Die Echokammer schlägt zurück: Fragen an Martin Röösli (Elektrosensibilität)
Die Mobilfunkkritiker John W. Frank, Ronald L. Melnick und Joel M. Moskowitz sind von der EHS-Review der Arbeitsgruppe Röösli nicht begeistert. Im Webportal der Zeitschrift Reviews on Environmental Health veröffentlichten sie am 15. Juli 2024 unter dem Titel "A critical appraisal of the WHO 2024 systematic review of the effects of RF-EMF exposure on tinnitus, migraine/headache, and non-specific symptoms" einen ausführlichen Kommentar (Volltext).
Das Kritikertrio fährt mit der Forderung nach Retraktion der EHS-Review (Beobachtungsstudien) schweres Geschütz auf. Was sagt Martin Röösli, Korrespondenzautor der EHS-Review zu den Vorwürfen und der Forderung? Wir haben ihn gefragt. Seine Antworten geben wir in indirekter Rede wieder, damit sich neuer Streit nicht an Formulierungen entzünden kann:
IZgMF: Hat David O. Carpenter, Chefredakteur von "Reviews on Environmental Health", wegen der Retraktionsforderung von Frank, Melnick und Moskowitz Kontakt zu Ihnen aufgenommen?
Röösli antwortete mit Nein und schrieb, er gehe davon aus, Carpenter werde sich auch weiterhin heraushalten. Der Schweizer Epidemiologe sieht in der Retraktionsforderung nur etwas für die Galerie. Denn meinten seine Kritiker es wirklich ernst mit der Retraktion, müssten sie sich schon an die Chefetage von "Environment International" wenden, – das ist das Blatt, in dem die angegriffene EHS-Review erschien –, was sie aber anscheinend bislang nicht gemacht hätten.
Die Arbeitsgruppe Röösli wird die Anwürfe des Kritikertrios doch bestimmt mit einer Replik beantworten, oder?
Das sei noch nicht entschieden, meinte Röösli, er wolle sich in der Angelegenheit mit der WHO absprechen. Er verspüre allerdings wenig Lust, zum Publikationsbusiness von "Reviews on Environmental Health" beizutragen. Denn dort koste es Geld, wollte seine Arbeitsgruppe ihre Meinung zu den Vorwürfen öffentlich machen. Für eine Erwiderung sehe er keine zwingenden Gründe, denn die Kritik an der EHS-Review habe wenig Substanz und entspräche nicht dem wissenschaftlich anerkannten Vorgehen, um Kritik zu äußern. Er habe nicht den Eindruck, das Trio strebe echten wissenschaftlichen Austausch an. Vielmehr gehe es aus seiner Sicht nur darum, demonstrativ zu zeigen, dass man Kritik üben könne. Dies töne gut, ließe sich in Schriften von Mobilfunkkritikern vielfältig zitieren und helfe möglicherweise beim Loseisen von Spenden. Zweifel säen sei das Motto, so wie es Industrielobbyisten vorgemacht haben. Röösli erwartet von einer anständigen Kritik an der EHS-Review, dass diese als Leserbrief an "Environment International" geschickt wird, denn dies gäbe ihm und seiner Arbeitsgruppe die Möglichkeit zu einer Antwort. So eine regelkonforme Kritik gäbe es bereits an der zweiten EHS-Review (Experimentelle Studien am Menschen) bei der Xavier Bosch-Capblanch Korrespondenzautor ist. Die Kritik werde noch im August 2024 publiziert und die Replik der Arbeitsgruppe Bosch-Capblanch sei auch gleich mit dabei.
Die drei Kritiker werfen Ihnen vor, Ihre Beziehungen zur industrienahen Schweizer "Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation" (FSM) seien viel enger als Sie in der EHS-Review einräumen. Bringt Sie das in Bedrängnis?
Röösli sieht sich nicht in Bedrängnis. Er sei von 2011 bis 2018 unbezahltes Mitglied im Stiftungsrat der FSM gewesen und habe pro Jahr an einer Sitzung des Rates teilgenommen. Damit sei die FSM ganz sicher nicht seine Home Institution. Er habe sich stets als unabhängiger Kontrolleur im Stiftungsrat verstanden, damit das Geld der Industrie nicht zum Weißwaschen verwendet werde. Gegen die Darstellung der Kritiker habe er am 19. Juli Beschwerde bei "Reviews on Environmental Health" eingelegt, seither warte er auf Antwort.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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