BfS: Protokoll der 31. Sitzung am Runden Tisch EMF (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 27.11.2024, 19:58 (vor 3 Tagen)

Die 31. Sitzung des Runden Tischs EMF (RTEMF) fand am 3. Juli 2024 in Erfurt statt. Das vollständige neunseitige Protokoll der Sitzung gibt es seit 7. November 2024 beim BfS. Auszüge aus dem Protokoll, die der Postingautor für Sie ausgewählt und einige kommentiert hat, warten unten auf Sie.

► Dr. Thorsten Kellermann vom BUND „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.“ hat dort inzwischen andere Aufgaben übernommen und wird ebenfalls aus dem RTEMF ausscheiden. Wegen begrenzter Kapazitäten sieht der BUND sich derzeit nicht in der Lage, weiter am RTEMF teilzunehmen.

► Seit fast zwei Jahren nimmt Dr. Nona Schulte-Römer von der Humboldt-Universität zu Berlin als Beobachterin für wissenschaftliche Zwecke am RTEMF teil. Sie ist heute zum letzten Mal zu Gast.
Kommentar: Nona Schulte-Römer arbeitet an dem 2 Mio. Euro schweren EU-Forschungsprojekt "Wavematters" mit (Laufzeit: 01.01.2022 bis 31.12.2026), das sich mit Auswirkungen physikalischer Wellen in städtischen Umgebungen befasst und in der Projektbeschreibung eine irritierende wertende Formulierung vorzeigt: "Physikalische Wellen – sei es Wärmestrahlung, Schallwellen oder Radiofrequenzen – stellen erhebliche Umweltstörungen dar. Unsichtbar durchqueren sie die städtische Umgebung und schädigen menschliche und nichtmenschliche Körper auf unbekannte Weise." Gegenüber dem IZgMF äußerte Schulte-Römer im Juli 2024, bisher sei es ihr nicht gelungen, diese in Bezug auf EMF (Licht, Funk) unzutreffende Formulierung in der Projektbeschreibung von Cordis zu berichtigen. Die Mühlen der EU mahlen langsam.

► Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der EHC-Monographie und der Neubewertung der Krebsgefahr durch HF-EMF durch die International Agency for Research on Cancer (IARC)? Die Neubewertung durch die IARC ist für 2027 – 2029 geplant und wird mutmaßlich die Ergebnisse der SRs berücksichtigen. Die EHC-Monographie ist deutlich breiter angelegt und betrachtet neben dem Endpunkt Krebs auch weitere Endpunkte wie beispielsweise Fertilität oder oxidativen Stress. Zudem handelt es sich bei der IARC-Bewertung um eine Hazard-Bewertung, während es sich bei der EHC-Monographie um eine Risikobewertung handelt.
Kommentar: Der Unterschied zwischen einer Hazard-Bewertung und einer Risikobewertung liegt hauptsächlich in ihrem Fokus und ihren Zielen (Risiko = Gefahr × Eintrittswahrscheinlichkeit):
- Hazard-Bewertung: Diese Bewertung konzentriert sich auf die Identifizierung und Charakterisierung von Gefahren (Hazard). Eine Gefahr ist das Potenzial einer Substanz, Situation oder eines Stoffes, die Gesundheit zu schädigen. Sie beantwortet die Frage: "Was könnte potenziell schaden?"
- Risikobewertung: Diese Bewertung geht einen Schritt weiter und berücksichtigt nicht nur die Gefahr, sondern auch die Wahrscheinlichkeit und die Schwere des potenziellen Schadens. Sie beantwortet die Frage: "Wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Schaden auftritt, und wie schwerwiegend ist er?".
Zusammengefasst: Eine Hazard-Bewertung identifiziert die potenziellen Gefahren, während eine Risikobewertung die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen dieser Gefahren bewertet. (Quelle: Microsoft Copilot)

► Insgesamt ist es sehr schwierig, Forschungsnehmer zu finden. Ab einer gewissen Auftragssumme wird zwar international ausgeschrieben und Berichte werden auch auf Englisch angenommen, aber alle rechtlichen und vertraglichen Dokumente müssen auf Deutsch vorliegen, was potenzielle Forschungsnehmer aus dem Ausland möglicherweise von einer Bewerbung abhält.

► „Entwicklung einer nutzerfreundlichen App zur Darstellung der Exposition gegenüber HF-Feldern in alltagstypischen Immissionsszenarien“: Das Forschungsprojekt wurde gestrichen. Eine tatsächliche Darstellung der Exposition ist nicht möglich, sodass eine App nur vorgegebene Szenarien abbilden würde. Insgesamt weist das Projekt keine akzeptable Kosten-Nutzen-Bilanz auf.

► „Wirkungen auf Zellen der Körperoberfläche bei Expositionen mit Zenti- und Millimeterwellen (5G Frequenzen)“: Das Projekt ist abgeschlossen. Der Bericht wird in Kürze im BfS-Online-Repositorium DORIS veröffentlicht werden.
Kommentar: Die Ergebnisse können möglicherweise Bedenken, höherfrequente 5G-Trägerfrequenzen > 10 GHz könnten zu Hautverbrennungen führen (Beispiel), bestätigen oder widerlegen.

► Der Abschluss des Stromnetzforschungsprogramms war ursprünglich für das 2. Halbjahr 2025 geplant. Einige wichtige Vorhaben laufen dann noch. Der Abschluss soll auf das 2. Halbjahr 2026 verschoben werden, damit die Ergebnisse möglichst komplett dargestellt werden können. Als Abschlussveranstaltung ist ein hochrangiges öffentliches Fachgespräch geplant.

► Der EMF-Exposimeterverleih des BfS wurde im Februar 2024 gestartet. Mit Stand 1. Juli belief sich die Zahl der Anfragen auf 120. Etwa 10 – 20 Anfragen können pro Monat bedient werden. Die vorläufige Auswertung der Vorher-Nachher-Fragebögen ergab, dass viele Teilnehmende ihre Exposition überschätzen. Evaluierungen des Angebots sind nach einem halben und nach einem Jahr geplant. Ein anonymisiertes Messprotokoll kann dem RTEMF als Anlage zum Protokoll zugänglich gemacht werden (siehe Anlage 3).

► In der 29. Kalenderwoche findet in München das jährliche ICNIRP-Treffen statt. Dr. Dan Baaken wird das wissenschaftliche Sekretariat übernehmen. Dr. Jens Kuhne wird einen Platz in der Kommission übernehmen. In dieser ehrenamtlichen Tätigkeit für die ICNIRP vertreten beide weder Deutschland noch das BfS, sondern wirken als unabhängige Experten.

► Zu der von Sachsen initiierten Länderabfrage, bei der herausgefunden werden sollte, ob es in den Ländern spezielle Handlungsanweisungen oder freiwillige Moratorien in Bezug auf die Errichtung von Mobilfunkmasten in der Nähe von Krankenhäusern, Schulen oder Kitas gibt, liegen die Ergebnisse vor. In den meisten Bundesländern wird auf die 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (26. BImSchV) sowie auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Mobilfunknetzbetreiber verwiesen. In Bayern gibt es einen eigenen, freiwilligen Mobilfunkpakt, in dem sich die Betreiber zur alternativen Standortprüfung bereiterklären. Thüringen führt EMF-Sondermessungen an Kitas und Schulen durch. In Bremen ist von den Betreibern bei einem Mindestabstand von 200 Metern zu Gebäuden mit sensibler Nutzung die Prüfung alternativer Standorte durchzuführen. In Baden-Württemberg regeln einige Kommunen, dass auf Gebäuden mit sensibler Nutzung im eigenen kommunalen Besitz keine Mobilfunkanlagen errichtet werden dürfen.

► Bei den Standortbescheinigungen gibt es Fortschritte und intensive Gespräche mit der BNetzA. Auch in anderen Ländern spielt das Thema eine Rolle. In Italien wurde im April ein Gesetz verabschiedet, wonach die Ausschöpfung der Grenzwerte an einem Mobilfunkmast proportional zwischen den Betreibern aufgeteilt werden muss.
Kommentar: Was mit der proportionalen Aufteilung gemeint ist, siehe hier.

► Was die Standortbescheinigungen angeht, so sei die Situation in Italien nicht mit der in Deutschland vergleichbar. Derzeit läuft eine Befragung bei den Kommunen, wie die kommunale Abstimmung zwischen Mobilfunknetzbetreibern und Kommunen dort wahrgenommen wird. Die Ergebnisse werden im 4. Quartal 2024 erwartet. Die Ergebnisse eines Gutachtens zu Kleinzellen werden im November 2024 erwartet. Die Begleitung durch die Initiative „Deutschland spricht über 5G“ (Dsü5G) wurde als sehr hilfreich empfunden, insbesondere die Moderation bei kleinen Kommunen. Nun läuft Dsü5G aus. Christian Raupach erläutert, dass das BMDV federführend war und für eine Nachfolgelösung sorgen will, die für weitere zwei Jahre die Bürgerdialoge absichert.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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