Hier sind zwei Bilder zu sehen, die aus je vier Teilbildern bestehen. Beide Bilder wurden von Gandhi et al., 1996, anlässlich einer Studie veröffentlicht. Beide Bilder zeigen mit drei der vier Teilbilder anhand von Simulationen, wie tief Funkstrahlung in den Kopf von Menschen eindringt, wenn diese erwachsen sind (a), zehn Jahre alt (b) oder fünf Jahre alt (Kennbuchstabe fehlt).
Das Bild links kennt (in mehr oder weniger geschönter Form) jeder, das Bild rechts kennt so gut wie niemand.
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Bilder: Gandhi et al., 1996
Was steckt dahinter?
Das Bild links (im Original Fig. 2) ist spektakulär. Denn es zeigte einen dramatischen Zuwachs der Eindringtiefe von Funkstrahlung in den Kopf von Kindern, je jünger, desto tiefer. Dieses Bildmotiv ist heute in mindestens zehn großen Online‑Archiven weltweit verfügbar und es wurde in mehreren Dutzend wissenschaftlichen Arbeiten sowie in zahlreichen populärwissenschaftlichen oder aktivistischen Beiträgen weltweit übernommen (Quelle: ChatGPT).
Das Bild rechts (im Original Fig. 3) ist unspektakulär. Denn es zeigt keinen dramatischen Zuwachs der Eindringtiefe von Funkstrahlung in den Kopf von Kindern. Deshalb hat ChatGPT nach kurzer Recherche die Abschätzung für realistisch befunden, für Fig. 3 interessierten sich nur ein bis vier Prozent der Personen, die sich für Fig. 2 interessieren.
Was unterscheidet Fig. 3 von Fig. 2?
Die beiden Bilder unterscheiden sich in nur zwei funktechnischen Parametern:
Fig. 2: Frequenz = 835 MHz, Strahlungsleistung = 600 mW
Fig. 3: Frequenz = 1900 MHz, Strahlungsleistung = 125 mW
Damit liegt auf der Hand, warum Fig. 2 so spektakulär ist: Die Strahlungsleistung ist ungefähr fünfmal höher als bei Fig. 3 und sie profitiert zusätzlich von der tiefen Trägerfrequenz (835 MHz), die Objekte (hier Kopf) besser durchdringt als höhere Trägerfrequenzen.
Weltweit verwursteten Mobilfunkgegner Fig. 2 ohne auch nur einen Funken Rücksicht auf die US-amerikanischen funktechnischen Parameter zu nehmen, die dem Bild zugrunde liegen. Es zählte allein die schauderhafte Eindringtiefe in Kindsköpfe, mit der sich Eltern vorzüglich verunsichern ließen.
In unseren Breiten gab es zum Entstehungszeitpunkt der Bilder keinen Mobilfunk auf 835 MHz und 1900 MHz. GSM900 nutzte im Uplink 890 MHz bis 915 MHz und GSM1800-Mobiltelefone sendeten auf 1710 MHz bis 1785 MHz. Wegen der nicht unerheblichen Abweichungen von den US-Frequenzen darf angenommen werden, dass Fig. 2 mit den europäischen Frequenzen etwas weniger spektakulär ausgesehen hätte und Fig. 3 dafür etwas spektakulärer. Vertiefen muss man diesen Gedanken aber nicht. Denn bekanntlich ist ohnehin seit spätestens 2002 klar, dass beide Bilder, vor allem aber Fig. 2, wegen fehlerhafter Skalierung die Eindringtiefe von Funkfeldern bei Kindern unzutreffend wiedergeben.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –