Relotius reloaded: Diagnose-Funk feiert sich selbst (Medien)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 30.01.2019, 16:50 (vor 1978 Tagen) @ H. Lamarr

Die Hoffnung auf einen erhellenden investigativ recherchierten Artikel verpufft nach den ersten Absätzen, aus meiner Sicht handelt es sich bei dem Werk um eine unerträglich tendenziöse Kolportage von selektiv ausgewähltem älterem Material, das sich die neun zum Teil aus diversen europäischen Medien zusammengegoogelt haben. Unklar ist mir das Motiv. Unklar ist mir, warum der Tagesspiegel etwas plump Angstschürendes bringt, was leicht auch der Feder von Wolfgang Maes himself hätte entspringen können.

Diagnose-Funk, als Verbraucherschutzverein getarntes Sprachrohr für Profiteure der Angst vor Elektrosmog, hat eine ganz andere Einschätzung. Der Verein feiert den Artikel von "Investigate Europe" auf seiner Website und sieht sich "durch diese Recherche in der Arbeit bestätigt" (Auszug):

Diese Recherche von Schumann/Simantke hat Hand und Fuß. Enorm, wie treffsicher die Autoren die aktuell entscheidenden Punkte der für viele unübersichtlichen Studienlage darstellen und das weltweite Lobby-System, diese zu verschleiern. Der Artikel berichtet von Protestbewegungen gegen die Einführung von 5G in europäischen Ländern und über Schutzregelungen zu elektromagnetischen Feldern, die von der Stadtverwaltung Krakau umgesetzt werden. Dieser Artikel muss große Verbreitung finden. Er hat auch deswegen große Bedeutung, weil er von renommierten Journalisten in einem bundesweiten Leitmedium erscheint.

Kommentar: Meine Meinung über Diagnose-Funk und die Qualifikation der Diagnose-Funker dürfte hinlänglich bekannt sein, ich darf mich also kurz fassen. Wie armselig muss es in der Munitionskammer des Vereins aussehen, wenn er Journalisten braucht, um sich bestätigt zu sehen. Doch vor lauter Begeisterung entgeht den Diagnose-Funkern, sie sitzen nur einer selbsterfüllenden Prophezeiung auf! Denn der Stuss, den die "renommierten Journalisten" von Investigate Europe mit Hilfe von Tante Google im Netz recherchiert und in einen Artikel gepresst haben, ist derselbe, der zuvor von Diagnose-Funk und Konsorten mit großem Fleiß und schön verpackt im Netz abgeladen wurde, eben damit Laien oder Journalisten, sofern ausgestattet mit einer Augenklappe, diesen dort mühelos finden. Ergo kann Diagnose-Funk gar nicht anders, sie müssen feiern, ob sie wollen oder nicht.

Für "Investigate Europe" ist der Beistand durch den Verein die Höchststrafe, die Journalisten widerfahren kann: Rauschender Beifall von einem Lobby-Verein wie Diagnose-Funk ist ein untrügliches Zeichen, dass bei der Recherche etwas grundlegend schief gelaufen sein muss. So gesehen ist auch die abweisende Reaktion des IZgMF von Anfang an programmiert gewesen, alles andere als überraschend und nicht bedeutsamer, als der Beifall der Diagnose-Funker. Entscheidend ist, was Unvoreingenommene zu dem Artikel sagen. Dass "Investigate Europe" von dieser Seite irgendeine Anerkennung für den Artikel bekommen hätte wäre mir neu, die Prügel durch einen Salonkolumnisten hingegen ist bekannt. Und das Ausbleiben von medialen "MeToo-Trittbrettfahrern" ist ein Indiz dafür, dass der Artikel von der Gilde der Journalisten mit Misstrauen beäugt und für eine Zweitverwertung als zu tendenziös abgelehnt wird.

Einen Beleg für eine gute Portion Einfalt beim Bodenpersonal der Anti-Mobilfunk-Szene kann man nach alledem in folgendem Werbeeintrag auf der Facebook-Seite des Films "Thank You for Calling" erkennen:

Ein Durchbruch!!! Schaut euch das mal an:
https://www.diagnose-funk.org/publikat…/…/detail&newsid=1335
In großer Freude
Euer TY4C Team

Dieser Eintrag war es, der mich überhaupt erst auf die Selbstbelobigung von und durch Diagnose-Funk aufmerksam gemacht hat. Witzigerweise sah Filmemacher Klaus Scheidsteger schon einmal einen "Durchbruch", wo andere nur eine hohle Nuss sahen, die übrigens bis heute nicht gefüllt wurde :-).

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Lobbyarbeit, Journalisten, Trittbrettfahrer, Kommerz, Scheidsteger, Verbraucherschutzverein, Beifall


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