Baumschäden nach Waldmann-Selsam: Wie alles begann … (Allgemein)
Baumschäden durch Mobilfunk: Auf tönernen Füßen …
Die Ärztin Waldmann-Selsam wurde mir durch den SPIEGEL bekannt.
Der Artikel vom Hamster von 2007 ist ein Klassiker:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-51373594.html
Ihre Baum-Studien wurden hier im IZgMF-Forum mehrfach auf die eher leichte Schulter genommen.
Ich wollte mal wissen, ob an der Sache auch was dran sein könnte, was nicht nur Hohn und Spott rechtfertigt. Also habe ich in der Suchmaschine eingeben „Waldmann-Selsam Baumschäden“.
Und ganz oben in der Fund-Liste hat mir diagnose:funk, immer die bewährte Adresse für harte Fakten , gleich helfen können:
Dieser Waldmann-Selsam-Text ist bei diagnose:funk verlinkt:. Wohl der Grund-Text ihres Anliegens:
http://www.mobilfunkstudien.de/assets/umg_baumschaeden_20133_waldmann_eger.pdf
Auf Seite 2 des PDF wird als Kronzeuge für Baumschäden durch Funk Dr. Alois Bernatzky benannt.
Zitat von dieser Seite 2: „Das Fachbuch „Baumkunde und Baumpflege“ aus dem Jahr 1994 von Dipl. hort. Dr. phil. nat. Aloys Bernatzky und Veröffentlichungen aus acht Jahrzehnten belegen jedoch, dass die Aussage des Bundesamtes für Strahlenschutz sich nicht auf den tatsächlichen Stand wissenschaftlicher Dokumentation stützen kann (BERNATZKY 1994, WALDMANN-SELSAM 2010).“
Das hat mich interessiert. Auf welchen akademischen Fachmann beruft man sich hier, um das Bundesamt für Strahlenschutz zu relativieren und die eigenen Vorstellungen zu untermauern?
Den angeblich damals tatsächlichen Stand wissenschaftlicher Dokumentation findet man also in diesem Buch:
Bernatzky, Alois: Baumkunde und Baumpflege, Thalacker 1994 … ISBN 3-87815-056-3
Ganz mühelos war dieses längst vergriffene Büchlein nicht zu besorgen.
Und was hält man, wenn gelungen, in der Hand? Einen gut geschrieben Garten- und Bäume-Ratgeber. Zielgruppe dürften (damals!) Stadtgärtner und –Planer gewesen sein, also Praktiker für Straßen-Bäume. Viele Tipps und lange Listen geeigneter Baumsorten, viel Besorgnis wegen Streusalz. Und viel zu richtigem Baum-Schnitt, Baum-Reparatur und Baum-Krankheiten. Nichts, was einem Nicht-Gärtner die Haare zu Berge stehen lässt. Der Autor hat auch einen Garten-Kalender bei Bertelsmann veröffentlicht. Viele eher altertümliche Abbildungen, eigene Handzeichnungen, ein Paar Fotos. Eben Praktiker-Tipps aus einem langen engagierten Leben und aus der Liebe zu Bäumen.
Der Autor nennt völlig redlich die Herkunft seines Wissens durch Hinweise auf andere Autoren und auch auf die Herkunft seiner Bilder und schließt mit einer langen Literatur-Liste ab. Soweit völlig in Ordnung und lobenswert.
Nach zweihundert Seiten ohne Alarm kommt aber zum Abschluss noch ein kurzes Kapitel: „Radiästhesie – Ein Hilfsmittel für Bäume“. Und erst jetzt wird es ein wenig spannend. Denn es geht um Baum-Diagnose mit Wünschelruten-Gehen. Jetzt kommen die Szene-Begriffe wie Wasseradern, Gitterlinen, Lecher-Antenne und den Rest können wir uns besser sparen, sofern wir die Schule nicht bereits nach Klasse 7 verlassen haben.
Der Autor freut sich auf Seite 211, dass das Wünschelrutengehen bereits wissenschaftlich bestätigt und abgesegnet sei.
Dazu bemüht er den „Wünschelrutenreport“, München 1989, eine Studie Münchener Professoren, für die damals DM 400.000.- Steuergeld investiert worden sein sollen.
Drei Meinungen zu diesem „Wünschelrutenreport“:
Uni Stuttgart:
http://www.geophys.uni-stuttgart.de/erdstrahlen/ref3.htm
Und im SPIEGEL 38/1995
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9222349.html
Und auch Psiram würdigt diesen „Report“:
https://www.psiram.com/ge/index.php/W%C3%BCnschelruten-Report
Das wissenschaftliche Ansehen des Herrn Bernatzky dürfte damit ramponiert sein, wenn es der sehr freundlich schreibende ältere Herr mit seinen Tipps aus der langjährigen eigenen Praxis überhaupt je angestrebt haben sollte.
Und ganz am Ende des Buches kommen noch zehn Seiten mit der Überschrift „Neuartige Waldschäden (Waldsterben)“ mit angeblichen Baumschäden durch böse Strahlen. Wenig Text, wenig Substanz, dafür viele Tabellen und Bilder. Dabei geht es (Veröffentlichung Mitte der 90er-Jahre) um UKW, Radar und Richtfunk, der gar fürchterliche Schneisen in all die Wälder brennt und nur den Baumwipfel vernichtet, wenn der darunter befindliche Baum von einem Haus geschützt wird.
Nein, trotz Bezügen auf allgemein bekannte und angesehene Wissenschaftler entsteht hier nicht der Eindruck, dass beim Autor über die Biologie hinausgehende technisch-naturwissenschaftliche Grundkenntnisse überhaupt gegeben sind.
Schade, warum hat sich der um die Bäume so hoch-verdiente alte Herr das so kurz vor seinem Ableben noch angetan? Dr. Bernatzky bleibt bei den Baumschäden durch elektromagnetische Wellen merkwürdig im Ungefähren, zitiert andere Autoren, selbst hat er offensichtlich keine eigene Forschung betrieben. Er erzählt aus seinem reichen Erfahrungsschatz und was er sich angelesen hat …
Als „Kronzeuge“ für Baumverfall durch Elektrosmog ist er eher nicht überzeugend. (Das könnte man jetzt auch viel deutlicher ausdrücken, aber Friede seiner Asche.) Er stand wohl in erster Linie auf viel Praxis und Erfahrung und zusätzlich eben auch auf Erdstrahlen und Wünschelruten-Gängerei.
Dr. Bernatzky hat sein Wissen über Baumschäden wohl auch von Alex L. Shigo, einem amerikanischer Wissenschaftler, den er zitiert und mit dem er bekannt war.
Bei wikipedia erfährt man mehr über ihn:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alex_Shigo
Und in der Zeitschrift forstpraxis.de:
http://www.forstpraxis.de/20-jahre-baumpflege
Allerdings: Der amerikanische Wissenschaftler äußert sich kompetent zu Baumschäden, zur angeblichen Ursache Elektrosmog verliert er kein Wort.
Nein, als Beleg für den wahren und damals aktuellen Stand der Wissenschaft eignet sich das Büchlein nun absolut nicht. Wer damit argumentiert, stellt seine eigene Ernsthaftigkeit in Frage. Eine noch dürftigere Basis hätte die Ärztin für ihr Anliegen kaum finden können.
Nett zu lesen: Frau Dr. Waldmann-Selsam zitiert hier auf Seite 3 des PDF (ihr Schreiben vom 12.02.2015(!) der Ärzte-Initiative Bamberger Appel an die Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München) den längst verstorbenen Wünschelruten-Gläubigen immer noch:
https://www.gigaherz.ch/wp-content/uploads/2015/06/Text-Baumsch%C3%A4den-Waldmsnn-Selsam.pdf
Und was ich nebenher auch noch gefunden habe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Radi%C3%A4sthesie#Instrumente
„Zwischen 1930 und 1945 erreichte die „Strahlungssucherei“ ihre Hochblüte, …“
Aha und ojeh!
Trebron