Und es gibt sie doch: Erste Meldestelle für "Elektrosensible" (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 10.05.2015, 19:22 (vor 3486 Tagen) @ hans

Die Franzosen brechen alle Rekorde. Kommen doch auf 55965 Einwohner ein EHS. Macht, alle fein zusammengezählt und vermutlich nicht ein einziger "amtlich beglaubigt", 1185 EHS in der Französischen Republik.

Das ist ja eine tolle Entdeckung und späte Genugtuung für "Moderator X", der bereits 2007 für Deutschland eine Öffentliche Meldestelle für EHS-Erkrankte vorgeschlagen hat. Was in Deutschland an Reichsbedenkenträgern und breitem Desinteresse von EHS scheiterte, hat der überzeugte Elektrosensible Philippe Tribaudeau in Frankreich geschafft. Tribaudeau ist das französische Gegenstück zu unserem Uli W., kein EHS ist in Frankreich öffentlich so präsent wie er, zuletzt habe ich ihn in der auf Arte ausgestrahlten Dokumentation gesehen.

Tribaudeau ist der Domaineigentümer der Website Une Terre Pour Les EHS, das ist diese Site mit der EHS-Volkszählung. Für mich immer wieder erstaunlich (weil widersprüchlich), zu welchen organisatorischen Leistungen einige überzeugte EHS fähig sind, die sich öffentlich als Extrem-EHS positioniert haben und der Zivilisation angeblich weitgehend entsagen.

Was will nun Tribaudeau von seinen Leidensgenossen wissen, wenn diese sich via Web-Formular an seiner EHS-Volkszählung in FRA beteiligen möchten (rot = Pflichtfeld)?

Geschlecht
Geburtsjahr
Vorname + Nachname

E-Mail-Adresse + Telefonnummer
Wohnregion (Departement)
Postanschrift
Derzeit ohne festen Wohnsitz?
Jemals ohne festen Wohnsitz gewesen?
Empfindlich für Hochfrequenz (Mobilfunk, W-LAN, DECT)?
Empfindlich für Niederfrequenz?

MCS-krank?

So weit, so gut.

Doch da gibt es eine Unstimmigkeit. Wie die Tabelle der bislang an der Zählung teilgenommenen EHS zeigt, werden alle diese EHS als "auto-déclarés" ausgewiesen (selbsterklärte EHS). Abgesehen davon, dass ich diese für hiesige Verhältnisse ungewohnte Ehrlichkeit ausgesprochen sympathisch finde, bleibt die Frage: Woher weiß Tribaudeau das, er fragt diesen Umstand (selbsterklärter EHS ja/nein) in seinem Web-Formular nicht ab! Auf EHS, die sich an wissenschaftlichen Studien beteiligt haben oder zum Teil für ziemlich viel Geld ein Attest von einem der wenigen "Elektrosensiblen-Tester" bekommen haben (Lebrecht von Klitzing, Magda Havas, Dominique Belpomme, diverse Ärzte), muss diese pauschale Rückstufung in "selbsterklärter Elektrosensibler" wie eine Abwertung wirken.

Da davon auszugehen ist, dass die meisten EHS in der Tabelle ihre Kontaktdaten preisgegeben haben, strebt Philippe Tribaudeau möglicherweise eine Partnerschaft mit der wissenschaftlichen Forschung an. Wie hierzulande z.B. von der BAuA- und Tetra-Studie bekannt, ist es für Wissenschaftler gar nicht so einfach, für Studien größere Gruppen von überzeugten Elektrosensiblen zu akquirieren. Tribaudeau ist der einzige, der die Kontaktdaten der EHS in seiner Tabelle kennt, er dürfte damit für die EHS-Forschung ein interessanter Multiplikator sein, falls das schon ziemlich ausgelutschte Thema EHS überhaupt noch einmal von der seriösen Forschung in Angriff genommen wird.

In Web-Formular von Tribaudeau wäre mMn eine Differenzierung der EHS sinnvoll in ...

EHS-Volkszählung mit schwerem Geburtsfehler
Aus meiner Sicht ist so eine Differenzierung viel sinnvoller als die Fixierung auf die Obdachlosigkeit von EHS und ein Indiz für Ernsthaftigkeit bei Tribaudeaus Köpfezählung. Denn wie jedes Web-Formular wird natürlich auch das der EHS-Volkszählung manipuliert. Dies geht sogar spielend einfach und völlig risikolos, denn eine Quittierung der Angaben aus dem Formular hat der französische EHS nicht vorgesehen (E-Mail-Adresse ist kein Pflichtfeld). Spaßeinträgen in dem Formular ist damit Tür und Tor geöffnet. Doch damit wird die auf Köpfezählung ausgerichtete EHS-Volkszählung wertlos.

Aus eigener Erfahrung mit der "Liste der Anti-Mobilfunk-Bürgerinitiativen" weiß ich: Kaum eine BI hat sich nach ihrem Erlöschen bei uns gemeldet und um Austragung aus der Liste gebeten. Diese Liste zeigt daher heute nur noch ein Zerrbild aus längst untergegangen Zeiten. Das gleiche Schicksal erlitt die schöne Karte des Tetra-Widerstands, mit der die Baubiologeninitiative "Funkbewusstsein" einst für Furore sorgte. Da diese Karte nur neu hinzugekommene Widerstandsnester aufnahm, es aber versäumt wurde, erloschene Widerstandsnester herauszunehmen, ist die heute hoffnungslos veraltete Karte den Webspace nicht wert, den sie beansprucht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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