Warum die Ungefährlichkeit von Mobilfunk nicht beweisbar ist (Allgemein)
"Der Bundesrat [Schweizer Regierung] kann der Bevölkerung nicht eine einzige Studie vorlegen, welche beweist, dass Mittel- und Langzeitbelastung aus nichtthermisch wirkender Mobilfunkstrahlung keine gesundheitlichen Folgen hat." Das behauptet der Schweizer Verein E-Smog Hadlikon auf seiner Website. Wir gehen der Frage nach: Warum kann der Bundesrat die vermissten Studien niemals vorlegen?
Eigentlich sollte es sich 2024 sogar bis in den Schweizer Weiler Hadlikon herumgesprochen haben, dass sich die Ungefährlichkeit einer mutmaßlich gefährlichen Substanz, Sache oder einer Technik wie Mobilfunk nicht beweisen lässt. Zumindest wird dies gerne so behauptet. Aber stimmt die Behauptung überhaupt und wenn ja, warum lässt sich Ungefährlichkeit nicht beweisen?
◄ Schleichendes Gift
Bild Andreas Göllner auf Pixabay
Was mir zu diesen Fragen bei meinen Streifzügen durchs Internet bislang vor die Flinte kam, war ehrlich gesagt nicht überzeugend. Wurde die Behauptung überhaupt begründet, dann mit dem Holzhammer: Ungefährlichkeit zu beweisen sei wissenschaftstheoretisch unmöglich. Käme ich damit den tapferen Recken des Vereins E-Smog Hadlikon, sie würden wahrscheinlich freundlich, aber verständnislos lächeln und bei nächstbester Gelegenheit erneut mit dem Fehlen der vermissten Studien kokettieren.
Hinterwäldler oder Schlaumeier?
Wieso kokettieren? Die müssten sich doch freuen, käme der Beweis für die Ungefährlichkeit des Mobilfunks endlich um die Ecke. Nein! Denn würde dies passieren, kein organisierter Mobilfunkgegner könnte sich darüber freuen. Dieser Beweis wäre das Todesurteil für die Überzeugung, Mobilfunk sei ein schleichendes Gift, das uns alle früher oder später ins Grab bringt (was sowieso passieren wird). Deshalb kokettiert der Verein mit seiner Behauptung. Er genießt das Fehlen der erlösenden Studien, bedauern tut er es nicht. Und möglicherweise sind die Hadlikoner Mobilfunkgegner gar keine Hinterwäldler, sondern so schlau wie der Igel bei seinem Wettlauf mit dem Hasen. Sie geben sich deshalb so siegessicher, weil sie wissen, der Bundesrat wird die demonstrativ vermissten Studien niemals vorlegen können. Sollte dies zutreffen, die Schlauheit wäre infam, weil der Verein unwissende Besucher seiner Website gezielt desinformiert.
Zurück zum eigentlichen Thema
Angeregt von der Behauptung des Schweizer Vereins habe ich mich heute mit Copilot, das ist die KI von Microsoft, über das Thema Beweisbarkeit der Ungefährlichkeit unterhalten. Ich weiß, solche Unterhaltungen sind mit dem Risiko verbunden, Stuss serviert zu bekommen. Da ich die KI aber auf präzise Auskünfte eingestellt habe und ihre Antworten mMn ganz ordentlich sind, habe ich keine Bedenken, die Konversation zu teilen. Also los!
Warum kann man nicht beweisen, dass etwas (z.B. ein Smartphone) ungefährlich ist?
Copilot: Das ist eine interessante Frage! Der Hauptgrund, warum man nicht beweisen kann, dass etwas völlig ungefährlich ist, liegt in der Natur der Wissenschaft und der Unmöglichkeit, alle möglichen Szenarien zu testen. Hier sind einige Gründe:
► Unendlich viele Variablen: Es gibt unzählige Variablen und Szenarien, die berücksichtigt werden müssen. Es ist unmöglich, alle möglichen Situationen zu testen, in denen ein Smartphone verwendet werden könnte.
► Langzeitwirkungen: Manche Gefahren könnten erst nach langer Zeit sichtbar werden. Es ist schwierig, Langzeitstudien durchzuführen, die alle möglichen Auswirkungen abdecken.
► Individuelle Unterschiede: Menschen reagieren unterschiedlich auf bestimmte Einflüsse. Was für eine Person ungefährlich ist, könnte für eine andere gefährlich sein.
► Unvorhersehbare Entwicklungen: Neue Technologien und Anwendungen können unvorhersehbare Risiken mit sich bringen, die erst später erkannt werden.
Stattdessen konzentriert sich die Wissenschaft darauf, Risiken zu minimieren und die Sicherheit zu maximieren, indem sie kontinuierlich forscht und testet.
Gibt es auch wissenschaftstheoretische Gründe?
Copilot: Ja, es gibt auch wissenschaftstheoretische Gründe, warum man nicht beweisen kann, dass etwas völlig ungefährlich ist. Hier sind einige davon:
► Falsifizierbarkeit: Laut dem Philosophen Karl Popper ist eine wissenschaftliche Theorie nur dann wissenschaftlich, wenn sie falsifizierbar ist, das heißt, wenn es möglich ist, sie durch ein Experiment oder eine Beobachtung zu widerlegen. Zu beweisen, dass etwas völlig ungefährlich ist, würde bedeuten, dass es keine Möglichkeit gibt, das Gegenteil zu zeigen, was im Widerspruch zu diesem Prinzip steht.
► Induktionsproblem: Das Induktionsproblem, das von David Hume beschrieben wurde, besagt, dass man aus einer endlichen Anzahl von Beobachtungen keine allgemeingültigen Aussagen ableiten kann. Nur weil man in vielen Tests keine Gefahr festgestellt hat, bedeutet das nicht, dass es unter keinen Umständen gefährlich sein kann.
► Unvollständigkeit: Wissenschaftliche Erkenntnisse sind immer vorläufig und unvollständig. Neue Erkenntnisse oder Technologien können bestehende Annahmen widerlegen oder ergänzen. Daher kann man nie mit absoluter Sicherheit sagen, dass etwas ungefährlich ist.
Diese wissenschaftstheoretischen Überlegungen zeigen, dass absolute Sicherheit in der Wissenschaft schwer zu erreichen ist. Stattdessen strebt die Wissenschaft nach dem bestmöglichen Verständnis und der Minimierung von Risiken.
Wertung der Auskünfte
Meiner Einschätzung nach sind Copilots Auskünfte weitgehend glaubwürdig und vor allem verständlich. Als nicht geheuer stufe ich lediglich die Auskunft zum Induktionsproblem ein. Das dort genannte Beispiel ist widersprüchlich, ich werde es für mich ausblenden. Alles übrige stufe ich jedoch als stimmig ein und verstehe nun selber besser, warum sich Ungefährlichkeit partout nicht beweisen lassen will.
Prüfstein für die Seriosität von E-Smog Hadlikon
Ob sich mit Copilots Auskünften der Verein E-Smog Hadlikon von seiner Behauptung abbringen lässt, sehe ich jedoch pessimistisch. Altgediente Insassen von Anti-Mobilfunk-Echokammern leiden üblicherweise schwer unter dem Bestätigungsfehler, der es ihnen schier unmöglich macht, die ebenso vertraute wie verkorkste persönliche Hypothese aufzugeben und sich neuen Denkmustern zu öffnen.
Aber: Will der Verein sich nicht dem Verdacht aussetzen, arglose Besucher seiner Website mit der fraglichen unerfüllbaren Behauptung gezielt für dumm zu verkaufen, könnte der Webmaster den Stein des Anstoßes umgehend diskret entfernen. Dies wäre ein Gradmesser für die Seriosität des Vereins.
Hintergrund
Hadlikon & Mobilfunk: Ein Weiler wächst über sich hinaus
EGMR-Urteil: Katharina Luginbühl gegen die Schweiz
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –