Wir üben Desinformieren (9): 5G benötigt 800'000 Sendeanlagen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 17.07.2021, 14:43 (vor 1224 Tagen)

Tatsachen so verdrehen, dass diese nicht mehr die ursprüngliche Botschaft, sondern scheinbar eine andere verkünden, gehört zum Brot-und-Butter-Geschäft von Desinformanten. Wer als "seriöser Desinformant" gelten will, bietet seinen gutgläubigen Opfern sogar die Originaltatsache an, z.B. in Gestalt eines Links oder eines Videos, und spekuliert darauf, dass das Original aus Faulheit nicht weiter beachtet wird, oder, wenn doch, durch Wahrnehmungsverzerrung die Tatsachenverdrehung unerkannt bleibt. Da diese Desinformationsmethode reichlich simpel ist und sich mit wenig Aufwand enttarnen lässt, ist sie zwar weit verbreitet, verfängt jedoch nur bei den weniger hellen Kerzen der Gesellschaft.

Wir schauen uns diese Praxis an einem willkürlich herausgegriffenen erfreulich kurzen Beispiel an, das uns der "Elektrosensible" Ulrich Weiner freundlicherweise zur Verfügung stellt.

Weiner behauptet am 24. September 2019 auf seiner Website:

5G – benötigt 800.000 Sendeanlagen

Da aus der Sicht des Märchenonkels Sendeanlagen Tot und Verderben bringende Ungetüme sind, ist das Ziel seiner Behauptung klar wie Kloßbrühe: Weiner will unter EMF-Phobikern irrationale Ängste gegenüber 5G säen oder schüren.

Um sich seriös zu geben, präsentiert Weiner wie es sich gehört die Quelle seiner Weisheit, und weil dies ein (undatierter) Videoausschnitt aus einer Sendung der ARD-Tagesschau ist, hat Weiner vermeintlich ein Schwergewicht des deutschen Qualitätsjournalismus' auf seiner Seite. Wer über Weiner nichts weiß und daher ohne Misstrauen ist, kann gut und gerne auf den Konstrukt hereinfallen, es sei denn, er betrachtet das knapp zwei Minuten lange Videoschnipsel, mit dem Weiner seine Behauptung untermauern will.

Doch wer sich von Weiner desinformiert das Videoschnipsel ansieht, erlebt sein blaues Wunder. Denn statt einer Bestätigung der Zahl 800'000 erfährt der Betrachter, warum es keine 800'000 5G-Funkmasten in Deutschland geben wird:

[...] 5G wird es flächendeckend nicht geben. Dabei ist das die Grundlage etwa für autonomes Fahren, für Industrie 4.0, die Technologien der Zukunft. Das Problem: Ein flächendeckender Ausbau sei für die Anbieter nicht zu leisten sagt der Branchenverband [gemeint ist Bikom, dessen Präsident anschließend zu Wort kommt; Anm. Postingautor]. "Wir brauchten fast 800'000 Funkmasten, um Deutschland flächendeckend mit 5G auszustatten. Und das ist nicht möglich, es würde über 130 Milliarden Euro kosten. Das wäre eine Größenordnung, die wir uns nicht erlauben können." [...]

Weiner ist einer der skrupellosesten Desinformanten der Anti-Mobilfunk-Szene, ein Zocker, der die Masse seiner Desinformation schon immer über deren Klasse gestellt hat. Dies erklärt aus meiner Sicht, warum er es wagt, das für ihn imagefördernde ARD-Videoschnipsel auf der Webseite einzustellen, obwohl dieses seine Behauptung eindeutig widerlegt.

Die offensichtliche Respektlosigkeit gegenüber seinen Anhängern/Opfern hat Weiner innerhalb der Anti-Mobilfunk-Szene isoliert. Wer sich dennoch mit ihm einlässt ist automatisch stigmatisiert. Dass der Pleitier trotzdem eine gewisse Anhängerschaft hat ist u.a. damit zu erklären, dass das Personal der Anti-Mobilfunk-Szene seit jeher stark fluktuiert und Neuzugänge aus Unerfahrenheit auf Weiners ausgiebige irreführende Selbstdarstellungen hereinfallen. Der "König der EMF-Desinformanten" erlebt daher mit schöner Regelmäßigkeit immer dann eine Renaissance, wenn Mobilfunknetzbetreiber ein neues Funknetz übers Land ziehen und sich desinformierte Wutbürger reflexartig zu wild entschlossenen "Bürgerinitiativen" zusammenschließen. Im Gegensatz zu früher sind Weiner-Auftritte in den Medien jedoch deutlich zurückgegangen.

Hintergrund
Mobilfunkstandorte in Deutschland: Entwicklung der Anzahl
Uli W.: vom Konkurs auf direktem Weg in die Elektrosensibilität
Beiträge der Reihe "Wir üben Desinformieren"

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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