Bald Mobilfunkvorsorgekonzepte von Diagnose-Funk? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 13.04.2014, 01:06 (vor 3860 Tagen)

Peter Hensinger, Mitglied im Vorstand des Anti-Mobilfunk-Vereins Diagnose-Funk, Stuttgart, ist gelernter Drucker. Und neuerdings kann er angeblich auch Berechnungen für Mobilfunk-Immissionen anstellen. So steht es zumindest in der Stuttgarter Zeitung:

Die Anwohner, die direkt am geplanten Sendemast wohnen, wären einer Belastung von 128 270 Mikrowatt pro Quadratmeter ausgesetzt, so Hensingers Berechnung. „Das ist erschreckend hoch“, sagt er.

Dass ein Vorstand des Anti-Mobilfunk-Vereins Diagnose-Funk eine Immissionsprognose abgibt ist neu. Über die Qualität der Prognose will ich mich jetzt nicht weiter auslassen, ich halte sie schlicht für falsch, falsch im Sinne von deutlich zu hoch. Unqualifiziert auch die unprofessionelle Einheitenwahl (Mikrowatt pro Quadratmeter) und die auf zehn Mikrowatt genau Nennung eines Werts, was in Anbetracht von rd. ±50 Prozent Messfehler schlicht sinnleer ist. Aber gut, woher soll Hensinger es als gelernter Drucker auch wissen ...

Das eigentlich interessante aber ist: Sollte der Zeitungsbericht zutreffen, sehe ich in dem Auftritt Hensingers einen Fingerzeig, dass Diagnose-Funk ins Geschäft mit Immissionsprognosen und Mobilfunkvorsorgekonzepten einsteigen möchte.

Dies wäre die logische Fortsetzung der Vereinsarbeit, die auf das Schüren und Wecken von Ängsten gegenüber Funkquellen ausgelegt ist. Gelang es auf Grundlage dieser Angstinjektionen einen Gemeinde- oder Stadtrat unter Druck zu setzen und zu überreden, dass dieser ein Mobilfunkvorsorgekonzept bestellt, ging der Auftrag bislang an einen der wenigen Anbieter solcher überflüssigen Vorsorgekonzepte. Ob Diagnose-Funk dann gänzlich leer ausging oder sich Zuwendungen der Auftragnehmer erfreuen konnte, ist nicht bekannt. Mehr hängen bleibt bei dem Verein auf jeden Fall, wenn Panik verbreiten (gratis) und Panik nehmen (kostenpflichtig) in einer Hand bleiben, und Diagnose-Funk das Geschäft in Eigenregie abwickelt. Ob dies dann der Verein selbst macht oder einen Strohmann zwischenschaltet, ist nebensächlich.

Ein zweiter Fingerzeig stützt den ersten. Am 1. März 2014 beschloss das parteifreie Stuttgarter Bündnis SÖS sein kommunalpolitisches Programm 2014 (PDF, 48 Seiten). Kein Beinbruch, so etwas kann schon mal passieren. Doch ab Seite 41 wird deutlich: Das Bündnis hat einen Einlauf von Diagnose-Funk erhalten, es vertritt die Positionen des Vereins und gebraucht dessen Argumente, auch wenn sie noch so falsch sind. Nicht weiter schlimm, denn Papier ist geduldig. SÖS aber geht weiter und fordert "Eindämmen des Wildwuchses von Sendeanlagen durch ein Mobilfunkvorsorgekonzept". Die Stadtverwaltung soll demnach vom Gemeinderat beauftragt werden, ein Mobilfunkvorsorgekonzept zur Eindämmung der unkontrolliert zunehmenden Strahlenbelastung zu erstellen. Päng, Volltreffer, das wäre ein fetter Auftrag im Wert von einigen hunderttausend Euro (dass ein Antrag der Grünen für ein verdächtig gleiches Konzept erst Anfang 2014 in Stuttgart abgelehnt wurde, lassen wir jetzt mal außen vor)! Diagnose-Funk wäre mit einem solchen Großauftrag mMn jedoch überfordert, um sich nicht zu blamieren müsste der Verein gegenwärtig noch fremde Hilfe einkaufen. So wie das auch ein anderer Verein praktiziert (Umweltinstitut München), der letztlich nur als Generalauftragnehmer fürs Marketing und den Vetrieb der angebotenen Mobilfunkvorsorgekonzepte verantwortlich ist, die eigentlich Arbeit erledigt ein selbständiger Techniker am Chiemsee.

Das Geschäft mit Mobilfunkvorsorgekonzepten blüht seit ungefähr 2005, was erstaunlich ist, denn objektiv betrachtet ist dieses Geschäftsmodell so sinnfällig wie der Verkauf von Kühlschränken an Eskimos. Doch es funktioniert, besonders gut dort, wo man von der Mobilfunkdebatte nichts weiß, oder nichts wissen will, und deshalb alles glauben muss, was einem aufgetischt wird. Es empfiehlt sich deshalb wach zu bleiben und nach geforderten Mobilfunkvorsorgekonzepten Ausschau zu halten. Spannend ist dann: Wer fordert, wer steht als Anstifter der Forderung im Halbdunkel und wohin wird der Auftrag vergeben.

Hintergrund
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Diagnose-Funk, Einflussnahme, Antennenwildwuchs, Partei


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