all-in.de: Abgesang auf einen Anti-Mobilfunk-"Bürgerreporter" (Allgemein)
Der "elektrosensible" Allgäuer Georg Vor benutzt das Webportal all-in.de, um seine Sicht des Risikos Mobilfunk als "Bürgerreporter" unter die Leute zu bringen. Bislang hat er dort 24 Beiträge veröffentlicht, damit rd. 56'000 Klicks erzielt und Diagnose-Funk mit vielen Backlinks erfreut. Doch damit ist bald Schluss.
Georg Vor betrachtet seine Tätigkeit als Bürgerreporter zum Thema "Risiko Mobilfunk" wahrscheinlich als ehrenhafte Aufklärung der Bevölkerung, ich sehe darin vor allem gezielte Desinformation. Ob seine oder meine Sicht zutrifft ist nicht weiter von Belang, denn die Tage des selbsternannten Bürgerreporters auf all-in.de sind gezählt. Nicht allein seine, sondern die aller Bürgerreporter des Portals, denn der Betreiber, die Allgäuer Zeitung, will demnächst auf seiner Plattform ohne die Werke von Bürgerreportern auskommen. Dies geht aus folgender Meldung der Zeitung hervor:
Wir haben am 27. April 2022 die Kommentarfunktion auf all-in.de abgestellt. Damit sind auch alle Kommentare gelöscht, die in der Vergangenheit auf all-in.de veröffentlicht wurden. Dieser Schritt hat hauptsächlich technische Gründe. all-in.de steht vor einem Systemwechsel. Demnächst wird all-in.de schneller, übersichtlicher und optisch noch ansprechender sein. Das neue System wird technisch bedingt und auch aus presserechtlichen und digital-gesetzlichen Gründen keinen Bürgerreporter-Bereich mehr haben. Der erste Schritt in diese Richtung ist der Wegfall der Kommentarfunktion.
Das Team von all-in.de bedankt sich bei allen, die sich in den letzten Jahren an Diskussionen auf unserem Portal beteiligt haben. Wir freuen uns, wenn Sie die Diskussionen auf unserer Facebook-Seite weiterführen.
Ich begrüße die Entscheidung, denn aus meiner Sicht sollten Zeitungen ihren Informationsauftrag nicht (teilweise) in die Hände von Dilettanten legen. Der eine oder andere mag durchaus lesenswerte harmlose Lokalmeldungen zustande bringen. Das Risiko, im Gewusel unverdächtiger Trallala-Meldungen mittendrin auch Geschäftemacher, Populisten und Demagogen mit dubiosen Absichten auf die Bevölkerung los zu lassen, ist jedoch mit vertretbarem Aufwand nicht beherrschbar. Vor z.B. verfolgt mit seinen Beiträgen ohne Wenn & Aber das Ziel, in der Bevölkerung irrationale Ängste gegenüber Mobilfunk zu wecken oder zu schüren. Er betätigte sich damit als Lobbyist für Branchen, die aus solchen Ängsten Kapital schlagen. Tat er dies unabsichtlich, ist er entschuldigt.
Doch auch Vor ist kommerzieller Nutznießer der Mobilfunkdebatte, er bietet auf seiner Website "geobiologische" Messungen an (Honorar je nach Aufwand zuzüglich Anfahrtskosten), wobei diese mit dem wissenschaftlichen Studienfach Geobiologie nichts zu tun haben, sondern eher im Reich der pseudowissenschaftlichen Esoterik zu verorten sind (Elektrosmog plus Wasseradern und Co.). "Die individuelle Situation lässt sich nur durch qualifizierte Messungen feststellen!", meint Vor in einem PDF, wobei ich stark bezweifle, ob ein Mann überhaupt zu qualifizierten Messungen imstande ist, der sich neben seinem geobiologischen Geschäftsfeld noch als Loipenscout sowie als Webdesigner und EDV-Schulmeister und dann auch noch als Alternativmedizinmann für Colon-Hydro-Therapie betätigt.
Vor ist kein Einzelgänger, sondern Netzwerker in der Szene organisierter Mobilfunkgegner. Er ist z.B. verantwortlich für die Datenverarbeitung auf der Website des BVMDE, dessen Akronym ich aus gegebenen Anlässen spaßeshalber gerne in "Bundesverband verstörter Mobilfunkgegner Deutschlands" auflöse. Ausgerechnet einen kommerziellen Nutznießer der Mobilfunkdebatte mit dem Schutz der Daten des BVMDE-Webauftritts zu betrauen, halte ich für grenzwertig. Denn eigenen Angaben zufolge entstand der BVMDE 2020 aus dem "informellen Zusammenschluss" von 197 Anti-Mobilfunk-Bürgerinitiativen, von denen inzwischen zwar nur noch rd. 100 übrig geblieben sind, der Adressenpool dürfte jedoch für jeden interessant sein, der überzeugten Mobilfunkgegnern Produkte oder Dienstleistungen verkaufen möchte.
Für meine Verhohnepiepelung seines Akronyms liefert der BVMDE zufällig heute eine weitere Begründung, indem er einen Online-Vortrag von Klaus Buchner ankündigt:
Der angesehene Physiker und ehemalige EU-Abgeordnete Prof. Dr. Klaus Buchner informiert in seinem spannenden Vortrag am Donnerstag, 26. Januar 2023 um 19:45 Uhr über Hintergründe und Gefahren des Mobilfunks, insbesondere auch des neuen 5G-Standards.
Dass Klaus ein angesehener Physiker sein soll höre ich zum ersten Mal. Und bekanntlich haben sich die Wege des unverbesserlichen Mobilfunkgegners und des IZgMF schon vor vielen Jahren getrennt, weil unsere Standpunkte zum Risiko Mobilfunk unvereinbar wurden. Das Lustige an der Meldung aber ist die krampfhaft-werbliche Behauptung, Buchners Vortrag sei "spannend". Woher will der BVMDE das wissen? Da es ein Online-Vortrag ist, den Buchner heute Abend live bestreitet, kann der BVMDE seine dahergeredete Wertung bestenfalls erhoffen. Aus meiner Sicht eine absolut hoffnungslose Hoffnung. Von den vielen Kritiken, die das IZgMF über Buchners Wirken in der Anti-Mobilfunk-Szene geschrieben hat, möge diese eine stellvertretend dafür stehen, was der Ex-Bundesvorsitzende der ÖDP wirklich zu bieten hat. Spannend ist es nicht, eher haarsträubend.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –