fälle ergeben sich viele Fragen. Zwei Personen mit unterschiedlicher genetischer Veranlagung leiden gemeinsam unter einem Funkmasten, wie er wohl x-tausendfach in ganz Deutschland herumsteht, auf Haus- und Feuerwehrheimsdächern, in Städten wahrscheinlich gar in dichterem Raster. Ganze Städte müssten sich also in Qualen winden, wenn Mariannes und Nonis Behauptungen vom Zusammenhang ihrer Erkrankungen mit "ihrem" Funkmasten wirklich begründet wären.

Die Annahme, daß sich hier zwei Menschen in ein fragwürdiges Erklärungssystem für erst noch zu analysierende menschliche Probleme verstrickt haben könnten, ist da nicht von der Hand zu weisen. Der Mechanismus, wie sich aus so demonstriertem Eifer bis hin zur thematischen Besessenheit, wie sich also aus einer ursprünglich psychisch erklärbaren Problematik die ersten physischen Leiden und handfeste Krankheiten entwickeln können, ist an anderer Stelle beschrieben worden. Das Stichwort "Psychosomatik" sei hierzu erwähnt.

Der Vorteil für die Leidenden und "Leidenden", die sich solcher Erklärungsmuster für ihre alltäglichen Übel bedienen, liegt auf der Hand. Die wahren Ursachen der persönlichen Probleme, die zu bearbeiten einige Mühe machen könnte und z.B. unangenehme Selbstreflexion etwa in der Beziehung, in Ehe- und Erziehungsberatungen mit sich bringt, können auf diese Weise für eine Zeitlang aus dem Blickfeld gedrängt werden. Hilfreich für die Aufrechterhaltung der Verdrängung ist darüber hinaus, andere "Mitleidende" zu rekrutieren. Diese bestätigen dann wieder das eigene Weltbild. Man schwört sich gewissermaßen gemeinsam ein. Tragischerweise macht es auf Dauer krank, so zu leben. Auch ohne Funkmast.

Und nun berät jemand, der sich so die Wirklichkeit zurecht gerückt hat, andere Leute, die womöglich gar noch schlimmere Probleme haben. Und will darüber hinaus, unter Verwendung eines extremistischen, weil für irgendwelche Gegenargumente gar nicht mehr erreichbaren Jargons, auch noch eine Partei gründen.

Da muss es einen dann schon gruseln.

Für die Leute, die das Debakel der gesetzlichen Grenzwerte angestellt haben, könnte das Selbe gelten. Ohne Sinn und Verstand und vor allem ohne Verständnis für die Bedürfnisse eines lebendes Individuums haben sie sich in die Häuser der Menschen geschlichen und verursachen dort Hausfriedensbruch, Körperverletzung und Verletzungen des Menschenrechts.

Die "gesetzlichen Grenzwerte" und die Istwerte sind zwei Paar Schuhe, das sollten Sie wissen. Zahlreiche Meßreihen in den Bundesländern vor Ort haben für die allermeisten Standorte solche Ist-Werte gefunden, die sich in der Größenordnung des früheren Salzburger Grenzwertes von 1 mW/m2 befinden. Manchmal geht es auf 10, selten bis auf 100 hinauf, in den allermeisten Fällen liegen die Ist-Werte weit unter 1mW/m2. Für Panikmache und auch für die Verwendung extremistischen Vokabulars, das in einer Diskussion eigentlich nichts zu suchen hat, bietet die Ist-Situation keinen Anlaß.


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