Elektrosensible Tomatenpflanzen rufen um Hilfe (Forschung)
Klingt nach Aprilscherz, ist aber keiner: Wissenschaftler in Israel konnten zeigen, geraten Tomatenpflanzen in Stress, z.B. weil sie zu verdursten drohen, geben sie vermehrt Töne im Ultraschallspektrum von sich. Kreuzte man diesen Befund mit einem älteren, der Stressreaktionen von Tomatenpflanzen unter HF-EMF-Exposition fand, entstünde ein neues Studiendesign, das Hilferufe von Tomatenpflanzen während der Einwirkung HF-EMF erkunden könnte.
Tomatenpflanzen (auch Tabakpflanzen) sind keineswegs stumm. Glaubt man den Ergebnissen der Arbeitsgruppe Hadany et al., 2023, erzeugen sie unter Stress häufig Plop-Geräusche, ähnlich denen, die wir beim Zerdrücken von Luftpolsterfolien wahrnehmen. Dies geschieht allerdings in einem Frequenzbereich (20 kHz bis 150 kHz), in dem das Gehör von Menschen versagt. Die Plop-Geräusche sollen sogar ziemlich laut sein und Schalldruckpegel von etwa 61 dB bis 65 dB erreichen, was einem auf Zimmerlautstärke eingestellten Fernsehapparat entspricht.
Als Stressor verwendeten die Forscher Wassermangel und das Abscheiden von Pflanzentrieben. Ohne Stress gaben die Pflanzen der Fallgruppe pro Stunde weniger als einen Plop von sich, die ungestressten Kontrollpflanzen blieben sogar über einen Zeitraum von 500 Stunden völlig schweigsam. Wurde die Fallgruppe jedoch gestresst, protestierte sie heftig. Bei Wassermangel gab es durchschnittlich (je nach Planzenart) bis zu 35 Plops pro Stunde, bei Verletzungen waren es immerhin noch durchschnittlich bis zu 25 Plops.
Das Studiendesign gibt detailliert Auskunft, wie und unter welchen Bedingungen die Geräusche der Pflanzen gemessen wurden, um Störgeräusche auszublenden. Und obwohl die Autoren auch die Einschränkungen ihrer Befunde diskutieren, haben sie schon eine praktische Anwendung auf dem Schirm. Gelänge es mit Hilfe von KI die Geräusche von Pflanzen in einer Gewächshausplantage hinreichend zuverlässig auszuwerten, könnten z.B. Tomaten immer dann Wasser einsparend bewässert werden, sobald die Pflanzen Durst anmelden.
Elektrosensible Tomatenpflanzen
Mit Rückblick auf eine ältere "Tomatenstudie" liegt der Gedanke nahe, wenn Tomatenpflanzen auf Trockenstress oder Verletzungen mit Geräuschen reagieren, dann tun sie dies auch, wenn sie einer HF-EMF-Exposition ausgesetzt sind, die sie als bedrohlich wahrnehmen. Hintergrund für diesen Gedanken ist die Studie von Vian et al., 2006. Damals zeigten mit 900 MHz und geringer Intensität (5 V/m) über 10 Minuten hinweg befeldete Tomatenpflanzen in Echtzeit beobachtete Veränderungen bei der Anfangsphase (Transkription) der Genexpression. Untersucht wurde gezielt die Anreicherung eines Transkripts, das auch auf kleine Umwelt-Stimulationen sehr schnell reagiert. Für Laien verständlicher: Die Pflanzen reagierten auf die schwache HF-EMF-Befeldung (Stress) in etwa so, als habe man ihnen eine Verletzung zugefügt (Trieb abgeschnitten).
Die alte und die neue "Tomatenstudie" untersuchten beide die Stressreaktionen von Tomatenpflanzen mit dem gleichen Stressor Verletzungen. Beide fanden Stressreaktionen, jedoch mit völlig unterschiedlichen Beobachtungsmethoden. Wenn Tomaten auf schwache HF-EMF-Befeldung tatsächlich mit der deutlichen Anhäufung eines Stress-Transkipts reagieren und keine unerkannte Störeinwirkung die Beobachtung verursacht hat, müssten Tomaten auch auf schwache HF-EMF-Befeldung mit Ultraschall-Plops reagieren. Könnte dies beobachtet werden, wäre dies ein starker Hinweis oder sogar Nachweis für biologische Effekte unterhalb geltender EMF-Grenzwerte. Mobilfunkgegner wären wieder einmal aus dem Häuschen, alle anderen würden sich die Frage nach der gesundheitlichen Relevanz dieses Befundes stellen.
Hintergrund
BfS will Gesundheit von Pflanzen erforschen lassen
Die geheimen Gespräche der Pflanzen
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –