Merkwürdigkeiten (II) (Forschung)

H. Lamarr @, München, Samstag, 29.11.2008, 23:59 (vor 5694 Tagen) @ dlsasv

Die Arbeitsgruppe um Prof. Speit, Uni Ulm, konnte trotz sauberer Arbeit die Ergebnisse (HF) der Reflex-Studie nicht bestätigen, weil sie wegen eines Kommunikationsfehlers mit Continuous-Wave-Signalen (CW) gearbeitet hätte. Prof. Rüdiger, Uni Wien, hätte DNS-Schäden jedoch nicht bei CW-, sondern bei GSM-Signalen beobachtet. Bei CW-Signalen habe auch Rüdiger keine Effekte beobachtet. Nicht ins Bild passe, dass Prof. Tauber, Uni Berlin, trotz CW-Signalen biologische Effekte beobachtet habe.

Das BfS hat seine Webseite zu Reflex aktualisiert, dort steht jetzt erhellendes zu der seltsamen Befeldungssituation:

Von der Ulmer Arbeitsgruppe wurde das freundlicherweise von der Arbeitsgruppe Rüdiger zur Verfügung gestellte Zellsystem (ES-1-Zellen) verwendet, die Exposition wurde in einer Expositionsanlage der IT´IS Foundation durchgeführt, wie sie auch die Wiener Gruppe eingesetzt hatte. Um technische Probleme entweder der Wiener oder der Ulmer Expositionsanlage auszuschließen, fand eine technische Überprüfung der Anlagen statt. Im Verlauf der Zusammenarbeit wurden Mitarbeiter ausgetauscht und Proben parallel ausgewertet. Hierbei wurde auch überprüft, ob das unterschiedliche Vorgehen bei der Analyse der COMET Assays (Einordnung „per Auge“ in Schadensklassen bzw. computergestützte Auswertung) einen Einfluss auf die Ergebnisse hatte, was aber offenbar nicht der Fall war. Ohnehin hätte dies die unterschiedlichen Ergebnisse bei den Mikrokernen nicht erklärt.

Hinsichtlich der Expositionscharakteristik wurde von der Arbeitsgruppe in Ulm aufgrund der Angaben in Diem et al. (2005) eine intermittierende (5 min Feld angeschaltet/ 10 min Feld ausgeschaltet) Befeldung mit „continous wave“, d.h. einem unmodulierten Signal verwendet [Anm. spatenpauli: Im Gegensatz dazu nennen die Expositionsparameter der Ulmer Studie im EMF-Portal jedoch unmissverständlich auch ein gepulstes Signal: pulsed (PW) mit GSM basic modulation]. Nach Publikation der negativen Ergebnisse von Speit et al. wurde auf Fachtagungen diskutiert, ob hier – möglicherweise aufgrund einer missverständlichen Formulierung in der Publikation von Diem et al. – Unterschiede in der Expositionscharakteristik vorlagen, die die Ursache für die unterschiedlichen Ergebnisse sein könnten.

Dieser Punkt muss zwischen den Arbeitsgruppen abgeklärt werden, allerdings ist Folgendes festzuhalten: in der vorliegenden Publikation von Diem et al. ist ausdrücklich von „continous wave“, d.h. einem unmodulierten Signal im Vergleich mit zwei ebenfalls untersuchten modulierten Signalen die Rede. Im Übrigen sollte bei der engen Kooperation der beiden Arbeitsgruppen davon auszugehen sein, dass ein solcher Unterschied auffällt und korrigiert wird. Davon abgesehen erscheint es nicht plausibel, dass bei einem modulierten Signal ein sehr deutlicher Effekt auftritt, bei einem nicht modulierten Signal (aber gleicher zugeführter Energiemenge) überhaupt keiner. Dies stünde auch im Widerspruch zu den Ergebnissen von Tauber et al., die gentoxische Effekte bei Exposition mit einem nicht modulierten Signal, d.h. mit „continuous wave“ beschreiben.

Und in dieser jungen Präsentation von Prof. Speit (Oktober 2008, PDF, 3,2 MByte, 34 Seiten) macht er deutlich, warum aus seiner Sicht Reflex bislang nicht unabhängig repliziert wurde: Eine unabhängige Reproduktion der Ergebnisse aus dem REFLEX-Projekt wurde bisher nicht gezeigt. Möglicherweise ist dieser Umstand für die Entscheider bei der Vergabe von EU-Forschungsmitteln der wahre Grund gewesen, Prof. Adlkofer für seine Reflex-Folgestudie (bislang) keine Fördermittel zu bewilligen. Er (Prof. Adlkofer) sieht dies ja anders und vermutet, die (aus seiner Sicht fingierten) Fälschungsvorwürfe gegenüber den Wiener-Studien seien Ursache dafür, dass die EU diesmal nicht anbeißen mag.

Speit schließt seine Präsentation mit einem Zitat von E. Canetti, das mMn in jeder Hinsicht bestens zur Mobilfunkdebatte passt:

Wie überzeugend klingt alles, wenn man wenig weiß.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
UMTS-Studie, Finanzierung, Reflex, Fachtagung, Replikation, Fälschungsverdacht, Speit


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