Safer-Phone-Initiative: Wer soll das alles bezahlen? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 08.08.2021, 18:02 (vor 1057 Tagen) @ e=mc2

Paradox ist, dass sich das Initiativkomitee von einer solchen Regelung weniger Strahlung erhofft – tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Bei schwachem Netzempfang müssen Smartphones und andere Mobilgeräte viel stärker senden.

Das ist aber nicht korrekt von Chance 5G. Für die Sendeleistung eines Mobiltelefons ist nicht die Stärke des Antennensignals ausschlaggebend, sondern die Funkdistanz zur Antenne, also wie weit muss das Mobiltelefon senden unter Berücksichtigung von Hindernissen.

Vielleicht hat Chance5G ja folgende theoretische Überlegung im Kopf gehabt: Wenn die Netzbetreiber die Sendeleistung ihrer Funkmasten gezwungenermaßen reduzieren müssen, schrumpfen sämtliche Funkzellen auf kleinere Abmessungen. Solange keine Netzverdichtung stattfindet, öffnen sich dadurch zwischen den Funkzellen viele Funklöcher, weil dann die Masten eben (noch) zu weit auseinander stehen. Nach der Sendeleistungsreduktion sind die einst vorbildlichen Schweizer Funknetze löchrig wie ein Schweizer Käse. Wer nun das Pech hat, in so einem neuen Funkloch zu leben, wird mit seinem Smartphone keine Verbindung mehr zum nächstgelegenen Funkmasten aufbauen können. Das Smartphone schafft zwar weiterhin die Signalisierung zum Funkmasten, der aber sendet jetzt zu schwach, dass eine Verbindung zum Smartphone zustande kommt. Der Mast sieht das Mobiltelefon, dieses aber sieht den Mast nicht mehr. Na gut, dann eben nicht, denkt sich das Smartphone und schaltet auf Netzsuche. Bei GSM selig tat es dies sofort mit maximaler Sendeleistung, bei jüngeren Mobilfunknetzen meine ich, hangelt sich das Telefon schrittweise hoch. Egal, da der Funkmast die Kontaktversuche sowieso nicht beantworten kann, bleibt das Mobiltelefon in der Netzsuche hängen bis der Akku leer ist. Gilt freilich nur, wenn sich der Nutzer nicht vom Fleck bewegt. Und selbst wenn er es tut, ist es bei Funkloch-Hopping lästig, wenn die Verbindung häufig ausfällt.

Mein konstruiertes Beispiel wirft eine politische Frage auf: Als die Schweizer Netzbetreiber im Februar 2019 ihre 5G-Lizenzen ersteigerten, war von einer Sendeleistungsreduktion keine Rede. Die Volksinitiative würde sie jetzt nachträglich mit Milliardeninvestitionen in die Netzinfrastruktur belasten (laut Bafu-Bericht rd. 10 Mrd. für Hardware und Betriebskosten in fünf Jahren). Das werden sich die Netzbetreiber sehr wahrscheinlich nicht gefallen lassen, sie werden gegen eine Zwangsverdichtung klagen. Mutmaßlich mit guten Erfolgsaussichten. Mit dem Ergebnis: Wenn das Volk der Safer-Phone-Initiative folgt und diese annimmt, wird das Volk, respektive der Staat, wohl auch für die dann fällige Netzverdichtung aufkommen müssen. Das wäre sozial auch gerecht. Die Alternative wären Schweizer-Käse-Netze, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass unter den neuen Bedingungen die Schweizer Netzbetreiber zur Netzverdichtung auf eigene Kosten verdonnert werden können.

Mir ist auch völlig rätselhaft, wie der von Mobilfunkgegnern systematisch über Jahrzehnte aufgehetzten Bevölkerung der Schweiz plötzlich verkauft werden soll, dass wegen der Volksinitiative im Zug der Netzverdichtung nun 26'000 zusätzliche aber "harmlose" Mobilfunkstandorte errichtet werden müssen. Wer über das Risiko Mobilfunk so durchdringend desinformiert wurde wie das Schweizervolk, der wird sich nicht so schnell umprogrammieren lassen und weiter mit Einsprachen den Netzausbau erheblich behindern. Oder können Sie sich vorstellen, dass Gigaherz-Jakob im Erfolgsfall der Volksinitiative plötzlich anfängt, mit Engelszungen die kampflose Annahme von Baugesuchen zu predigen? Eher geht die Welt unter!

Irgendwie kriege ich das Gefühl nicht los: Die Safer-Phone-Initiative verfolgt das Ziel von Fanatikern, das Schweizervolk über den Tisch zu ziehen, um das Land ins Chaos zu bugsieren :lookaround:.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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