Freiburger Appell 2009: Einsturz eines Eckpfeilers (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 25.09.2009, 21:50 (vor 5524 Tagen)

[Admin: Strang nach Prüfung wieder frei geschaltet am 30.10.2011]

Der Erfolg hat viele Väter. Und deshalb rühmen sich nicht wenige, "Initiatoren" des Freiburger Appells aus dem Jahr 2002 zu sein. Einer der es wissen muss sagt zu diesem Appell, dies sei der einzige Ärzteappell zum Mobilfunk, der erfolgreich gewesen sei. Noch heute würden Unterschriften zur Unterstützung dieses Papiers hereintröpfeln.

Auslöser dieses und ähnlicher Appelle sind Ärzte, die "in großer Sorge" sind, weil sie angeblich einen "dramatischen Anstieg schwerer und chronischer Erkrankungen" in der Bevölkerung beobachtet haben wollen. Und schuld an alledem sei der Mobilfunk. Das sitzt! Denn Ärzte haben den Nimbus von Kompetenz, und wenn Halbgötter in Weiß Alarm schlagen zum Wohle der Bevölkerung, dann ist damit eine gewisse Dramatik verbunden. Kein Wunder also, dass der gut organisierte Freiburger Appell viele Unterzeichner fand. Die gesammelten rd. 40'000 Unterschriften wurden dann eine zeitlang wie sauer Bier hin und hergeschoben, weil keiner der Macher so recht etwas damit anzufangen wusste, bevor sie Mitte 2005 von Frau Dr. Waldmann-Selsam dem EMF-Forschungskoordinator der WHO übergeben wurden. Vermutlich hat der sie anschließend im Genfer See versenkt, denn seither ist es, von gelegentlichen Aufwärmversuchen einmal abgesehen, totenstill geworden um den Freiburger Appell.

Was bei heldenhaften Aktionen, wie dem Ausarbeiten eines Appells, im Eifer des Gefechts in aller Regel nicht stattfindet, ist eine Prüfung der von den Appell-Initiatoren subjektiv "gefühlten" Bedrohung - sie wird vielmehr wie selbstverständlich als objektiv und wahr hingenommen und von den Unterstützern nicht im geringsten angezweifelt.

Wie aber steht es wirklich um die gefühlte Sorge der Ärzte?

Darüber hat jetzt ein Autorenteam (Anja zur Nieden, Corinna Dietz, Thomas Eikmann, Jürgen Kiefer, Caroline E.W. Herr) einen Artikel publiziert, der einen Eckpfeiler des Freiburger Appells zum Einsturz bringt. Denn für keines der betrachteten Symptome und Krankheitsbilder (Alzheimer's disease, dementia, sleep disturbances, tinnitus, cerebrovascular disease, ischemic heart-diseases, headache, migraine) konnte bei der Auswertung ein gegenüber 1993 - dem Beginn des Digitalfunks in Deutschland - "dramatischer Anstieg" der Fallzahlen festgestellt werden. Ausgewertet wurden dazu national und international zugängliche Datenbestände. Die Autoren schließen daraus, dass die Behauptungen des Freiburger Appells mit hoher Wahrscheinlichkeit keinerlei Entsprechung in der tatsächlichen Entwicklung der Volksgesundheit haben. Leider ist der Artikel deutscher Autoren in englisch und noch dazu kostenpflichtig. Ein Ärgernis, denn so können substanzlose oder -arme Ärzteappelle zu vermeintlichen EMF-Risiken weiterhin auf "breites" Interesse stoßen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Game over, Appell, Verein, Mediziner, Freiburger-Appell, Eikmann, Aerzteappell, Herr, Halbgötter in Weiß


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