Die Freiheit, eine Meinung verantwortungslos zu vertreten (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 28.08.2010, 13:30 (vor 5057 Tagen) @ Eva Weber

MS ist eigentlich eine relativ seltene Erkrankung und hier drei Fälle und weitere Krebsfälle. Ich denke nicht, dass man da noch von emotionaler Zuordnung sprechen kann! Man wird es aber m.E., wie auch bei Mobilfunk, stets dem Zufall zuordnen.

Liebe Frau Weber,

ich freue mich, dass Sie nicht denken! Nein, das ist natürlich nur ein Späßli, tatsächlich freue ich mich, dass Sie Ihre persönliche Meinung nicht als Tatsachenbehauptung in die Welt entlassen. Dies sehe ich als substanziellen Fortschritt gegenüber früher. Kommen wir also zu Phase II.

In Phase II stellt sich die Frage, frei nach Dieter Nuhr, ob man in einer Demokratie eine Meinung haben muss oder haben darf. Ich will drauf raus, dass es kompetente Meinungen gibt und inkompetente, dass Meinungen von Experten i. a. mehr Gewicht haben als Meinungen von Laien. Darüber brauchen wir wohl nicht streiten.

Wenn nun also eine Frau, die 33 Jahre lang in der Flugsicherung von München ihren Dienst abgeleistet hat, der Meinung ist, dass die MS-Fälle unter der Hochspannungsleitung in Lohfelden verdächtig sind, dann wird diese Frau bei Mastengegnern (diesmal: Hochspannung) auf breite Zustimmung stoßen. Was aber qualifiziert diese Frau, die übrigens an anderer Stelle die Tatsachenbehauptung verbreitet, beim BfS gäbe es in verschiedenen Frequenzbereichen nicht einmal Basiswissen, eigentlich zu so einer Meinung? Ist sie eine Art Superkritikerin, die das Gras wachsen hört wenn andere noch drauf Fußball spielen? Nein, aus meiner Sicht ist es nur eine große Portion Selbstüberschätzung, getragen von dem Drang, andere noch immer in die vermeintlich richtigen Bahnen zu lotsen, egal ob die wollen oder nicht.

Was aber sagen nun Experten zum MS-Risiko unter Hochspannung? Leider liest unsere liebe Flugsicherungsexpertin nicht genug seriöse Informationen, die z.B. auch in diesem Strang schon zu Anfang verlinkt sind. Denn sonst wüsste sie, dass die Wissenschaftler der Uni Bern sich nicht allein fürs Alarm schlagen beim Alzheimer-Risiko eignen. Dieselben Wissenschaftler sagen nämlich, dass der Zusammenhang mit Hochspannungsleitung in Bezug auf andere Krankheiten wie Multiple Sklerose, Parkinson und amyotrophe Lateralsklerose nicht gilt. Zu blöd, dass sich den Bernern jetzt nicht schnell was zum Unwirksammachen ans Zeug flicken lässt, irgendein BEMS-Verschwörungskäse aus "wuff"s Mottenkiste, denn dann würde ja auch der willkommene Alzheimer-Aspekt in Schutt und Asche sinken.

Und so steht sie nun ziemlich verlassen da, die Meinung unserer Flugsicherungsexpertin zu MS infolge Hochspannung, gottseidank als Meinung deklariert und gottseidank nur hier in diesem kleinen unbedeutendem Forum und nicht in einer überregionalen Tageszeitung. Phase II endet also mit der Frage nach der Verantwortung. Ist es legitim, seine persönliche Meinung über ein "Risiko" in allen möglichen modernen Nachrichtenkanälen zu verbreiten? Ich meine ja. Aber: Ist es auch dann noch legitim, wenn eine "erdrückende Beweislast" nicht für, sondern gegen das Risiko spricht, die davon unberührt weiter verbreitete Meinung aber dennoch Gefahren suggeriert? Ich meine, da hört die Meinungsfreiheit auf und fängt die Verantwortungslosigkeit an.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Alzheimer, Meinung, Verantwortungslos, Selbstüberschätzung, Demokratie, Inkompetent, Parkinson, Hochspannungsleitung, Mottenkiste


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