Handynutzung durch Kritiker? - na ja (Allgemein)

Doris @, Montag, 23.06.2008, 17:15 (vor 5974 Tagen) @ Alexander Lerchl

Es kommt noch etwas hinzu; dazu ein Beispiel: angenommen, ich finde in meinem Labor als Studienleiter heraus, dass ein bestimmter Stoff, sagen wir mal ein künstliches Aroma, das in vielen Lebensmitteln enthalten ist, die Erbsubstanz DNA massiv schädigt, und zwar bei geringer Dosis und weit unterhalb der vom Gesetzgeber festgelegten Höchstmengen. Dann würde ich a) eine Veröffentlichung schreiben, b) umgehend die zuständigen Stellen informieren und vor allem c) ab sofort die Finger von allen Lebensmitteln lassen, die diesen Stoff enthalten.

Na ja, ich glaube nicht, dass alle Wissenschaftler so konsequent sind, nur weil sie was gefunden haben, was die DNA schädigt. Wissenschaftler sind auch nur Menschen, mit allen Stärken und Schwächen und Konsequenz ist eine Eigenschaft, die enorm viel Stärke bedarf und die - in allen Lebenslagen - immer weniger aufgebracht wird.

Während in den Kritikerkreisen diejenige - zu Recht - verurteilt werden, die gegen die Masten wettern, aber telefonieren wollen, verweisen Sie ja auf den Beitrag, in dem angemerkt wurde, dass Dr. Rüdiger per Handy zu erreichen war.
Das ist in dieser Debatte insgesamt ein beliebtes Argument. Auch hier bei der Verfassung dieser Petition, die in Frankreich für sehr viel Wirbel gesorgt hatte, habe ich irgendwo gelesen, dass die Wissenschaftler untereinander sich per Handy kurzgeschlossen haben.

Von einer DNA Schädigung im Reagenzglas bis zum Sterben durch Krebs ist u.U. ein weiter Weg und ich denke, dass diese Erkenntnis die konsequente Handlung von "etwas die Finger zu lassen" arg dämpft. Außerdem kann ich mir jetzt kein Lebensmittel vorstellen, welches man in einer derartigen Menge und Regelmäßigkeit isst, dass es mit langen und ständigen Handygesprächen zu vergleichen ist. Die Menschen ernähren sich doch mehr oder weniger ausgewogen und das zu beanstandende Lebensmittel wird nicht ausschließlich in sich reingelöffelt. Beim Handy gibt es keine Alternative.

Ich selber besitze und benutze kein Handy und trotzdem sehe ich das Handy grundsäzlich als sehr bereichernde Erfindung an. In manchen Berufsschichten denke ich, ist es einfach auch nicht mehr möglich, dass man konsequent aus der Reihe ausschert, und deshalb sehe ich eine Handynutzung durch Hugo Rüdiger auch als nicht so schlimm an. Außerdem hat sowohl Dr. Rüdiger als auch Dr. Prof. A. schon ein so hohes Alter erreicht, dass ein Tumorrisiko durch Handynutzung nicht das größte Risiko in deren Leben sein wird. So äußerte sich übrigens auch mal Rüdiger Matthes vom BfS, dass ein Kind im Gegensatz zu ihm als 50-jähriger Mann eben noch ein sehr langes Leben vor sich hat um einen Tumor zu entwickeln.

Wenn 1 % der 50 jährigen, die ein Handy nutzen (und die nutzen es meistens nicht so exzessiv) 10 - 20 Jahre später einen Gehirntumor bekommen, dann sind das Leute, die ihr Leben doch größtenteils gelebt haben. Wenn 1 % der 15-jährigen (die es ezessiver nutzen) 10 - 20 Jahre später einen Gehirntumor bekommen, dann hat dies doch deutlich mehr gravierende Auswirkungen, z.B. auf eine Familie und auch auf die Arbeitsmarktsituation. Auch die sog. Protagonisten der Kritikerszene, wie Sie in Ihrem Beitrag anmerken, sind vermutlich vorwiegend in Berufsschichten, in der alles über eine Vernetzung verbunden ist und man sich da einfach nicht rausnehmen kann. Und dann sind diese vermutlich auch aus dem Kinder- und Jugendlichenalter heraus.

Und wenn es so selbstverständlch wäre mit der Konsequenz bei einer Erkenntnis, wie erklären Sie es dann, dass sehr viele Mediziner starke Raucher sind, obwohl sie nebenher Tumore aus der Lunge operieren, viele Mediziner stark übergewichtig sind und ihren Patienten die Risiken des Übergewichts erklären, die mangelnde Konsequenz von Erziehungswissenschaftler als eines der Hauptübel in den falschen Entwicklung unserer Kinder gesehen wird und die Lehrer sich über diese Kinder beklagen, obwohl leider für eine Vielzahl von Lehrern konsequentes Handeln ein Fremdwort ist.

Und wenn schon die Wissenschaftler, die sich trotz festgestellter DNA Brüche unverständlicherweise ein Handy ans Ohr halten sollen, dafür herhalten sollen, dass die Sache so gefährlich gar nicht sein kann, dann kann man genauso gut diese 3 Gehirnchirurgen als Beispiel heranziehen, die nur mit Freisprecheinrichtung telefonieren und sich das Handy nie ans Ohr halten würden. Die sind doch berufsbedingt nahe am evtl. Geschehen. Und wenn es dann zu solchen Überschriften kommt, wie in dem verlinkten Beitrag, dann nennt man das Polemik. Denn diese Gehirnchirurgen leben m.E. - vielleicht sogar berufsbedingt - das Vorsorgeprinzip, ob die Gefahr real ist, wissen selbst die noch nicht.

Tags:
Kinder, Rauchen, Protagonisten, Inkonsequenz, DNA, Matthes, Uebergewicht, Genschäden, Raucher


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