Es spukt wieder: 800'000 "Elektrosensible" in der Schweiz (Elektrosensibilität)
Mobilfunkgegner berufen sich gerne auf irgendwelche Umfragen, um aus den ermittelten Prozentwerten auf die Anzahl "elektrosensibler" Menschen umzurechnen. Gigaherz-Präsident Jakob kommt auf diese Weise auf 400'000 bis 800'000 "Elektrosensible" in der Schweiz, infolge Dunkelziffer sieht er die Anzahl bei eher 800'000. Würde dies zutreffen, etwa jeder zehnte Schweizer litt unter der Einwirkung elektromagnetischer Felder wie sie z.B. der Mobilfunk erzeugt. Doch andere Indikatoren sprechen gegen die fabelhaften Zahlen.
Es gibt zahllose Hinweise, viele davon hier im Forum dokumentiert, dass zwischen den Rechenkunststücken von überzeugten Mobilfunkgegnern und der erbarmungslosen Realität Welten liegen und die Anzahl richtig "Elektrosensibler" bestenfalls im dreistelligen Bereich liegt.
Ausgerechnet das Gigaherz-Forum liefert dazu jetzt einen weiteren Hinweis. Eigenen Angaben zufolge ist der Schweizer Verein Gigaherz die älteste und größte Organisation in dem Alpenstaat, welche die Interessen Elektrosmog-Betroffener vertritt. Bekannt ist auch, dass einige "Elektrosensible" einen starken Mitteilungsdrang haben. Von den angeblich 800'000 "Elektrosensiblen" der Schweiz sollten sich daher geschätzt mindestens 1000 mehr oder weniger häufig des Gigaherz-Diskussionsforums bedienen, um sich auszutauschen. Da dieses Forum eine moderierte Echokammer ist, die störende Stimmen nicht selten unterdrückt, müsste das Forum ein Tummelplatz für den ungestörten Austausch "Elektrosensibler" sein. Theoretisch. Tatsächlich aber ist das Forum seit 18. Januar 2023, also seit nunmehr sieben Tagen tot, es weist kein einziges neues Posting auf. Da kann etwas nicht stimmen. Dies und der Umstand, dass auch das Gigaherz-Forum wenn es lebt, wie das IZgMF-Forum nur eine Handvoll aktiver Teilnehmer hat, deutet darauf hin, dass zwischen Umfrageergebnissen und harter Realität ein enormer Widerspruch herrscht.
Wahrscheinlich liegt dies daran, dass in Umfragen nicht differenziert genug gefragt wird und die Lust organisierter Mobilfunkgegner, die Zahlen künstlich groß zu rechnen, ungebrochen ist. Wissenschaftlich erforscht wurde die auffällige Diskrepanz meines Wissens (noch) nicht. Mutmaßlich entsteht sie dadurch, dass viele Menschen durch unqualifizierte Medienberichte über "Elektrosensible" auf dieses Phänomen aufmerksam werden, nebenbei Selbstbeobachtung betreiben und z.B. beim Telefonieren mit dem Smartphone Allerweltssymptome erkennen wie warme Ohren, Kopfschmerzen oder erhöhten Speichelfluss. Um das Ausloten eines möglichen Kausalzusammenhangs zwischen Symptomen und Telefonieren kümmern sich diese Menschen nicht, dazu sind die Beschwerden nicht groß genug, in Umfragen deklarieren sie sich jedoch als "Betroffene".
Ganz anders verhält es sich bei "Elektrosensiblen", die von den Medien vorgeführt werden. Die Symptome dieser Personen sind vorgeblich oder tatsächlich so stark, dass sie aufgrund eines Vermeidungsverhaltens ihre Lebensumstände erheblich anpassen und z.B. in funkarmen Kellern schlafen oder in abseits gelegene Funklöcher flüchten. Keine dieser Personen konnte bislang freilich einen Kausalzusammenhang der Beschwerden mit Funkeinwirkung unter wissenschaftlich strenger Aufsicht nachweisen. Studien und Begebenheiten zeigten jedoch, dass bereits der Anschein einer "Funkbelastung" genügt, z.B. der Anblick eines inaktiven Funkmasten, um bei konditionierten Personen echte Symptome zu bewirken. Nur dieser kleine Personenkreis ist mMn wissenschaftlich und sozial relevant, die überwältigende Mehrheit der von Medienberichten erzeugten "Gelegenheitselektrosensiblen" hingegen nicht. Um den Spuk mit riesigen Mengen von "Elektrosensiblen" fundiert zu beenden, wünschte ich mir differenzierte Umfragen und belastbare Analysen der Problematik.
Hintergrund
Schweiz: Hundertausende "Elektrosensible" (2018)
[Admin: "Hintergrund" hinzugefügt am 31.01.2023]
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –