Hirnscan: Toter Lachs erkennt fröhliche Menschen (Forschung)

H. Lamarr @, München, Samstag, 21.05.2011, 20:33 (vor 4863 Tagen)

Sendemastengegner greifen mit Vorliebe neue Studien dann auf, wenn diese irgendeinen alarmierenden biologischen Effekt melden können. Jüngstes Beispiel: Die Bienenstudie von Favre, die Teilnehmer "Capricorn" mit Zähnen und Klauen gegen Zweifel verteidigt, und die er als "Beweis" für einen Zusammenhang zwischen dem Bienensterben und EMF sieht.

Nur, so funktioniert Wissenschaft nicht. Ein wissenschaftliches Meinungsbild wird in den seltensten Fällen von prominenten Einzelstudien geprägt, üblicherweise kommt ein kumulativer Prozess zum tragen, aus einer Vielzahl von Studien kristallisiert sich im Laufe der Zeit ein Meinungsbild heraus, das als Stand des Wissens gilt. Einzelne Studien haben deshalb unter Wissenschaftlern vom Fach, die über eine große Bandbreite gefundener Resultate im Bilde sind, weit weniger Gewicht als bei Laien, die lediglich einen begrenzten Überblick haben und auf Alarmstudien fixiert sind.

Das Verfahren, einzelne Studien nicht isoliert für sich, sondern im Kontext des bisher erreichten Wissensstandes zu sehen, schützt Bedächtige vor Peinlichkeiten wenn eine neue Studie mit (vermeintlich) sensationellen Resultaten auf den Tisch kommt. Beispiel: Eine Studie über einen C-Netz-Sendemasten in Hausmannstätten (Österreich) fand dramatisch erhöhte Krebszahlen im Umkreis des Senders. Dann aber stellte sich heraus: diesen Sender an diese Stelle hat es nie gegeben - der Autor musste seine Studie zurückziehen.

Noch krasser ist eine Studie über die Hirnaktivität eines toten Lachses, in voller Länge nachzulesen bei "Spon" (Spiegel online), hier nur der Beginn des Artikels:

Der wohl ungewöhnlichste Proband, dessen Gehirntätigkeit Craig Bennett jemals untersucht hat, war ein toter Lachs. Seinem leblosen Versuchsobjekt stellte der Neuropsychologe von der University of California in Santa Barbara eine knifflige Aufgabe: Das fast zwei Kilo schwere Tier sollte Bilder von fröhlichen, ängstlichen oder wütenden Menschen betrachten. Währenddessen maß Bennett seine Hirnaktivität.

Das Ergebnis des absurden Experiments sorgte für einen handfesten Skandal. Denn im Gehirn des toten Fischs regte sich etwas.

Müssen wir tote Lachse also mit völlig neuen Augen betrachten? Können Fische, noch während wir sie in die Bratröhre schieben, unsere Gefühle erkennen?

Natürlich nicht, versichert Bennett im neugegründeten "Journal of Serendipitous and Unexpected Results" (Zeitschrift für zufällige und unerwartete Ergebnisse), wo er sein Lachs-Experiment veröffentlicht hat. Die mittels funktioneller Kernspintomografie (fMRT) im Gehirn des Tiers erkennbaren Signale seien reine Zufallsprodukte, statistische Ausreißer ohne Bedeutung. Würden die passenden Korrekturrechnungen vorgenommen, verschwänden sie von selbst. Doch solche Rechnungen, schreibt Bennett, hätten nach seiner Auswertung selbst in den besten Fachjournalen zwischen 25 und 40 Prozent der Wissenschaftler nicht durchgeführt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Gehirn


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