Neue spektakuläre Handy-Regel für Wiener Ärztekammer (Allgemein)
Die berühmt-berüchtigten zehn medizinischen Handyregeln der Wiener Ärztekammer, von Mobilfunkgegnern gefeiert, von anderen belächelt, haben Patina angesetzt. So lautet eine Regel noch heute:
Beim Kauf von Handys auf einen möglichst geringen SAR-Wert sowie einen externen Antennenanschluss achten
Wer sich das ausgedacht hat muss aus der Steinzeit der Mobilfunktechnik stammen. Einen "externen Antennenanschluss" hat es ohnehin nie gegeben, das ist sprachlich vollendeter Blödsinn. Gemeint ist der Anschluss für eine externe Antenne. Und tatsächlich hatten in der Steinzeit Handys noch eine Buchsenleiste, damit man mit teuer gekauften Adaptern fürs Auto eine Freisprecheinrichtung und eine Außenantenne anschließen konnte. Die Mobilfunknetze waren damals noch so licht, dass nur mit Außenantenne während der Fahrt eine Verbindung nicht ständig abriss.
Doch diese Zeiten sind lange vorbei, der Kontakt zur Freisprecheinrichtung erfolgt seit vielen Jahren schon drahtlos mit Bluetooth und kein Smartphone präsentierte sich jemals mit Antennenbuchse. Wegen der Netzverdichtung und der damit einhergehenden Empfangsverbesserung ist dieses Accessoire überflüssig geworden wie ein Kropf.
Über die anderen "medizinischen" Handyregeln der Wiener Ärztekammer will ich mich jetzt nicht auslassen, für die genannte Steinzeitregel hätte ich aber eine passende Ersatzregel, die den Wienern gewiss gut zu Gesicht stünde:
Tragen Sie Ihr Handy nicht in der Hosentasche, sondern an der Hüfte in Höhe der Nierengegend. Dies wirkt lebensverlängernd! Passende Holster bekommen Sie bei Ihrem freundlichen Baubiologen von nebenan.
In den USA wären auch Kombiholster für Revolver und Smartphone denkbar, dort vermutlich ein Bombengeschäft.
Was sich spaßig liest, hat in den USA seinen seriösen wissenschaftlich gestützten Ursprung in der sensationellen 30 Mio. Dollar schweren NTP-Studie, die von Mobilfunkgegnern gerne angeberisch als "Regierungsstudie" verwurstet wird. Diese Studie hatte 2016 zu dem verstörenden vorläufigen Ergebnis geführt, dass mit starken Mobilfunksignalen befeldete Ratten deutlich länger lebten als die Tiere einer unbefeldeten Kontrollgruppe. Die US-Regierung mit Donald Trump an der Spitze wollte nun unbedingt wissen, was es mit diesem Phänomen auf sich hatte. Wissenschaftler des NTP (National Toxicology Program) gingen daher mit Volldampf der Sache auf den Grund und lösten das Rätsel. Anlässlich der Vorstellung der NTP-Abschlussberichte am 1. November 2018 gaben sie die spektakuläre Lösung mit einer offiziellen Presse-Information kund:
He [Studienleiter Dr. Michael Wyde; Anm. "spatenpauli"] also noted the unexpected finding of longer lifespans among the exposed male rats. “This may be explained by an observed decrease in chronic kidney problems that are often the cause of death in older rats,” Wyde said.
Deutsch: Studienleiter Wyde kam auch auf das überraschende Studienresultat zu sprechen, dass befeldete Rattenböcke länger überlebten als andere. Er sagte: "Dies lässt sich mit einer Abnahme chronischer Nierenerkrankungen erklären, die ansonsten bei älteren Ratten häufig zum Tod führen."
Nun lassen sich Ergebnisse an Ratten zwar nicht 1:1 auf Menschen übertragen, doch sich die Nieren ein wenig mit dem Smartphone zu befelden könnte die gewitzte Wiener Ärztekammer indes gut und gerne als Vorsorgemaßnahme deklarieren. Ihr winkten mit diesem Aufsehen erregenden Rat Ruhm und Ehre, etwa eine vielversprechende Nominierung für den begehrten Award "Das goldene Brett", an dem die Österreichische Ärztekammer 2012 noch knapp vorbei geschrammt ist. Dass der Rat nur für Männer gilt wäre nicht weiter schlimm, denn Rattendamen zeigten sich bei der NTP-Studie ohnehin wesentlich robuster gegenüber Funkfeldern als Rattenböcke. Frauen mögen BHs tragen, ein Handyholster an der Hüfte brauchen sie nicht.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –