Kurzbericht von der Veranstaltung (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 29.11.2005, 18:52 (vor 6880 Tagen) @ H. Lamarr

Kurzbericht von der Podiumsdiskussion auf dem Tollwood-Winterfestival 2005

Die Veranstaltung (Beginn 20:00) im Theaterzelt des Tollwood-Festivals war mit geschätzt 400 Teilnehmern erstaunlich gut besucht, wobei mit Sicherheit 95 % der Kritikerseite zugerechnet werden können. Bekannte Gesichter aus der Münchener Betreiberszene waren zwar nicht zu sehen, dafür aber ein Beobachter, der für FGF und BMWA arbeitet.

Zur Einstimmung in die Podiumsdiskussion lasen die Autoren des Buches "Mobilfunk - Ein Freilandversuch am Menschen?" ausgewählte Passagen vor, die auch Unvoreingenommene zur Nachdenklichkeit anregen konnten.

Punktsieg für die Kritiker
In der gut moderierten Podiumsdiskussion zeigte sich dann wieder einmal die schier unüberbrückbare Kluft zwischen den Pro & Kontra-Parteien. Wie üblich waren die Kritiker offensiv, die Gegenseite (Netzbetreiber, SSK, ICNIRP) um Erklärungen bemüht. Aus meiner Sicht ging die Diskussion mit leichten Vorteilen für die Kritiker zu Ende und ich kann mir vorstellen, dass die Zuhörer zwar alle ein Stückchen schlauer wurden, jedoch keiner der Anwesenden nach der Veranstaltung einen anderen Standpunkt hatte als zuvor.

Elektrosensibilitätstest vor Betreiberaugen
Lebrecht von Klitzing führte aus, dass es ihm möglich sei, den 100-prozentigen Nachweis für Elektrosensibilität an Menschen führen zu können. Er lud den Vertreter von O2 (Dr. Frank Schönborn) demonstrativ dazu ein, sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, was dieser zusagte. Auch Dr. Scheingraber erwartet den zugesagten Besuch von Dr. Schönborn. Thema: Die EMF-Forschung leidet nach Scheingraber an gravierenden Fehlern, etwa daran, dass im Labor nie die komplexen Feldsituationen der realen Welt nachgebildet werden, sondern nur simple Befeldungen mit einer Strahlungsquelle stattfinden. Übrigens: Gäbe es einen Preis für Schnellredner, Dr. Scheingraber hätte ihn, er redet derart hektisch, dass er oft schon fertig ist bevor er aus Sicht der verdutzten Zuhörer überhaupt angefangen hat. Dr. Jürgen Seitz wiederum attakierte Prof. Bernhardt in aller Ruhe mit dessen umstrittenen Aussagen aus der Vergangenheit.

Keiner scheute sich, dem Vollast-Bestrahlungstest zuzustimmen
Prof. Bernhardt und der SSK-Vertreter Prof. Kiefer hatten keinen leichten Stand und das stellenweise ziemlich aufgebrachte Publikum genauso gegen sich wie der O2-Mann. Sich dem feindlich gesinnten Plenum freiwillig auszusetzen verdient trotz aller Gegensätze Respekt. Bernhardt ist vergangenes Jahr bei der ICNIRP ausgeschieden und jetzt allein als Berater tätig. Handys benutze er nur höchst selten ( "... eigentlich nur im Notfall. Meine Rechnung bewegt sich zwischen 5 Euro und 10 Euro ..." ). Auch Kiefer meinte, seine privaten Handygespräche würden keinen Betreiber reich machen, beruflich würde er sie, weil viel mit der Bahn unterwegs, dagegen häufiger nutzen. Er ist kein Freund von Handys, nicht wegen der Strahlung, die fürchtet er nicht, sondern wegen des oft störenden Gebimmels an allen Ecken und Enden. Auf die Frage einer Zuhörerein erklärten alle drei Pro-Mobilfunk-Vertreter, sie würden sich, oder, so vorhanden, ihre Kinder/Enkelkinder, bedenkenlos für 1 Jahr einem elektromagnetischen Feld mit der Stärke der geltenden Grenzwerte aussetzen. Bernhardt wies dabei darauf hin, dass dann Radio- und TV-Sender mit einbezogen sein müssten (nicht allein Mobilfunk), Schönborn machte darauf aufmerksam, er lebe mit Familie in 80 m Abstand zu einer Basisstation.

Salzburger Vorsorgewert sei Schwindelwert gewesen
Am einfachsten hatte es noch der Podiums-Vertreter der Stadt München: Umweltreferent Joachim Lorenz lobte das Münchener-Vorsorgemodell und brandmarkte den (alten) Salzburger Vorsorgewert als Schwindel: Der wäre automatisch deshalb zustande gekommen, weil Salzburg in Kessellage liegend, damals allein von den umliegenden Hügeln aus versorgt worden sei, Sender im Stadtgebiet habe es anfangs überhaupt nicht gegeben ...

Nach der Podiumsdiskussion waren die drei Referenten der Kritikerseite und der Betreibervertreter in Diskussionen verwickelt, denen um Mittenacht der Ordnungsdienst ein Ende setze.

Selbstbetroffenheit als Auslöser für die Veranstaltung
Dass auf einem großen Jahrmarkt wie dem Tollwood-Winterfestival überhaupt gleich drei Mobilfunk-Informationsveranstaltungen neben Rock, Pop und Kunst einen prominenten Platz gefunden haben, ist übrigens der Initiatorin des Tollwood-Festivals zu verdanken: Sie ist selbst eine Betroffene und daher am Thema sehr interessiert.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
ICNIRP, SSK, Tollwood, Kiefer, Bernhard


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