Der Große Oberammergauer Marsch in den Wald (Allgemein)
Offensichtlich soll "Oberammergau" den nächsten Schlager abgeben in der nimmerendenwollenden Kette mobilfunkerner Ungeheuerlichkeiten:
Von Werner Funk, Oberammergau, an
Herrn Dr. med. Volker Juds im Gesundheitsamt Garmisch-Partenkirchen Partnachstr. 26 82467 Garmisch-Partenkirchen
Die Intention und die dahinterstehende Grundeinstellung dieses selbstverständlich als "Offener Brief" geführten Schreibens an das Gesundheitsamt wird deutlich, wenn man dieses auf einige Kernaussagen herunterdekliniert, die da lauten:
"Die Betroffenen sind bereits in ihrer Gesundheit so massiv geschädigt, dass eine Heilung im medizinischen Sinne kaum mehr erfolgen kann"
Dies ist eine aus der Luft gegriffene Behauptung, die zunächst einmal bewiesen werden sollte.
Haben plötzlich alle Oberammergauer Krebs bekommen, oder was ist konkret passiert? Bis dato lassen sich zunächst einmal alle Zutaten einer typischen Massenhysterie konstatieren. Es ist nicht selten, sondern sogar typisch, dass sich HysterikerInnen krank fühlen können und überdies andere für diesen ihren Zustand bezichtigen.
"Elektrosensibilität ist eine irreversible Umwelterkrankung, die jeden treffen kann."
"Elektrosensibilität" ist kein belastbarer Begriff. Mancher meint, er fühle elektromagnetische Einflüsse. Mancher wiederum meint gar, er werde aufgrund seiner "Elektrosensibilität" krank. Bewiesen ist nichts. Eine Befindlichkeitsstörung namens "Elektrosensibilität" etwa, die als Konsequenz es so manchem erlauben würde, sich unter Berufung auf diese frühverrenten zu lassen, kann nicht zweifelsfrei diagnostiziert werden. Das machen noch nicht mal deutsche Ärzte, die an Mobilfunktagungen teilnehmen, mit.
Ebenso kann man die Bezeichnung "Umwelterkrankung" als wolkige Begrifflichkeit mit nur wenig Aussagekraft klassifizieren. Dieses Wort dient im gegebenen Zusammenhang der Stimmungsmache. Gerne werden z.B. Allergien populär als "Umwelterkankung" bezeichnet, was zwar bei den unbedarften Zuhörern ein "Aha!"-Erlebnis auslöst (nebst dem unbestimmten Gefühl, dass "Umwelt" ja überhaupt etwas Feindliches, Menschenunfreundliches darstellt), was aber die Untersuchung der oft komplizierten Ursache(n)-Wirkungs-Beziehung dennoch nicht erspart.
"Die diesbezügliche Pressemitteilung des LfU ist längst widerlegt, denn zwischenzeitlich durchgeführte Messungen von mehreren unabhängigen Sachverständigen aus dem In- und Ausland haben eindeutig ergeben, dass die biologisch-relevante niederfrequente Modulation tatsächlich von den Mobilfunksendeanlagen abgestrahlt wird."
Hier steht noch der wissenschaftlich belastbare Nachweis für die behauptete biologische Relevanz der niederfrequenten Modulation, und deren Konsequenz für den menschlichen Organismus aus. Solange die nicht dargestellt ist, kann von irgendeiner "Eindeutigkeit" überhaupt keine Rede sein.
"Bei der Frage der gesundheitlichen Gefahren durch Mobilfunk handelt es sich nicht um einen Wissenschaftsstreit, sondern um einen Gegensatz zwischen wirtschaftlichen Interessen einer Industriebranche (Mobilfunkbetreiber) und gesundheitlichen Interessen der Bevölkerung (erkrankte Anwohner von Mobilfunksendeanlagen)."
Das wäre ja noch schöner.
Natürlich ist die Auseinandersetzung um angebliche gesundheitliche Gefahren durch Mobilfunk zuallererst eine Frage, die aus medizinischer Sicht und unter Zuhilfenahme physikalischer Aspekte betrachtet werden muss.
Indem nun ein Eiferer sich aus diesem Prozess des Erkenntnisgewinns einen "Gegensatz zwischen wirtschaftlichen Interessen einer Industriebranche ... und gesundheitlichen Interessen der Bevölkerung" zusammenphantasiert, praktiziert er einen kleinen Schritt zurück in Richtung Mittelalter. Damals unterlag zum Beispiel die Beurteilung von Geisteskrankheiten der Einschätzung der Kurie - es wurde mitunter "Besessenheit" konstatiert, wo eigentlich Hilfe und Zuwendung angeraten gewesen wären.
Geht es nun nach dem Willen eines zeitgenössischen Eiferers, dann soll es den Einschätzungen einer Glaubensgemeinschaft sogenannter "Elektrosensibler" überlassen sein, was in welcher Weise gesundheitliche Gefahren auszulösen hat und was nicht.
Das kann niemandes Ernst sein. Wir haben zum Glück, Gottseidank, die voraufklärerischen Zeiten für immer hinter uns gelassen.
Aus Sicht der Betroffenen ist der Straftatbestand "Unterlassene Hilfeleistung" gegeben.
Nun wird der moralistische Drohton angeschlagen. Die Frage, inwieweit sich da einer überhaupt anmaßen kann, für die "Betroffenen" zu sprechen, wagt man da kaum noch zu stellen.
Die Geschädigten sehen sich daher gezwungen, entsprechend zu handeln, um weitere Schäden von Leib und Leben abzuwenden.
Man kann nur hoffen, dass es beim Großen Oberammergauer Marsch in den Wald bleibt, und dass nicht darüber hinaus noch irgendwelche weitere, ernstere "Handlungen" ins Auge gefasst sind. Vielleicht sollte man all den eigensüchtigen Oberammergauer Bürgern, die das Schlafen im gemütlichen Bett dem Campieren im Wald vorziehen (gibt's da eigentlich Fotos?), raten, nachts die Fenster zu schließen und die Autos in die Garage zu fahren. Man weiss ja nie.
Fazit: Ein anmaßendes Schreiben, über weite Strecken im autoritären Ton verfasst, durchdrungen von einer offensichtlich virulenten Verfolgungsphantasie. Wenn der wirre Spuk in einigen Wochen vorbei ist, werden sich wohl einige der Oberammergauer "Betroffenen" gar schämen für ihr Verhalten. Oder goa rein goa nix mea d'vo wiss'n wuin.
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