Dominique Belpomme: WHO hat "Elektrosensibilität" anerkannt (Elektrosensibilität)
Da schau her, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat "Elektrosensibilität" als Behinderung anerkannt. Das zumindest behauptet der umstrittene französische "Elektrosensiblen"-Gutachter Dominique Belpomme gleich im ersten Satz seiner 2018 publizierten Studie "Oxidative stress in electrohypersensitivity self‑reporting patients: Results of a prospective in vivo investigation with comprehensive molecular analysis" (Volltext):
Electrohypersensitivity (EHS) is a new World Health Organization (WHO)-acknowledged disabling condition occurring in EHS self-reporting patients (1).
Elektrohypersensibilität (EHS) ist eine neue, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannte Behinderung bei Patienten, die ihre Beschwerden selbst auf EHS zurückführen (1).
Ist diese Formulierung schon irreführend, denn die WHO hat EHS keineswegs "anerkannt", setzt Belpomme mit dem Beleg (1) für seine Behauptung noch einen drauf. Denn der Beleg ist das WHO-Fact-Sheet 296 von 2005, das nach seiner Herausgabe bei "Elektrosensiblen" und deren selbsternannten Interessenverfechtern gar nicht gut ankam. Elisabeth Buchs, Gigaherz, z.B. sah in dem Papier einen "perfiden Versuch des WHO-EMF-Projekts unter der Leitung von Mike Repacholi, den Zusammenhang zwischen Elektrosensibilität und EMF abzuleugnen". Im GHz-Forum führt die Suche nach "sheet 296" gegenwärtig zu 258 Treffern, die häufig Gift und Galle verspritzen. Gigaherz-Chefpolterer Jakob empörte sich hingegen über eine Marginalie, nämlich darüber, dass "Elektrosensible" in dem Papier nicht als Menschen gesehen, sondern als "Individuen" bezeichnet werden. Auf die Idee, seine hauseigene Gelegenheitsübersetzerin hätte "individuals" vielleicht besser mit "Betroffene" übersetzen können, wie dies (später) die qualifizierten Übersetzer der WHO taten, kam er nicht.
Die schäumende Wut, die das Fact Sheet bei "Elektrosensiblen" entfachte, muss an Belpomme spurlos vorüber gegangen sein, er verliert über das Papier kein schlechtes Wort. Nur die 2004 ersonnene wissenschaftlich spröde Bezeichnung für EHS "idiopathic environmental intolerance (IEI) attributed to electromagnetic fields (IEI-EMF)" gefällt ihm, – zurecht, nicht so gut. Deshalb schlägt er als prägnanteren Begriff vor, EHS künftig "electromagnetic field intolerance syndrome (EMFIS)" zu nennen. Für mich klingt diese Alternative, weil IS hierzulande mit "islamischer Staat" assoziiert ist, allerdings unheilschwanger nach EMF-Terroristen. Weil Belpomme sich mit seinem Umbenennungsvorschlag ohnehin nicht durchsetzen wird, muss das Thema glücklicherweise nicht weiter erörtert werden.
Hintergrund
Berenis vs. Belpomme: Keine Biomarker für Elektrosensibilität
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –