Diagnose-Funk: wahrscheinlich Urheberrecht von Stoa verletzt (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 15.04.2022, 18:24 (vor 939 Tagen)

Im Auftrag des Büros für Technikfolgenabschätzung am Europäischen Parlament (Stoa) verfasste die Italienerin Fiorella Belpoggi eine Übersichtsarbeit zum Thema "5G und Gesundheit". Belpoggi, eine erklärte Mobilfunkkritikerin, begeisterte damit den Stuttgarter Verein Diagnose-Funk so ungemein, dass dieser den 198-Seiten-Wälzer vom Englischen ins Deutsche übersetzte und das Buch nun für 24,90 Euro verkaufen möchte. Doch wie es aussieht, hat der Verein die Rechnung ohne Stoa gemacht.

Belpoggis Übersichtsarbeit (Review) ist nach wie vor Gegenstand einer Kontroverse. Denn aus Sicht des IZgMF ist nicht einzusehen, warum Stoa ausgerechnet eine bekennende Mobilfunkkritikerin mit einer Dokumentation "5G und Gesundheit" beauftragt hat. Immerhin dient diese tendenziöse Dokumentation der Information sämtlicher Mitglieder des Europaparlaments. Stoa weigert sich – wie hier nachzulesen – bislang hartnäckig, Details der Auftragsvergabe offen zu legen. Gibt die EU-Institution nicht nach, bleibt mir als ultimatives Mittel nur noch die Berufung auf Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. Stoa ist darüber informiert und hat noch bis Mitte Mai Zeit zu reagieren.

Screenshot Diagnose-Funk-Shop (Auszug) vom 15. April 2022.
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Ganz anders sieht der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk die Belpoggi-Review. Da diese alarmierend ist, setzt der auf Alarm gebürstete Verein alles daran, das Papier in den D-A-CH-Ländern publik zu machen. Mittel zum Zweck ist die Übersetzung des Originals ins Deutsche. Ein PDF der Übersetzung bietet Diagnose-Funk unentgeltlich an, für ein gedrucktes Exemplar werden 24,90 Euro zuzüglich Versandkosten fällig. Wie üblich greift der Verein auch diesmal zu einem Trick, um die Übersetzung zum Objekt der Begierde zu machen: Großspurig erklärt er auf der Titelseite die Review zu einer "STOA-Studie" und erweckt damit den irreführenden Eindruck, Stoa sei der Verfasser. Noch übler ein anderer Text auf der Titelseite: "Herausgegeben vom Technikfolgenausschuss des Europäischen Parlaments (STOA)". Als ob Stoa und Diagnose-Funk partnerschaftlich ein Gemeinschaftsprojekt abgewickelt hätten. Was daran faul ist werden wir gleich sehen.

Aber: Dürfen sich die Stuttgarter überhaupt einfach so der Belpoggi-Review bemächtigen und damit Kasse machen?

Nein, dem steht das Urheberrecht entgegen. Ohne Einverständnis des Rechteinhabers geht (fast) gar nichts. Räumt ein Rechteinhaber einem anderen generös eine Zweitverwertung ein, bedankt sich der Nutznießer üblicherweise an gut sichtbarer Stelle mit der Floskel "mit freundlicher Genehmigung von ...". Die aber hat sich Diagnose-Funk verkniffen.

Hat Stoa vielleicht die Zweitverwertung bedingungslos erlaubt? Nein, auch das ist nicht der Fall. Auf Seite II des Originals heißt es unmissverständlich:

Reproduction and translation for non-commercial purposes are authorised, provided the source is acknowledged and the European Parliament is given prior notice and sent a copy.

Gegen diese Regelung spricht der üppige Verkaufspreis, den die Stuttgarter für ein gedrucktes Exemplar fordern. Und wie haben sie es mit der Bedingung gehalten, das Übersetzungsprojekt vorsorglich beim EU-Parlament anzumelden?

Ich habe mir erlaubt, bei Stoa nachzufragen. Dort weiß man nach bestem Wissen und Gewissen nichts von einer Projektanmeldung durch Diagnose-Funk, geschweige denn von einem Einverständnis. Dies verleiht der zuvor erwähnten üblen Textpassage auf der Titelseite ein besonders unangenehmes Geschmäckle. Stoa sieht in der Angelegenheit kein Kavaliersdelikt. Weiter heißt es in der Antwort, der Stoa-Vorstand werde sich damit befassen, Diagnose-Funk eine Stellungnahme abverlangen und dann über Maßnahmen entscheiden. Das liest sich jetzt entschlossen, es würde mich jedoch wundern, käme am Ende mehr als ein Tadel zustande. Entscheidend wird sein, ob Diagnose-Funk das gedruckte Exemplar weiter und unverändert für stolze 24,90 Euro anbieten darf, gegen geringeres Entgelt, mit von irreführenden Behauptungen befreiter Titelseite oder schlicht gar nicht.

Wir werden's sehen ... :yes:

[Admin: Link zum Diagnose-Funk-Shop nachgetragen am 15.04.22, 22:05 Uhr]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Geschäftsmodell, Diagnose-Funk, Desinformation, Täuschung, Europaparlament, Irreführung, Kommerz, Urheberrechtsverletzung, Uebersetzung, Trittbrettfahren, Lenkungsgruppe, Urheberrecht, Ehler, STOA-Kampagne, STOA-Studie


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