5G-Beamforming: AfD stellt Bundesregierung 22 Fragen (I) (Allgemein)
Die gegenwärtig grassierende 5G-Paranoia ist eine Steilvorlage für alle Populisten. Nach einer längeren Orientierungspause greift die AfD jetzt bei 5G wieder zu und bombardiert mit einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag die Bundesregierung mit 22 Fragen Drucksache 19/17722 vom 10. März 2020. Antworten der Bundesregierung liegen noch nicht vor. Der folgende Text bildet die Vorabfassung der Kleinen Anfrage ab, im Original wird dieser Text später durch eine lektorierte Fassung ersetzt (Hinweis: nicht alle von der AfD gesetzten Links führen noch zum Ziel):
Strahlenbelastung durch 5G-Strahlenkeulen (Beamforming)
Die fünfte Generation von Mobilfunk (5G) wendet Netzelemente und die Ausstrahlung der zugehörigen Frequenzen nicht mehr analog der bisherigen Mobilfunk-Technik an. Mittels Network Slicing schneidet 5G virtuelle Scheiben aus dem IP-Netz und mittels Edge Computing erfolgt dann die Datenverarbeitung direkt am Ort, um z. B. mobile Roboter in Echtzeit zu steuern. 5G ist ein reiner IP-Datentransfer, der insbesondere in firmeneigenen Campusnetzen für die Industrie von großer Bedeutung sein wird und schon deshalb mit der klassischen mobilen Sprach-Telefonie nicht mehr vergleichbar ist (Link).
Eine der Neuheiten bei 5G ist das Beamforming, die Bildung von Strahlenkeulen durch adaptive Antennentechnik. Beim Beamforming sendet nicht eine Antenne zum Empfangsgerät, sondern mehrere Antennen werden so ausgerichtet, dass ihre elektromagnetischen Wellen am Zielort positiv interferieren und dort so die Signal- und Feldstärke erhöhen. Dabei werden die einzelnen Antennen nicht physikalisch ausgerichtet, sondern die Phase der gesendeten Wellen verschoben. Wenn sich das Empfangsgerät bewegt, wird die Phasenverschiebung der neuen Situation angepasst und die positive Interferenz erneut auf das Empfangsgerät ausgerichtet.
Um positive Interferenz am Empfangsgerät zu erreichen, muss der Gangunterschied der zwei Strecken zwischen Antenne 1 und Empfangsgerät, sowie Antenne 2 und Empfangsgerät ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge betragen (Link), respektive das Signal mit passender zeitlicher Verzögerung (Phasenverschiebung) von einer der Antennen ausgesendet werden. Leicht wird ersichtlich, dass diese Interferenz-Bedingungen nicht nur am Empfangsgerät, sondern auch an anderen Punkten im Raum erfüllt sind. An diesen Punkten entstehen durch positive Interferenz der ausgesendeten Strahlung ebenfalls unerwünschte Maxima.
Die bisherige Abstrahl-Charakteristik einer Mobilfunk-Sendeanlage ist, dass am Antennenstandort die stärke Strahlungsleistung auftritt und diese dann in den Randgebieten kontinuierlich abnimmt. Beim Beamforming durch adaptive Antennen wird die Feldverteilung aktiv geändert, die Sendeleistung in bestimmten Gebieten im Raum ist erhöht. Die Deutsche Telekom erklärt hierzu, dass das Signal „im Randbereich ähnlich stark wie im Zentrum“ ist (Link). Die Signale werden in Form von länglichen Keulen gezielt ausgerichtet, was einen neuen Bestandteil dieser Technik darstellt.
In der anschaulichen Simulation der Interferenz zweier Kugelwellen auf Link wird dabei deutlich, dass diese Keulen (in der Simulation die violett gekennzeichneten Kurven) aus einer Ansammlung von einer großen Anzahl von Punkten mit positiver Interferenz (Maxima) bestehen. Weiterhin wird deutlich, dass sich im Fall zweiter Antennen nicht nur eine Strahlenkeule ausbildet, sondern mehrere. Die zusätzlichen, unerwünschten Strahlenkeulen zeigen dementsprechend nicht auf das Empfangsgerät, auf das die adaptiven Antennen ausgerichtet sind. Es kommt also zwangsläufig zu unerwünschten Strahlenkeulen und Maxima. Dies lässt sich nicht verhindern, ist aber nach Ansicht der Fragestellen in der Öffentlichkeit unzureichend bekannt.
Die Deutsche Telekom erklärt, dass „eine aktive Antenne 64 Signale parallel“ aussendet, die sich alle einzeln auf die Kunden ausrichten lassen. Es können also 64 verschiedene (gewünschte) Beams geformt werden (Link). Weiterhin wird erklärt, dass die 64 Keulen nicht auf einzelne Nutzer abzielen, sondern letztendlich örtlich eine Keule geformt wird. In dieser Keule können dann mehrere Kunden gleichzeitig bedient werden. Als Beispiel wird eine Touristengruppe genannt, die vor einer großen Kirche steht. Alle Mitglieder dieser Gruppe würden vom gleichen Beam erfasst und könnten von diesem mit Daten versorgt werden.
Aus diesem Beispiel ist jetzt leicht abzuleiten, dass diese Gruppe an der Kirche ja nicht nur von einer einzigen 5G Zelle nur eines Providers und nur durch eine Strahlenkeule bestrahlt wird, sondern möglicherweise von allen 4 Providern (Telekom, Vodafone, O2 und 1&1) aus mehreren 5G Zellen gleichzeitig. Dies kann Auswirkungen bezüglich Exposition und Intensität auf jeden Einzelnen in der Gruppe haben, auch wenn dieser gar kein Smartphone besitzt. Es ist somit schwer möglich, den Strahlenkeulen aus dem Weg zu gehen, falls man das möchte. Da diese festen und beweglichen, gewünschten oder unerwünschten Strahlenkeulen nicht gesehen werden, ist es auch nicht möglich sich nicht länger als nötig darin aufzuhalten.
Das Bundesamt für Strahlenschutz war bereits vor 5G dem Mobilfunk gegenüber nicht sorglos und gibt deshalb Empfehlungen beim Umgang mit dem Handy, die darauf abzielen, „die Stärke (Intensität) der hochfrequenten Felder zu verringern und auf die Dauer der Strahlenbelastung (Exposition) zu verkürzen.“ (Link) Unter anderem wird mehrfach darauf hingewiesen, das Handy möglichst nicht am Kopf zu halten und Handytelefonate bei Kindern so weit wie möglich einzuschränken.
Bei der Errichtung jeder einzelnen neuen Mobilfunkanlage erfolgt eine Prüfung durch die Bundesnetzagentur, die gewährleistet, dass außerhalb des Sicherheitsbereichs die zugelassenen Grenzwerte nicht überschritten werden (Link).
In der Schweiz wurden laut einem Rechtsgutachten zum 5G-Ausbau adaptive Antennen so privilegiert, dass eine adaptive Sendeanlage die festgelegten Grenzwerte zeitweise überschreiten kann, solange die Anlage die Werte im Durchschnitt einhält (Link).
In der 5G-Strategie für Deutschland erklärt die Bundesregierung, dass es ihr Anspruch ist, dass Deutschland zum Leitmarkt für 5G-Anwendungen wird. Dieses Ziel soll gezielt durch mehrere Maßnahmen in fünf Aktionsfeldern umgesetzt werden. So soll unter anderem der Netz-Rollout forciert werden, eine frühzeitige Initiierung von 5G in Städten und Kommunen erfolgen und koordiniert und gezielt Forschung betrieben werden (Link).
Im 5G-Innovationsprogramm 5x5G fördert die Bundesregierung die 5G-Einführung. Insgesamt werden 50 Regionen ausgewählt, die bis zu 100.000 Euro Förderung erhalten können (Link).
In der 5G Auktion vom März bis Juni 2019 wurden die Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz versteigert. In den Auflagen zur Auktion verpflichten sich die Unternehmen dabei unter anderem dazu, 1.000 „5G-Basisstationen“ bis Ende 2022 in Betrieb zu nehmen (Link).
Die Deutsche Telekom AG hat 5G in Berlin, München, Köln, Bonn und Darmstadt gestartet und mehr als 120 Antennen funken im Live-Betrieb (Link). Vodafone erklärt, dass sie in 20 Städten und Gemeinden ihre ersten 5G-Stationen aktiviert hat und bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres mit mehr als 160 5G-Antennen in 25 Gemeinden und zehn Industrieparks funken wollen (Link).
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –