Spiegel-TV-Film auf arte enttäuschte (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 12.04.2015, 14:31 (vor 3514 Tagen) @ Gast

Die Dokumentation geht dem kontroversen Thema auf den Grund und präsentiert die aktuellen Forschungsergebnisse aus Deutschland, Schweden und Frankreich.

Wer die knapp 1 Stunde dauernde Sendung verpasst hat, kann dies momentan hier nachholen. Aus meiner Sicht allerdings unnötig, denn die Sendung war für Beobachter der Mobilfunkdebatte enttäuschend.

Enttäuschend, weil lediglich ein Ausschnitt aus dem Vordergrund der Debatte dokumentiert wurde, ohne jede Ambition, die Hintergründe zu erforschen. Deshalb entstand ein Film, wie wir ihn in ähnlicher Form immer wieder zu sehen bekommen: Pro- und Kontra-Vertreter dürfen begleitet von hübschen Bildern ein paar Sätze sagen, dazwischen gibt aus dem Off ein Sprecher tendenziöse Interpretationen des Filmemachers wieder. Und wenn nach 52 Minuten endlich der Abspann durchläuft, weiß man, was man zuvor schon wußte: Die einen sagen so, die anderen so.

Die Akteure waren diesmal:

Nutznießer der Angst vor Elektrosmog: Baubiologe Dieter Kugler (Deutschland)
Wissenschaftler: Heidi Danker-Hopfe (Charité - Universitätsmedizin Berlin), Isabel Baldi und Gaëlle Coureau (Frankreich), Lennart Hardell (Schweden), Alexander Lerchl (Jacobs University Bremen), Olle Johansson (Schweden), Sarah Drießen (Femu, RWTH Aachen), Dominique Belpomme (Frankreich)
Bundesamt für Strahlenschutz: Dirk Gschwentner, Gunde Ziegelberger
Institute: IMST, Fraunhofer
Überzeugte Elektrosensible: Philippe Tribaudeau (Frankreich)

Auffällig: Der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk, der sich so sehr bemüht, als "Verbraucherverein" wahrgenommen zu werden, wird ebenso wenig erwähnt wie sein grelles französisches Pendant Next-up. Das ist mMn noch das Beste an dem Film.

Bei den Wissenschaftlern hatte der Filmemacher noch auf Ausgewogenheit geachtet, warnende und entwarnende Stimmen halten sich in dieser Gruppe die Waage. Das ist gut. Schlecht: Der Baubiologe Kugler und der überzeugte Elektrosensible Tribaudeau durften ihre Texte ohne Widerspruch aufsagen. Ebenso durfte Olle Johansson ohne Widerspruch seine Verschwörungstheorie verbreiten, er wäre beruflich schikaniert worden weil er unbequeme Forschung betrieben hätte. Und zwischendrin immer wieder die Stimme des Sprechers, der Behauptungen, die dem Filmteam während der Dreharbeiten erzählt wurden, als Tatsachen verkündet. Beispiel: In der Sequenz, mit der auf den "Elektrosensiblen" Tribaudeau eingestimmt werden soll, wahrsagt der Sprecher über den Mann theatralisch: "Seit 2008 leidet er unter den elektromagnetischen Wellen". Als ob der Sprecher oder einer aus der Redaktion dies wissen könnte! Die beruflich geforderte Distanz des Journalisten zum Gegenstand seiner Recherche fehlt.

Nach rund 20 Jahren Forschung mit und an "Elektrosensiblen" festigt sich von Jahr zu Jahr der wissenschaftliche Kenntnisstand, "Elektrosensibilität" sei eine psychische Erkrankung, keine physische. Niemand weiß dies besser als der britische Wissenschaftler James Rubin, den aber hat das Team von Spiegel TV nicht besucht ...

Anscheinend ist man auch auf Seiten der Mobilfunkgegnerei unzufrieden mit dem Werk. Darauf deuten hin der mühsame Kommentar des Neuzugangs "Steve" (:wink:) im hese-Forum und ein Lerchl-fixierter Kommentar im Gigaherz-Forum.

[Editiert am 13.04.15, 01:51 Uhr]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Verschwörungstheorie, Filz, Desinformation, Medien, Danker-Hopfe, Kugler, Belpome, Drießen, Ausgewogenheit


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