WHO systematischer Review zu Hirntumoren veröffentlicht (Forschung)

e=mc2, Freitag, 06.09.2024, 23:14 (vor 10 Tagen)

Mittlerweile ist nun auch die Meta-Analye der epidemiologischen Studien zu Hirntumoren veröffentlicht worden. Medienberichte dazu gibt es hier, hier, hier, hier etc.

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WHO, Hirntumor, Review

WHO systematischer Review zu Hirntumoren veröffentlicht

H. Lamarr @, München, Samstag, 07.09.2024, 01:03 (vor 10 Tagen) @ e=mc2

Medienberichte dazu gibt es [...] hier [...]

Auszug:

Es wäre ein Leichtes, einen Text zu schreiben, in dem eine Reihe Studien vorkommt, die suggerieren, dass Handystrahlen Krebs im Gehirn verursachen könnten. Denn diese Studien gibt es. Sie sind zum Teil sogar an renommierten Universitäten entstanden und in guten wissenschaftlichen Fachzeitschriften erschienen. Die Aufmerksamkeit wäre einem wohl sicher, die Angst, die man schürte, groß. Nur wäre es nicht seriös – stellen diese Studien eben nur einen Teil der gesamten Forschung dar und haben ihre Schwächen. [...]

Liest sich für mich, als sei Ingo Arzt, Autor des Zeit-Artikels, anlässlich seiner Recherche für "Was eine Metastudie über Handystrahlung verrät" auch bei den Websites hier gut bekannter Vereine vorbeigekommen, die sich der beschriebenen Methode ungeniert seit Jahren bedienen ...

Sieht so aus, als ob die WHO-Reviews des Jahres 2024 eben diesen Vereinen den RIP-Marsch bläst, anzuhören hier :-).

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

WHO systematischer Review zu Hirntumoren veröffentlicht

H. Lamarr @, München, Sonntag, 08.09.2024, 23:29 (vor 8 Tagen) @ e=mc2

Mittlerweile ist nun auch die Meta-Analye der epidemiologischen Studien zu Hirntumoren veröffentlicht worden. Medienberichte dazu gibt es hier, hier, hier, hier etc.

Hier noch ein Auszug aus der Washington Post (Stichwort "Watergate"):

[...] Cell towers, which shuttle phone calls and text messages around the world using radio energy waves, are also not a cancer risk, the researchers concluded.

Newer generation mobile networks, including third- and fourth-generation, or 3G and 4G, actually produce “substantially lower” radio frequency emissions than older networks, said Mark Elwood, an honorary professor of cancer epidemiology at the University of Auckland and a co-author of the review.

“There are no major studies yet of 5G networks, but there are studies of radar, which has similar high frequencies; these do not show an increased risk,” he said.

Karipidis said that having more cellphone towers actually reduces the amount of radiation emitted from cellphones, because they don’t have to work as hard to get a signal.

Keith Petrie, a University of Auckland expert who was not involved in the review, said that “worries about the health effects of new technology are common and tend to increase when a new technology is adopted widely or adopted quickly. This was seen during the covid-19 pandemic when people attacked cell towers believing a baseless theory that 5G towers spread the coronavirus.”

He added that the WHO-commissioned report was “a very comprehensive review by an esteemed international group.”

Übersetzung

[...] Die Mobilfunkmasten, die mit Hilfe von Funkwellen Telefonate und Textnachrichten in die ganze Welt übertragen, stellen ebenfalls kein Krebsrisiko dar, so die Forscher.

Mobilfunknetze der neueren Generation, einschließlich der dritten und vierten Generation (3G und 4G), erzeugen tatsächlich "wesentlich geringere" Funkfrequenzemissionen als ältere Netze, so Mark Elwood, Honorarprofessor für Krebsepidemiologie an der Universität von Auckland und Mitautor der Studie.

"Es gibt noch keine größeren Studien über 5G-Netze, aber es gibt Studien über Radar, das ähnlich hohe Frequenzen hat; diese zeigen kein erhöhtes Risiko", sagte er.

Karipidis sagte, dass mehr Mobilfunktürme die Strahlung von Mobiltelefonen reduzieren, weil diese nicht so hart arbeiten müssen, um ein Signal zu erhalten.

Keith Petrie, ein Experte der University of Auckland, der nicht an der Untersuchung beteiligt war, sagte, dass "Sorgen über die gesundheitlichen Auswirkungen neuer Techniken weit verbreitet sind und tendenziell zunehmen, wenn eine neue Technik weit verbreitet ist oder schnell eingeführt wird. Das hat man während der Covid-19-Pandemie gesehen, als die Menschen Mobilfunkmasten angriffen, weil sie der unbegründeten Theorie glaubten, dass 5G-Masten das Coronavirus verbreiten."

Er fügte hinzu, dass der von der WHO in Auftrag gegebene Bericht "eine sehr umfassende Überprüfung durch eine angesehene internationale Gruppe" sei.

Photonen aus der Hölle

Momentan gibt es zu dem Artikel 217 Kommentare. Der jüngste von Emil Mutz lautet:

Fake News, Fake News.

Jeder weiß, dass Mobiltelefone mit Photonen aus der Hölle betrieben werden und bei mehr als 99 Prozent der Nutzer Hirnkrebs verursachen - sofort oder später, es wird kommen.

Alle elektronischen Geräte werden mit Photonen aus der Hölle betrieben, Handys ganz besonders.

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WHO-Review zu Hirntumoren: And the Winner is ... nobody

H. Lamarr @, München, Montag, 09.09.2024, 22:31 (vor 7 Tagen) @ e=mc2

Schauen wir uns einmal an, zu welchen Schlussfolgerungen die Autoren der Review gekommen sind:

In Übereinstimmung mit dem veröffentlichten Protokoll wurden unsere endgültigen Schlussfolgerungen für jede Kombination von Exposition und Ergebnis getrennt formuliert und basierten in erster Linie auf der Evidenzlinie mit dem höchsten Vertrauen, wobei die Rangfolge der HF-Quellen nach Expositionsniveau, wie sie aus dosimetrischen Studien abgeleitet wurde, und die externe Kohärenz mit den Ergebnissen von Zeittrend-Simulationsstudien (beschränkt auf Gliome im Zusammenhang mit der Mobiltelefonnutzung) berücksichtigt wurden.

Für die HF-EMF-Exposition im Nahfeld des Kopfes durch die Nutzung von Mobiltelefonen gab es Hinweise mit mäßiger Sicherheit, dass sie wahrscheinlich nicht das Risiko erhöht für Gliome, Meningiome, Akustikusneurinome, Hypophysentumore und Speicheldrüsentumore bei Erwachsenen oder für pädiatrische Hirntumore (Hirntumoren bei Kindern/Jugendlichen).

Für die HF-EMF-Exposition im Nahbereich des Kopfes bei der Benutzung von Schnurlostelefonen gab es Hinweise mit geringer Sicherheit, dass sie das Risiko für Gliome, Meningiome oder Akustikusneurinome nicht erhöhen könnte.

Für die Ganzkörper-Fernfeld-HF-EMF-Exposition durch ortsfeste Sendeanlagen (Rundfunkantennen oder Basisstationen) gab es Hinweise mit mäßiger Sicherheit, dass sie das Leukämierisiko bei Kindern wahrscheinlich nicht erhöht, und Hinweise mit geringer Sicherheit, dass sie das Risiko für pädiatrische Hirntumore nicht erhöht. Es gab keine Studien, die für eine Aufnahme infrage kamen und die HF-EMF-Exposition durch ortsfeste Sendeanlagen und kritische Tumore bei Erwachsenen untersuchten.

Für die berufsbedingte HF-EMF-Exposition gab es Hinweise mit geringer Sicherheit, dass sie das Risiko von Hirntumoren/Gliomen nicht erhöht, aber es gab keine eingeschlossenen Studien zu Leukämien (dem zweiten kritischen Ergebnis bei beruflicher Exposition).

Die Bewertung der Evidenz bezüglich pädiatrischer Hirntumore im Zusammenhang mit umweltbedingter HF-Exposition durch ortsfeste Sendeanlagen sollte aufgrund der geringen Anzahl von Studien mit Vorsicht interpretiert werden. Ähnliche Vorsicht bei der Interpretation gilt für die Evidenzbewertung des Zusammenhangs zwischen Gliomen/Hirntumoren und berufsbedingter HF-Exposition aufgrund von Unterschieden bei den Expositionsquellen und -metriken in den wenigen eingeschlossenen Studien.

Geringe bis mäßige Sicherheit?

Wie ein roter Faden zieht es sich durch sämtliche Schlussfolgerungen, dass diesen eine geringe bis mäßige Sicherheit anhaftet, was im Abstract der Studie schon an den genannten großen Konfidenzintervallen erkennbar ist.

Doch woran liegt es, dass den Schlussfolgerungen der Autoren so große Unsicherheit anhaftet. Liegt das womöglich schon an den Primärstudien, die in die Review eingeschlossen wurden? Das wollte ich von meiner neuen Auskunftei "Copilot" wissen. Die KI antwortete:

Ein großes Konfidenzintervall (CI) bei einem mRR-Ergebnis (meta-estimate of the relative risk) kann auf mehrere Faktoren zurückzuführen sein, und ja, die Primärstudien spielen dabei eine wichtige Rolle. Hier sind einige mögliche Gründe:

Heterogenität der Studien: Wenn die Primärstudien sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern, kann dies zu einer hohen Heterogenität führen, was das Konfidenzintervall vergrößert.

Kleine Stichprobengrößen: Studien mit kleinen Stichproben haben oft größere Unsicherheiten in ihren Schätzungen, was zu einem größeren Konfidenzintervall im Meta-Analyse-Ergebnis führen kann.

Variabilität in den Studiendesigns: Unterschiede in den Studiendesigns, Populationen, Interventionen und Ergebnissen können ebenfalls zu einem breiten Konfidenzintervall beitragen.

Qualität der Primärstudien: Niedrige Qualität oder methodische Schwächen in den Primärstudien können die Präzision der Schätzungen beeinträchtigen und zu einem größeren Konfidenzintervall führen.

Anzahl der eingeschlossenen Studien: Wenn nur wenige Studien in die Meta-Analyse einbezogen werden, kann dies die Präzision der Schätzung verringern und das Konfidenzintervall vergrößern.

Es ist also durchaus möglich, dass die Eigenschaften der Primärstudien einen erheblichen Einfluss auf die Breite des Konfidenzintervalls haben.

Versuch einer Interpretation

Primärstudien geringer Qualität kann man mMn aus der Liste der KI streichen, dafür haben die Autoren die im Zuge ihrer Literaturrecherche gefundenen Studien wahrscheinlich zu gründlich gesiebt. Allerdings kann es selbst bei qualitativ guten Studien in dieser Disziplin eine gewisse Streubreite geben, die sich dann auf das CI auswirkt. Ob die übrigen Angaben der KI zutreffen, kann ich nicht kompetent beurteilen. Muss ich auch nicht, mir kam es nur darauf an zu erfahren, ob es am Gegenstand der Review liegen konnte, dass die Sicherheit der Schlussfolgerungen so mager ausfiel. Und anscheinend ist dies der Fall.

Heißt für mich bis auf Weiteres: Die Review kann von keiner der Streitparteien in der Mobilfunkdebatte dazu verwendet werden, der jeweiligen Gegenseite in Sachen Hirntumoren endgültig das Wasser abzugraben. Insofern mag ich mich entwarnenden Medienberichten anlässlich der Review nicht anschließen. Anscheinend sind die bisherigen Forschungsergebnisse, auf einen Nenner gebracht, nicht dazu geeignet, mit Bestimmtheit zu alarmieren oder Entwarnung zu geben. Weitere und möglicherweise andere Forschung ist nötig, um die Waage in den kommenden Jahrzehnten entscheidend aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das wird die Forscher freuen. Doch welche Forschung verbindlich zur Klärung beitragen könnte, anstatt die Waage nur im unverbindlichen Gleichgewicht zu halten, ich habe keine Ahnung :-(.

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WHO-Review zu Hirntumoren: Kritik von Microwave News

H. Lamarr @, München, Freitag, 13.09.2024, 03:09 (vor 4 Tagen) @ e=mc2

Louis Slesin (Microwave News) bemüht sich redlich, auch diese Review zu entwerten. Den Hebel dazu setzt er aber nicht am Inhalt der Review an, sondern allein an deren Autoren. Mit denen er nicht glücklich ist, weil einige seit eh und je den Standpunkt vertreten würden, HF-EMF könne Krebs nicht verursachen. Selbstverständlich stören ihn auch alle Verbindungslinien von Autoren zu Icnirp. Sein Ärger darüber gipfelt in der populistischen Behauptung, die Review sei "eine Produktion von Icnirp".

Im Grunde sind das alles bekannte Vorwürfe, die seit vielen Jahren gebetsmühlenartig von Kritikern wiederholt werden, freilich ohne nennenswert Wirkung zu entfalten. Zudem ist Slesin spät dran. Das im Dezember 2021 veröffentlichte Protokoll der Review nennt alle Autoren beim Namen, da hätte der Herausgeber vom Microwave News damals schon loslegen können. Erstaunlicherweise reibt er sich jetzt nur an den Namen und lästert nicht über die geringe statistische Sicherheit, die den Schlussfolgerungen der Review-Autoren anhaftet.

Slesin praktiziert mit seiner Kritik das ebenso alte wie erprobte Spiel, zur Sache selbst so gut wie nichts zu sagen und sich damit zu begnügen, die Autoren zu stigmatisieren. Frei nach dem Motto: Gelingt es mir, die Glaubwürdigkeit der Autoren zu beschädigen, dann geht automatisch auch deren Review den Bach runter. Das funktioniert erfahrungsgemäß gut, hat aber den Haken, dass diese Light-Form der Kritik sich in den Echokammern der Szene totläuft. Soll Kritik auch außerhalb der Echokammern aufgegriffen werden, braucht es mehr Substanz. Etwa den glasklaren Nachweis, dass den Autoren der eine oder andere folgenschwere Fehler unterlaufen ist. Solange dies nicht passiert, haben die Autoren der Review mMn nichts zu befürchten.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

WHO-Review zu Hirntumoren: Kritik von Microwave News

e=mc2, Freitag, 13.09.2024, 08:20 (vor 3 Tagen) @ H. Lamarr

Louis Slesin (Microwave News) bemüht sich redlich, auch diese Review zu entwerten. Den Hebel dazu setzt er aber nicht am Inhalt der Review an, sondern allein an deren Autoren.

Ja nichts Neues. Wenn man schon so auf den Mann spielt und sich an potentiellen Interessenskonflikten stört, wäre es ja eigentlich auch interessant zu wissen, welches die Hauptspender von Microwavenews sind. Aber diesbezüglich schweigt Slesin wie ein Grab. Die übliche Doppelmoral, weil man ja auf der "richtigen" Seite steht (White hat bias).

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