Faktencheck: Diagnose-Funk will TAB-Bericht entwerten (II) (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 20.06.2021, 19:03 (vor 1110 Tagen) @ H. Lamarr

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Gemäß der "Pressemitteilung" des Interviewers soll Gutbier gesagt haben "Das ist ein echter Lobby-Skandal, was sich das Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestags da leistet!" Im Text des Interviews, das wahrscheinlich kein echtes Interview war, sondern ein zuvor verabredeter und per E-Mail beantworteter Fragenkatalog, findet sich das Skandal-Zitat jedoch nicht. Da hat Gutbier Glück gehabt, 5g-anbieter.info hingegen muss sich den Vorwurf gefallen lassen, das belanglose Interview mit einem selbsternannten Experten zu einem substanzlosen "Lobby-Skandal" aufzubauschen. Für ein inszeniertes Ping-Pong-Spielchen zwischen Diagnose-Funk und 5g-anbieter.info spricht, dass zeitgleich mit dem Interviewer auch der Stuttgarter Verein eine eigene "Pressemitteilung" herausgegeben hat. Erst in dieser findet sich das Gutbier-Zitat, das im Interview fehlt. Mögliches Motiv für das inszenierte Ping-Pong-Spielchen: Der krampfhaft um Beachtung bemühte Stuttgarter Verein möchte den Eindruck erwecken, sein erster Vorsitzender sei ein gefragter Interviewpartner.

Dummerweise ist der angebliche Lobby-Skandal nun nicht dem TAB anzulasten, sondern den Fraktionen des Deutschen Bundestages. Das muss ein wahrlich mächtiger Lobbyist gewesen sein, der gleich sechs Berichterstatter, die ihrerseits nicht immer einer Meinung sind, erfolgreich zur Auftragsvergabe an die FSM überreden konnte! Ich meine sogar, diesen Super-Lobbyisten zu kennen: Er treibt überall unter dem Pseudonym "bestes Preis-Leistungs-Verhältnis" sein Unwesen :-).

Die liebe Tochter Ärgerlich, die weiß nicht was sie will

Doppelzüngigkeit ist für Diagnose-Funk ein existenzielles Problem. Der Verein dreht und wendet Sachverhalte gerne so, wie es ihm gerade in den Kram passt. Dass die Darbietungen zuweilen diametral auseinander liegen, scheint die Sprecher des Vereins nicht zu stören. Beispiele für diese böse Schwester der Widersprüchlichkeit sind hier im Forum ausgiebig dokumentiert. Neu kommt jetzt die FSM hinzu.

Glaubt man Gutbier, handelt es sich bei der FSM um eine böse "Lobbyzentrale", die nur eines im Sinn hat: Die Risiken der Mobilfunkstrahlung im Auftrag der Mobilfunkindustrie in höchsten Tönen schön zu reden. Bei eher schlichten Gemütern verfängt eine solche populistische Simplifizierung, sie erspart einem eigene Denkarbeit. Gemäß Gutbier ist das TAB also "politisch dreist", weil es ein wichtiges Gutachten an die böse FSM vergeben hat. Da weiß man doch schon jetzt, was im Frühsommer 2022 auf uns zukommt.

Das ist die eine Zunge des Jörn Gutbier.

Mit seiner zweiten Zunge sprach er am 7. Mai 2021 in einer Werbeveranstaltung seines Vereins, die zugehörigen Folien sind hier zu bewundern. Es geht um die Folien auf den Seiten 2 und 3. Stolz präsentiert der Wahlschwabe zuerst eine Tabelle aus der Untersuchung "Divergierende Risikobewertungen im Bereich Mobilfunk". Denn Diagnose-Funk war von 80 Teilnehmern der Mobilfunkdebatte einer der wenigen, die vertieft analysiert wurden. So etwas tut gut, wenn man sich nach Beachtung sehnt.

Gutbier nennt als Quelle der Untersuchung eine "Stiftung Risiko-Dialog St.Gallen". Das ist nicht falsch, denn einer der beiden Autoren steht tatsächlich in Diensten dieser Stiftung. Der andere Autor aber ist Gregor Dürrenberger. Und der ist kein Geringerer als Geschäftsführer der FSM.

Irgendwelche Zweifel an seiner FSM-kontaminierten Quelle lässt Gutbier seine verstörten Zuhörer allerdings nicht wissen. Im Gegenteil, er meint, allein die divergierenden Aussagen der zweiten Tabelle auf Seite 3 würden schon die Anwendung des Vorsorgeprinzips rechtfertigen. Das ist zwar wieder nur eine populistische, also stark verkürzte Sichtweise, andererseits adelt Gutbier damit unbeabsichtigt die FSM und konterkariert seine Anfeindungen der FSM in dem vorgeblichen Interview.

Wer sich die besagte Untersuchung angelt und nach den Gründen der divergierenden Risikobewertungen sucht, wird schnell erkennen, was ich mit verkürzter Sichtweise meine. Wer zudem schmerzunempfindlich ist und sich den sprechenden Gutbier in der anstrengenden Diagnose-Funk-Eigenwerbung unbedingt selbst anschauen möchte, der kann dies hier von Minute 53:13 bis 54:33 tun. Viel Spaß! :wink:

Hintergrund
Erster TAB-Bericht über Mobilfunkrisiken (2003)
Bundestag: TAB bereitet (zweiten) Bericht über EMF-Technikfolgen vor (2020)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Entwertung, Inszenierung, Unwissenheit, Gutbier, TAB, Pressemitteilung, Popanz, Faktencheck, Dürrenberger, FSM, Blähboy, Pseudo-Experte, Divergierende Risikobewertung, Uminterpretation, Doppelzüngig, Technikfolgenabschatzung


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