5G: Energiebedarf der Rechenzentren (Forschung)

Gast, Mittwoch, 11.12.2019, 23:22 (vor 2042 Tagen)

E.ON-Medienmitteilung vom 10.12.2019 (Auszug):

Mit dem Technologiesprung zum Mobilfunkstandard 5G wird der Energiebedarf von Rechenzentren drastisch ansteigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine von E.ON bei der Universität RWTH Aachen beauftragte Studie. Danach kann allein 5G den ohnehin stark wachsenden Strombedarf in Rechenzentren um bis zu 3,8 Terawattstunden (TWh) bis zum Jahr 2025 zusätzlich erhöhen. Das wäre genug Strom, um alle 2,5 Millionen Menschen der Städte Köln, Düsseldorf und Dortmund ein Jahr lang zu versorgen. E.ON setzt sich dafür ein, den steigenden Energieverbrauch klimafreundlich zu gestalten. Außerdem prüft das Unternehmen die Situation der Stromnetze im Rechenzentrum-Ballungsraum Frankfurt mit dem Ziel, die Energieversorgung auch bei deutlich steigendem Verbrauch zu sichern.

Auslöser des Energiehungers sind die neuen technischen Möglichkeiten für Unternehmen und Verbraucher. Mit 5G bauen sich Unternehmen eigene Mobilfunknetze auf. In intelligenten Fabriken vernetzen sich selbstfahrende Roboter mit Maschinen und tauschen Informationen aus. Das Mobilfunknetz wird so leistungsfähig, dass Filme in Echtzeit und praktisch ohne Download zur Verfügung stehen. Das erfordert laut Studie den Aufbau von vielen kleinen und lokalen Rechenzentren, die vielfach als Zwischenstation zu den zentralen Einheiten fungieren.

Das Wachstum der Datenfabriken wirkt sich auch auf die Stromnetze aus. Im Raum Frankfurt, der Hauptstadt der Rechenzentren, hat der Netzbetreiber Syna aus dem E.ON Konzern Mitte des Jahres bereits ein Umspannwerk in Betrieb genommen, das für umgerechnet 160.000 Haushalte ausgelegt ist und besonders die Versorgung der aktuell geplanten Rechenzentren sicherstellt. Syna prüft aktuell umfangreiche Maßnahmen in ihren Netzen, um den Energiebedarf der Rechenzentren und anderer Kunden auch in Zukunft bei deutlichem Wachstum nachhaltig decken zu können.

Bei den Energiekonzepten geht es aber nicht nur um die Energieerzeugung, sondern auch die ressourcenschonende Nutzung von Abwärme. Derzeit werden 13 Milliarden Kilowattstunden Strom in deutschen Rechenzentren in Wärme umgewandelt – und bislang ungenutzt in die Umgebung abgegeben. Laut Studie nutzen nur 19 Prozent der Rechenzentren einen Teil ihrer Abwärme, zum größten Teil in den eigenen Gebäuden für Heizung und Warmwasser.

Bis zum Jahr 2025 werden laut Studie bis zu 8 TWh Abwärme zur Verfügung stehen. E.ON-Vorstandsmitglied Karsten Wildberger sieht hier enorme Potenziale für die nachhaltige Nutzung dieser Energie. „Heute wird die Abwärme von Rechenzentren viel zu oft ungenutzt verschwendet. Abwärme ist wertvolle Energie, die knapp die Hälfte der eingesetzten Energie ausmacht. Deshalb müssen Rechenzentren zur Wärmeversorgung von Wohnsiedlungen und ganzen Stadtteilen genutzt werden. Das ist ein ganz konkreter und wichtiger Beitrag zur Kopplung der Sektoren Strom und Wärme, den wir gemeinsam mit unseren Kunden umsetzen.“

Mit der Technologie ectogrid hat E.ON ein Wärme- und Kältenetzsystem entwickelt, das mit niedrigsten Temperaturen arbeitet, von Algorithmen gesteuert wird und verschiedene Erzeuger und Abnehmer von Wärme oder Kälte intelligent miteinander vernetzt. Dieses System, auf das E.ON 39 Patente hält, bietet eine Lösung für die effiziente Nutzung von Abwärme.

Der mit zunehmender Digitalisierung steigende Energieverbrauch ist nicht allein durch die Einführung des 5G Standards bestimmt, sondern wird auch von einem neuen Online-Nutzerverhalten jedes einzelnen verursacht. Dafür will E.ON im Zuge einer Kampagne sensibilisieren. Es geht darum Bewusstsein zu schaffen und einen aktiven Beitrag zu einer klimaschonenden Digitalisierung zu leisten.

E.ON wird daher am 8. Januar als Weltpremiere einen „Green Internet Day“ ins Leben rufen. An diesem Tag wird das Unternehmen unter anderem seine gewohnten Aktivitäten im Internet und auf den Social-Media-Kanälen einstellen und stattdessen auf Lösungen für ein grünes Internet hinweisen. Rund um den „Green Internet Day“ sind zahlreiche weitere Aktionen vorgesehen, die das Unternehmen Anfang Januar vorstellen wird.

Bei der Studie handelt es sich um Berechnungen auf Basis einer Literaturrecherche, vorgenommen vom Institute for Future Energy Consumer Needs and Behavior (FCN), Prof. Madlener, der RWTH Aachen. Die Studie kann unter www.eon.com/green-internet eingesehen werden.

Kommentar: Die dpa ergänzt ihre Verwertung der Medienmitteilung um den nicht unwichtigen Hinweis, bei den Kalkulationen spiele der Energiebedarf der Mobilfunksender selbst keine Rolle. Denn bei den Sendern falle die Bilanz zugunsten der 5. Mobilfunkgeneration aus, die bezogen auf die übertragene Datenmenge nur ein Zehntel des Stroms erfordere, den 4G (LTE) benötigt. Der Schub im Verbrauch komme durch die zusätzlich benötigten Kapazitäten in den vernetzten Rechenzentren.

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Energiebedarf

Faktencheck: Lässt 5G den Strombedarf explodieren?

H. Lamarr @, München, Sonntag, 05.01.2020, 21:12 (vor 2017 Tagen) @ Gast

Dem Verein "Weiße Zone Rhön" ist es zu anstrengend, selber zu denken. Er lässt deshalb bevorzugt andere denken und kolportiert deren Ergebnisse von Denkprozessen, vorausgesetzt, diese passen dem Verein in den Kram. Aktuelles Beispiel ist die jüngste Alarmmeldung des Vereins:

STOPP 5G
5G lässt den Strombedarf explodieren

Lesen Sie hierzu einen Kommentar im WDR-blog vom 11.12.2019

Hier heißt es u.a. "Laut einer aktuellen Studie geht der Energiebedarf durch 5G durch die Decke."

Ein simpler Faktencheck relativiert diese dramatische Darstellung mühelos.

Zunächst einmal ist festzustellen, der Verein bezieht sich nicht etwa auf die von E.On beauftragte Originalstudie, sondern auf eine Sekundärquelle (WDR-Blog). Der Grund ist klar: Die Originalstudie (siehe Startposting) bringt dürre Fakten. Erst der WDR-Blog dramatisiert diese Fakten mit dem gängigen Vokabular des Populismus.

Der Studie zufolge kann 5G den ohnehin stark wachsenden Strombedarf in Rechenzentren um bis zu 3,8 Terawattstunden (TWh) bis zum Jahr 2025 zusätzlich erhöhen. Das liest sich nach einem gewaltigen Anstieg, der alles andere in den Schatten stellt.

Wirklich?

Wenn 5G ein derart hungriger Energiefresser werden wird, wie war das dann bei GSM, UMTS und LTE? Auch diese Mobilfunknetze müssten sich in einem spürbaren Anstieg des Energiebedarfs in Deutschland niedergeschlagen haben, immerhin gibt es heutzutage in Deutschland rd. 80'000 Standorte für Mobilfunksendeanlagen mit mehr als 10 W Strahlungsleistung nebst zugehörigen Rechenzentren für die Kernnetze. Für deren Energieaufnahme hat sich der Verein nicht interessiert – wir schon. Schließlich gab es diese Technik vor dem Start des GSM-Regelbetriebs Mitte 1992 noch nicht.

Die folgende Grafik (Quelle: Umweltbundesamt) zeigt den Energiebedarf in Deutschland für den Zeitraum von 1990 bis 2017, aufgeschlüsselt auf vier Bedarfsgruppen:

[image]

Wie der Grafik auf einen Blick zu entnehmen ist, blieb der Energiebedarf in der Bundesrepublik seit 1990 nahezu konstant, ein Anstieg infolge des Aufbaus der drei Mobilfunknetze pro Netzbetreiber ist nicht erkennbar. Warum nicht? Weil pro Jahr in Deutschland etwa 2'600 Terawattstunden Energie benötigt werden, ist der Anteil der Mobilfunknetze so klein, dass er, obwohl vorhanden, nicht sichtbar ins Gewicht fällt.

Nehmen wir die jüngste Zahl von 2017, dann hat der Energiebedarf für die 5G-Kernnetze mit (maximal) 3,7 TWh am Gesamtenergiebedarf Deutschlands einen Anteil von 0,14 Prozent.

Wenn die Decke für den Energiebedarf der Mobilfunknetze also nur um Haaresbreite über dem Boden verläuft, dann ist es wahrlich kein Kunststück, wenn 5G diesen Energiebedarf durch die Decke treibt.

Die Kunst der Darstellung ist die halbe Karriere.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

5G: Energiebedarf der Funk-Zugangsnetze

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 23.01.2020, 23:52 (vor 1999 Tagen) @ Gast

Der Energiebedarf von Rechenzentren ist ja ganz nett, wie aber steht es um die Funk-Zugangsnetze, unter denen landläufig die Mobilfunknetze verstanden werden?

Hierzu verfassten Anders S. G. Andrae und Tomas Edler, beide arbeiten in Schweden für Huawei, 2015 die Studie On Global Electricity Usage of Communication Technology: Trends to 2030, die im Volltext frei verfügbar ist. Der Schweizer Anti-Mobilfunk-Verein "Schutz vor Strahlung" hat mich unfreiwillig auf diese Studie aufmerksam gemacht.

Die Autoren nennen in ihrer Arbeit zum Vergleich noch andere Abschätzungen des Energiebedarfs von Funknetzen, das macht sie mir sympathisch.

Andrae und Edler differenzieren in ihrer Studie nicht nur zwischen Funk-Zugangsnetzen und Wi-Fi (W-Lan), sondern auch zwischen anderen Energieschluckern der Telekommunikation (z.B. Unterhaltungselektronik), was uns hier aber wohl weniger interessiert. Die folgenden drei Grafiken zeigen die prognostizierte weltweite Energiebedarfsentwicklung für Funk-Zugangsnetze (2G bis 5G) in Terawattstunden (TWh) bis 2030 unter günstigsten Umständen (best case), erwartbaren Umständen (expected case) und unter ungünstigsten Umständen (worst case). Wie diese Umstände definiert sind, lässt sich in der Studie nachlesen:

[image]


[image]


[image]

Wieso die drei Grafiken bis 2015 (Zeitpunkt der Veröffentlichung) nicht alle den gleichen Kurvenverlauf zeigen ist mir (noch) schleierhaft, bis zu diesem Zeitpunkt müssten ja schon konkrete Daten vorgelegen haben. Wahrscheinlich steckt die Erklärung irgendwo im Text der Studie, den ich nur flüchtig gelesen habe.

Aufregend finde ich jedenfalls den Umstand, dass 5G (expected case) 2030 mit 91 TWh noch lange nicht den Stand von 2G/3G (Sprache) des Jahres 2010 (rd. 130 TWh) erreicht hat. Das kommt mir zwar spanisch vor, die Autoren berücksichtigen bei 5G jedoch die beträchtliche Energieeffizienzsteigerung der Datenübertragung. Sollte die Deutung zutreffen, ist das Gerede von Prof. Karl Hecht ob der "Klimaerwärmung" durch 5G-Funknetze jedenfalls auch unter diesem Vergleichsblickwinkel Makulatur.

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5G, Energiebedarf

Energiebedarf: 5G-Funknetze vs. Bitcoin

H. Lamarr @, München, Sonntag, 14.03.2021, 02:12 (vor 1583 Tagen) @ H. Lamarr

Aufregend finde ich jedenfalls den Umstand, dass 5G (expected case) 2030 mit 91 TWh noch lange nicht den Stand von 2G/3G (Sprache) des Jahres 2010 (rd. 130 TWh) erreicht hat.

Was sind schon 91 TWh im Jahr 2030 für 5G-Funknetze, wenn heute allein die Erzeugung, das Mining von Bitcoins, angeblich 128 TWh verschlingt? Vielleicht ist das mit ein Grund, warum andere Länder weiter auf Atomkraft setzen. Irgendwie absurd, oder? :-)

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Energiebedarfsprognosen kritisch gesehen

H. Lamarr @, München, Montag, 15.03.2021, 10:54 (vor 1582 Tagen) @ H. Lamarr

Der Energiebedarf von Rechenzentren ist ja ganz nett, wie aber steht es um die Funk-Zugangsnetze, unter denen landläufig die Mobilfunknetze verstanden werden?

Hierzu verfassten Anders S. G. Andrae und Tomas Edler, beide arbeiten in Schweden für Huawei, 2015 die Studie On Global Electricity Usage of Communication Technology: Trends to 2030, die im Volltext frei verfügbar ist.

Andrae und Edler stützen sich, wie andere auch, bei ihrer Abschätzung auf Annahmen, wie viel Energie die Übertragung eines Gigabytes an Daten verschlingt. Gemäß dem Analysten George Kamiya darf man solchen Annahmen jedoch nicht unbesehen über den Weg trauen, häufig seien diese unzutreffend und die Prognosen würden zu einer kräftigen Überschätzung des Energiebedarfs führen. Wie Kamiya darauf kommt, beschreibt er in seinem Artikel The carbon footprint of streaming video: fact-checking the headlines.

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