Nieten in Robe (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 25.03.2019, 22:08 (vor 2098 Tagen) @ Alexander Lerchl

Vor wenigen Tagen hat das OLG entschieden und alle 6 OMAs kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Richter haben sich mit ihren Begründungen sehr viel Mühe gegeben und sehen die angeblichen Verstöße gegen das Urteil nicht als schuldhaftes Verhalten an. Auch andere Argumente sind sehr interessant, zum Beispiel das Zitieren durch Dritte, auf die Lerchl nur bedingt oder auch gar nicht hätte reagieren müssen.

Zufällig ist mir der Fall eines kuriosen Ordnungsmittelantrags (Oma) bekannt, der bei Ihren Fällen Pate gestanden haben könnte. Auch dieser Fall spielt im Wissenschaftsmilieu, angegriffen wurde mit dem Oma nicht mehr und nicht weniger als eine – E-Mail. Also, im Wesentlichen trug sich folgendes zu:

Zwei Professoren gerieten sich in die Wolle, weil der eine (Prof. A.) mehrfach etwas öffentlich behauptete, was dem anderen (Prof. B.) nicht gefiel. Die Sache kam vors Landgericht und Prof. A. unterlag. Das Urteil verbot Prof. A., die streitige Äußerung noch einmal zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen. So weit, so gut. Doch da gab es noch einen älteren Artikel von Prof. A. in einer ausländischen Fachzeitschrift, in der die zu unterlassende Äußerung zu lesen war. Prof. B. verlangte nun von Prof. A. aufgrund des Urteils, dieser sollte bis zu einem Stichtag dafür sorgen, dass der Artikel aus dem Internet verschwindet. Daraufhin schickte Prof. A. dem Verlag, in dem die Fachzeitschrift erscheint, eine E-Mail, mit der er darum bat, den Artikel nicht mehr zu verbreiten.

Jetzt geriet die Angelegenheit außer Kontrolle, denn der Verlag weigerte sich, der Bitte von Prof. A. nachzukommen und den Artikel zu löschen. Mehr noch, als Prof. A. im Bemühen zu belegen, dass er nicht untätig geblieben war und den Verlag um Löschung gebeten hat, eine Kopie seiner E-Mail an Prof. B. aushändigte, erkannte Prof. B. im Text der E-Mail eine Wiederholung der Verbotsbehauptung. Prompt stellte er vor dem Landgericht einen Oma, um Prof. A. für dessen Verstoß gegen die Auflagen des Urteils bestrafen zu lassen. Das Landgericht teilte die Ansicht von Prof. B. und verdonnerte Prof. A. zu einem saftigen Ordnungsgeld. Prof. A. aber, der naturgemäß eine ganz andere Sicht auf den Vorgang hat, legte gegen den Beschluss des Landgerichts Beschwerde ein. So musste sich nun ein Oberlandesgericht (OLG) mit der Rechtmäßigkeit des verhängten Ordnungsgeldes befassen.

Zur Erleichterung von Prof. A. hieß das OLG seine Beschwerde gut, es kassierte den Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts und auferlegte Prof. B. die Kosten des Rechtsstreits. In der Begründung führte das Gericht aus, der E-Mail von Prof. A. an den Verlag liege keine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsanspruch vor, weil Prof. A. mit seiner E-Mail die untersagte Äußerung weder selbst veröffentlicht hat noch hat veröffentlichen lassen. Ausschließlich diese beiden Handlungen seien ihm verboten worden. Veröffentlicht sei eine Äußerung erst dann, so das Gericht weiter, wenn sie an einen unbestimmt großen Personenkreis übermittelt wird, dessen Zusammensetzung vom Äußernden nicht kontrollierbar sei. Nicht gegeben sei eine Veröffentlichung, wenn eine Nachricht nur an einen begrenzten Personenkreis gerichtet wird. Wenn aber der Tatbestand der Veröffentlichung nicht gegeben ist, weil bei dem Verlag offenkundig nur wenige Personen mit der besagten E-Mail überhaupt etwas zu tun hatten, dann spielt es nach Darlegung des Gerichts auch keine Rolle mehr, ob Prof. A. in seiner E-Mail die verbotene Äußerung wiederholt hat oder nicht.

Was das Gericht hier in wohl gesetzten Worten befunden hat, hätte aus meiner Sicht auch jeder verständige Mensch ohne juristischen Hintergrund so erkennen können. Die Niederlage von Prof. B. war deshalb aus meiner Sicht von vornherein absehbar. Hört sich logisch an, oder? Wäre da nicht das Landgericht gewesen, das dem kuriosen Oma von Prof. B. reibungslos statt gab. Was soll man dazu noch sagen? Vielleicht: Wenn es Nieten in Nadelstreifen gibt, dann sollte es auch Nieten in Robe geben. Gut möglich, nicht umsonst kennt der Volksmund das Sprichwort "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand."

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Klage, OLG


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