Schweiz: Wie 5G voraussichtlich entfesselt wird (II) (Technik)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 03.12.2023, 19:54 (vor 433 Tagen) @ H. Lamarr

Hier geht es jetzt um die konkreten technischen Vorschläge von Infras zur realitätsnäheren Berechnung der EMF-Immission von Mobilfunkbasisstationen, wie sie in dem Arbeitspapier ab Seite 27 genannt werden. Der folgende Auszug (kursiv) beschränkt sich im Wesentlichen auf die Technik. Im Original werden zusätzlich die Auswirkungen der technischen Vorschläge auf die beteiligten Akteure detaillierter diskutiert.

5. Durch realistischere Feldstärkeberechnungen Abnahmemessungen reduzieren

Diese Stossrichtung zielt darauf ab, die Berechnungen zuverlässiger und realistischer zu machen, so dass nur noch an den wirklich kritischen Punkten gemessen wird. Allenfalls könnte auf Abnahmemessungen sogar ganz verzichtet werden. Dies, weil die Messungen, mit denen die – dann zuverlässigeren ‐ Berechnungen überprüft werden, ihrerseits mit einer relativ grossen Messunsicherheit von bis zu ±40 Prozent behaftet und somit auch nicht sehr präzise sind. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Anwohnende gemäss USG diese behördlich verlangten Abnahmemessungen dulden müssen, obwohl sie nicht Verursacher der Strahlungsbelastung, sondern Betroffene sind. Auch aus diesem Grund sollten Abnahmemessungen auf ein notwendiges Minimum beschränkt, und nur mit Einverständnis der Bewohnenden des Messortes durchgeführt werden.

5.1. Ausgangslage und Problembeschreibung

Häufig weicht die Feldstärke, die bei einer Abnahmemessung an einem OMEN ermittelt wurde, deutlich vom rechnerisch prognostizierten Wert ab. Solche Abweichungen sind u.a. auf folgende Gründe zurückzuführen:

► Für die rechnerische Prognose der Strahlenbelastung an den OMEN werden die in der Vollzugshilfe aufgeführten Gebäudedämpfungswerte (BUWAL 2002, S. 25) verwendet, die eher (zu) konservativ sind. Auch werden abschattende Elemente oft nicht in die Berechnungen einbezogen. Dies kann zu einer deutlichen rechnerischen Überschätzung der Feldstärke am OMEN führen.

► Die maximal anrechenbare Antennendämpfung [In der Literatur auch "Richtungsabschwächung" oder "Richtungsdämpfung" genannt; Anm. Postingautor] von 15 dB entspricht – z.B. direkt unter der Antenne – nicht der realen Antennendämpfung. Dies kann, je nach Lage des OMEN relativ zur Antenne, ebenfalls zu einer deutlichen rechnerischen Überschätzung der Feldstärke am OMEN führen.

► Die rechnerische Prognose geht von einer Freiraumausbreitung ohne Beugungen und Reflexionen aus. In der Realität können Reflexionen, z. B. an Hausfassaden oder Dächern aber einen grossen Einfluss auf die Feldstärke am OMEN haben, und gemessene Werte können deutlich über den berechneten Feldstärken liegen.

► Sind die Orte zur Messung festgelegt, müssen gemäss USG die Anwohnenden diese behördlich verlangte Abnahmemessungen dulden. Da sie aber nicht Verursacher der Strahlungsbelastung, sondern Betroffene sind, sollten Abnahmemessungen auf ein notwendiges Minimum beschränkt bleiben. Insbesondere scheint es, trotz anderslautender Einschätzung des BAFU, unverhältnismässig, Messverweigerer/Innen mittels zeitaufwändiger Telefonate, eingeschriebenen Briefen oder sogar mit Androhung eines Polizeiaufgebots umzustimmen. Dies wiederum unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Messungen, die zur Überprüfung der berechneten Feldstärken am OMEN dienen sollen, selbst mit einer relativ grossen Messunsicherheit behaftet sind und sogar gemessene Feldstärken über dem AGW immer weit unter dem eigentlichen Schutzwert, also im Vorsorgebereich liegen würden.

5.2. Vereinfachungsvorschläge und Auswirkungen auf die Akteure

Mit den folgenden Vorschlägen sollen die Berechnungen realistischer gemacht werden, so dass Abnahmemessungen auf die tatsächlich kritischen OMEN reduziert werden können. Dadurch sinkt bei den NIS‐Fachstellen der Aufwand für die Vorarbeiten zu den Abnahmemessungen und die später nachfolgende Kontrolle der Messberichte. Ausserdem wird vorgeschlagen, dass Anwohnende nicht zur Duldung einer Messung gezwungen werden sollen.

5.2.1. Strahlenbelastung an OMEN realistischer berechnen (B1)
► Vorschlag 1: Für die die Berechnung der Strahlenbelastung werden die realen Antennendiagramme oder zumindest höhere maximal anrechenbare Antennendämpfungen verwendet. Insbesondere direkt unter der Anlage würden so realistischere Feldstärken berechnet werden, als dies derzeit der Fall ist.

► Vorschlag 2: Abschattende Elemente wie z.B. Gebäudedächer aus Beton werden in die Berechnungen mit einbezogen. Liegt der Modellierung ein 3D‐Modell zugrunde, können auch Reflexionen an grossen Flächen berücksichtigt werden (analog zu Lärmmodellierungen). Hierdurch können die Abnahmemessungen auf die tatsächlich kritischen OMEN reduziert werden.
[...]

Hintergrund
Mehr über die Richtungsabschwächung einer Antenne erfährt man z.B. in diesem Dokument

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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