Auszug aus Traumhaus: Familie flüchtet vor UMTS-Mast (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 22.04.2014, 00:49 (vor 3853 Tagen) @ H. Lamarr

Gegen Ende 2007 wurde im Münchener Stadtteil Lerchenau ein UMTS-Mobilfunkmast auf einem Hausdach inmitten eines gewachsenen Wohngebietes mit frei stehenden Einfamilienhäusern errichtet. Es war kein gewöhnlicher Mast, denn der Netzbetreiber (Telekom) hatte ihn vorsorglich so getarnt, dass er aussieht wie ein silbrig glänzendes Ofen- oder Entlüftungsrohr, das ungefähr drei Meter aus dem Dach ragt und dort, wo die Antennen sind, so verdickt ist wie eine dünne Schlange, die soeben ein dickeres Beutetier verspeist hat (siehe Fotos hier).

Doch die Tarnung nützte nichts, zwei Anwohner, eine davon Frau G., forschten nach, gerieten in Panik und organisierten das, was in solchen Fällen nahezu immer passiert: eine "Informationsveranstaltung" mit einem Referenten aus der Anti-Mobilfunk-Szene. Damals trat Herr Ulrich-Raithel für das Umweltinstitut München auf. Nicht so recht überzeugend, denn wie üblich wusste er zwar einen Alternativstandort, doch der Mast war ja bereits errichtet und irgendwann während der Veranstaltung begriffen die Besucher, dass sie den soeben erst errichteten Mast auch mit Ulrich-Raithel nicht los werden würden.

Das IZgMF bot den beiden Initiatoren der Veranstaltung an, bei ihnen zu messen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich das großzügige Haus der Familie G., es steht in unmittelbarer Nachbarschaft des Hauses mit dem UMTS-Mast, auch von innen betrachten. Es ist ein ausgesprochen großzügig gestaltetes schönes Haus mit einem geschätzten Wert im 6-stelligen Bereich. Im Haus kam mir dann eines der Kinder ganz zwanglos mit einem Handy am Ohr entgegen, die Mutter sagte dazu nichts. Als bei der Messung dann unspektakuläre Werte herauskamen (im Haus unter 10 µW/m², im Freien etwa 30 µW/m²), versuchte ich Frau G. zu beruhigen. Doch der Zug war bereits abgefahren, Frau G. kündigte an, die Familie werde in den Keller ziehen, um künftig dort zu schlafen. Damit war klar wo Frau G. sich informierte, ich hatte sie schon verloren bevor ich angefangen habe, denn Frau G. wollte von Entwarnung nichts wissen, von Warnung dagegen alles.

In der Folgezeit verlor ich die Familie aus den Augen.

Vor ein paar Tagen aber war ich noch einmal vor Ort, weil mir beim Vorbeifahren aufgefallen war, dass der Ofenrohr-Mast noch eine weitere Verkleidung (Kamin) bekommen hat. Dabei kam ich mit einer 82-jährigen Nachbarin von Familie G. ins Gespräch. Sie berichtete, die Familie habe ihr schönes Haus wegen dem UMTS-Masten aufgegeben und sei fortgezogen. Die Schwiegereltern nebenan würden aber noch da sein und auch sonst hätte es seit 2007 um den Masten keine Aufregung mehr gegeben. Nur Frau G. wäre noch eine zeitlang unterwegs gewesen, um die Nachbarn in größeren Umkreis vergeblich gegen den Masten zu mobilisieren. Was Sie denn selbst von dem Masten hielte, fragte ich die alte Dame. Sie wohne zwar nur wenige Meter entfernt in einem Nachbarhaus, sagte sie, hätte jedoch keine Angst. Es wäre damals jemand da gewesen, der gemessen habe, und dabei sei deutlich geworden, der Münchener Fernsehturm hätte an Ort und Stelle das stärkste Signal zu verantworten. Der Fernsehturm wurde anlässlich der Olympiade in München errichtet und 1968 fertig gestellt. Für die Ängste von Frau G. zeigte die Nachbarin keinerlei Verständnis, die genaue Formulierung war etwas drastischer.

Die irrationale Flucht von Familie G. aus ihrem Traumhaus ist wieder einmal ein "schöner" Erfolg der Anti-Mobilfunk-Hetzseiten im Internet und möglicherweise auch Herrn Ulrich-Raithel mit anzulasten. Ohne die Desinformation über angeblich schreckliche Folgen selbst schwächster Funkbefeldung wäre die Familie mit Sicherheit unbesorgt in ihrem Haus geblieben. So aber haben eingeredete Bedenken aus unqualifizierten Quellen insbesondere Frau G. in eine Angstspirale getrieben, die für sie nur mit einer Flucht aus ihrem Haus zu verlassen war. Der Ehemann und die Kinder, die meines Erachtens gegenüber Mobilfunk leidenschaftslos waren, beugten sich dem Wunsch der Mutter möglicherweise ächzend.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Umweltinstitut München, Angst, Doppelmoral, Alarmschläger, Geschichte, Ulrich-Raithel, Nutznießer, Schaden, Auszug, Geschädigte


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